Tipps und Tools für Redakteure

Die meisten Werkzeuge zur Barrierefreiheit richten sich an Entwickler, viele Tools können aber auch für Menschen interessant sein, die Inhalte online bereit stellen wollen, ich bezeichne sie hier der Einfachheit halber als Redakteure.
Kleines Update: Die Toolbar für Firefox funktioniert in aktuellen Versionen nicht mehr und wird auch nicht mehr weiter entwickelt. Der Nachfolger ist der A-Inspector. Für den Internet Explorer gibt es die Web Accessibility Toolbar, vergleichbare Tools gibt es auch für Chrome.
Die wichtigsten Aufgaben bestehen dabei in der Überprüfung der Auszeichnungen, sowie der Prüfung von Links und Bildern. Unser wichtigstes Tool ist die Firefox Accessibility Evaluation Toolbar (FAE), die naturgemäß nur im Firefox funktioniert.

Semantik prüfen

Die meisten von euch werden in einem Redaktionssystem arbeiten. Dabei gibt es grob zwei Formen von Editoren: Die WYSIWYG-Editoren, wo die Formatierung ähnlich wie bei einer Textverarbeitung unmittelbar sichtbar wird und die Code-Editoren, die HTML oder eine Wiki-Syntax verwenden. Da die Werkzeuge natürlich nur fertiges HTML überprüfen können wird die Prüfung meistens erst in der Vorschau oder im Live-Betrieb möglich sein. Wenn ihr mit HTML arbeitet empfiehlt sich auch der Einsatz eines HTML-Editors wie Phase 5, mit dem man über das Syntax-Highlighting sofort sehen kann, ob irgendwo die Tags nicht richtig geschlossen wurden.
Mit der FAE könnt ihr im Online-Betrieb sehr einfach prüfen, ob ihr Zwischenüberschriften, Listen, Abkürzungen und das ganze andere Zeug richtig ausgezeichnet habt.
Wir prüfen als erstes mal die Überschriften. FAE klinkt sich nach der Installation als weiteres Menü in die Menüleiste ein. Um die Überschriften zu prüfen wählen wir also Accessibility -> Navigation -> Headings. Es taucht oben links ein Fenster auf, das ihr irgendwo hin schieben könnt, wo es nicht stört. Es werden die Überschriften der verschiedenen Ebenen angezeigt. Bewegt man sich mit den Pfeiltasten durch die Liste wird auf der Website der zugehörige Bereich farbig hervorgehoben. Ihr müsst also darauf achten, dass tatsächlich alle Überschriften hervorgehoben werden, wenn ihr euch durch die Liste bewegt. Dabei wird auch die vergebene Überschriftenebene angezeigt. Die FAE kann nicht zwischen Gestaltungs- und Inhaltselementen unterscheiden, es werden also auch Navigationen als Listen oder ansonsten unsichtbare Bereichsüberschriften angezeigt. Einfach ignorieren und zum Inhalt weiterspringen.
Ähnliches kann man mit weiteren Elementen machen, die ich der Faulheit halber hier einfach mal ohne Fließtext aufliste.

Element
Zu finden unter Accessibility ->
Listen
Style -> Lists
Abkürzungen
Text Aquivalents -> List of Abbreviations
Sprachwechsel
Navigation -> Language Changes
Alternativtexte für Bilder
Text Aquivalents -> Show Text Aquivalents
Datentabellen
Navigation -> Data Tables
Links
Navigation Links

Es gibt zwei mögliche Fehler: Entweder ist ein Element nicht ausgezeichnet oder es ist nicht korrekt ausgezeichnet. Ihr müsst also nicht nur darauf achten, was die FAE euch anzeigt, sondern auch darauf, was sie nicht anzeigt, aber anzeigen sollte. Die Links sollten möglichst sprechend sein, auf jeden Fall sollte es nicht mehrere Links mit dem selben Linktext geben.
Mit der Web Accessibility Toolbar für den Internet Explorer kann man ähnliches anstellen, sie klinkt sich allerdings als Symbolleiste in den Browser. Die meisten der oben genannten Funktionen finden wir hier unter dem Punkt Struktur. Unter Bilder können wir uns Alternativtexte anzeigen lassen. Die Toolbar bietet unter Farben Zugriff auf verschiedene Analysewerkzeuge, die auch für Bilder genutzt werden können. Dazu gehört ein Kontrastanalyser.
Ein recht einfacher Weg, um sich Strukturelemente anzeigen zu lassen ist ein benutzerdefiniertes Stylesheet. Wer ein wenig CSS schreiben kann wird damit kein Problem haben. Wir können zum Beispiel sagen, dass er Überschriften, Listen und Zitate einfärben soll. Dann laden wir das Stylesheet in den Firefox und aktivieren es jedes Mal, wenn wir eine Seite prüfen wollen, z.B. im Firefox unter Ansicht -> Ansicht -> Webseiten-Stil.

Texte prüfen

Die Komplexität von Texten zu prüfen ist aktuell mit technischen Mitteln kaum möglich. Aber zumindest gibt es Werkzeuge, die einem helfen können. In Word ist seit Ur-Zeiten der Flesch- Test integriert. Er berechnet aufgrund der durchschnittlichen Satzlänge, der Zahl der Langen Wörter und weiterer Faktoren einen Wert, der zumindest grobe Anhaltspunkte für die Lesbarkeit liefert. Ähnliches macht der Bla-Bla-Meter, wo man einen Text begrenzter Länge prüfen lassen kann.
Ich persönlich finde diese Tools nicht hilfreich: Zum einen geben sie keine Hilfestellung dabei, problematische Stellen aufzuspüren, zum anderen verleiten sie dazu, auf die jeweiligen Tools hin zu optimieren. Aber wenn ich einen langen Satz in zwei Stücke zerhacke habe ich nicht unbedingt etwas verbessert. Die Flesch-Prüfung aktiviert ihr in Word unter Extras –> Optionen -> Rechtschreibung und Grammatik -> Lesbarkeitsstatistik. Die Statistik wird angezeigt, wenn die Rechtschreib- und Grammatikprüfung abgeschlossen wurde. Man kann den Score aber auch im Internet ermitteln lassen. Achtet darauf, dass deutsche Wörter und Sätze meistens länger sind als englische, deutsche Texte schneiden deshalb im Schnitt auch schlechter ab als ihre englischen Pendants.
Die Anwendung der Rechtschreib- und Grammatikprüfung gehört natürlich zu unserer Routine, ich erwähne sie dennoch. Der Duden-Korrektor soll eine wesentlich bessere Prüfung abliefern, was ich allerdings bisher nicht verifiziert habe. Falsche Orthographie ist nicht unbedingt eine Barriere, aber hilfreich ist sie auch nicht.
Die Autorensoftware Papyrus Autor soll eine recht gute Stilprüfung integriert haben, eine solche Prüfung könnte uns auch dabei helfen, schlechte Formulierungen oder Bandwurmsätze aufzuspüren. Da ich das Programm mangels Barrierefreiheit selbst nicht benutzen kann verfüge ich allerdings nicht über Erfahrungen damit.
Hurraki empfiehlt das Language Tool, mit dem man auch Texte in Leichter Sprache prüfen kann. Natürlich ist das nur eine einfache Prüfung, aber sie kann nützliche Hinweise auch für konventionelle Texte lifern.

Arbeit automatisieren

Manche Aufgaben sind einfach, aber zeitaufwendig, man könnte auch nervtötend sagen. Dazu gehört die Auszeichnung von Abkürzungen, Akronymen und Sprachwechseln. Warum sich also die Arbeit nicht erleichtern?
Wir können zum Beispiel die Autokorrektur zweckentfremden. Das ist nur sinnvoll, wenn wir das jeweilige Programm nur für Texte nutzen, die ausgezeichnet werden müssen und funktioniert auch nur für Redaktionssysteme, die auf HTML oder einer anderen Auszeichnungssprache basieren. Wir würden dazu zum Beispiel in Word einmal eine komplette Liste unserer Abkürzungen, Akronyme und fremdsprachigen Ausdrücke anlegen, und als Autokorrektur-Ausdruck den kompletten zugehörigen Code eintragen. Ein Beispiel, links die Abkürzung, rechts das Ganze als HTML-Code, ich habe die HTML-Klammern weggelassen, da mir WordPress ansonsten den Code verschluckt:
z.b. abbr title=“zum Beispiel“>z.B.
Wie gesagt ist das nur sinnvoll in einer Textverarbeitung, die ausschließlich für auszuzeichnende Texte eingesetzt wird, ansonsten würde das jeweilige Programm all unsere Texte auf einmal mit Auszeichnungen schmücken.
Das klingt aufwendiger als es ist, in der Praxis decken wir mit ein Dutzend Akronymen und noch mal so vielen Abkürzungen 90 Prozent unseres Bedarfs ab. Bei fremdsprachigen Begriffen dürften es ein paar mehr sein, das sollte aber alles machbar sein.
Es wäre auch eine Überlegung wert, einfach ein Makro anzulegen, das solche Aufgaben erledigt. Dafür könnten wir die Suchen-und-Ersetzen-Funktion nutzen. Wie bei der Autokorrektur setzen wir wiederum auf unsere Liste, nur das das Makro dieses Mal erst auf Befehl unseren Text durchsucht und die entsprechenden Ausdrücke ersetzt. Dazu sollte man ein wenig Ahnung von Makroprogrammierung haben: es ist einfach, aber zeitaufwendig, das Makro mit den einfachen Funktionen des Programms anzulegen. Probleme gibt es dann, wenn das Makro angepasst werden soll, wenn wir eine neue Abkürzung anlegen wollen. Wer hier keine Programmierkenntnisse hat oder ein wenig mit dem Quellcode experimentieren will müsste das komplette Makro neu anlegen. Falls jemand eine elegantere Lösung kennt freue ich mich über einen Hinweis. Ich hatte auch überlegt, ob man Anwendungen wie Textexpander oder Phraseexpress für solche Zwecke verwenden könnte. Sie dienen normalerweise dazu, häufig verwendete Textschnipsel einfach an gewünschter Stelle einfügen zu lassen. Phraseexpress verfügt in der Kaufversion über Makrofunktionen.

Bilder

Mit Daltonize kann man Bilder online oder in Photoshop auf verschiedene Farbenblindheiten hin prüfen. Das Gleiche kann man auch mit Vischeck machen.
Zu beachten ist dabei, dass natürlich nur Inhalte getestet werden können, die auch online öffentlich zugänglich sind. Für Inhalte innerhalb eines Redaktionssystems braucht ihr ein Programm auf eurem Computer.
Jede Bildbearbeitung bietet einen Graustufenmodus, wo ihr eure Grafiken darauf hin prüfen könnt, ob sie auch bei einer solchen Ansicht noch gut zu erkennen sind. Ausgefeiltere Programme bieten außerdem Werkzeuge zur Kontrastanalyse, wo ihr testen könnt, ob die Grafik gut zu erkennen ist oder ob das Bildobjekt einen ausreichend hohen Kontrast zum Vordergrund hat, in Gimp gibt es Filter dafür.
Auf Sitepoint werden zwei weitere interessante Tools vorgestellt: Check my Colors hilft einem bei der Kontrastanalyse auch von Text. Das Online-Tool Photosensitive Epileptic Analysis Tool (PEAT) kann zur Analyse der Flackerrate von Grafiken verwendet werden, um Menschen mit Anfällen nicht zu stören.

PDFs

Wie ihr PDFs auf generelle Benutzbarkeit prüfen könnt habe ich an anderer Stelle schon erklärt. Für die Prüfung auf Barrierefreiheit gibt es die im Acrobat Reader integrierte Prüfung, die keine große Hilfe ist.
Ansonsten gibt es den kostenlosen PDF Accessibility Checker der Stiftung Zugang für Alle. Er bietet einen recht brauchbaren Vorschaumodus, der Rest ist allerdings nur hilfreich, wenn man seine PDFs mit den Profi-Programmen von Adobe erstellt hat und weiß, was sich hinter den Fehlermeldungen verbirgt, ansonsten wird man die Fehler auch nicht reparieren können.

Der Screenreader

Wer schon mit Screenreadern gearbeitet hat wird sie auch zur Prüfung seiner Texte einsetzen können. Grundsätzliches dazu habe ich bereits für Entwickler beschrieben. Redakteure können einfach die Funktionstasten nutzen, um sich Zitate oder Listen vorlesen zu lassen. In NVDA kann man zur Prüfung von Links oder Überschriften einfach Einfg + F7 verwenden. Die FAE scheint mir für diesen Zweck aber einsteigerfreundlicher zu sein, da die Lernkurve geringer ist und sie für Sehende ausgelegt ist.

Was fehlt

Der schlechte Ruf der Barrierefreiheit ist nicht zuletzt der aufwendigen Kleinbarbeit zu verdanken, die jeder vollbringen muss, wenn er Inhalte online bereit stellen und sich an dien BITV halten will. Ein Großteil dieser Arbeit könnte dem Redakteur abgenommen werden, wenn die Logik in das Redaktionssystem integriert wird. Es ist keine große Aufgabe, zum Beispiel ein Glossar der gängigsten Abkürzungen, Akronyme und fremdsprachigen Ausdrücke anzulegen, um diese bei ihrem Auftreten im Text automatisch auszeichnen zu lassen.
Stattdessen stehen einem die Systeme meist im Weg, WordPress filtert – wenn nicht angepasst – einfach alles an HTML raus, was es nicht kennt. Andere CMS wie die geschlossenen kommerziellen Systeme dürften noch deutlich schlimmer sein. Mir ist kein System bekannt, dass Hilfen zur Analyse oder Fehlerbehebung für die Barrierefreiheit eingebaut hat.
Tipps and Tools for Online Editors