Sehen und Blindheit

Sehschädigungen umfassen eine ganze Spannweite an Sehstärken. Viele Menschen tragen Brillen oder Kontaktlinsen, um zum Beispiel Lesen oder Autofahren zu können. Bei anderen Tätigkeiten wiederum können sie auf diese Sehhilfen verzichten Streng genommen sind sie aber trotzdem sehgeschädigt. Eine Sehbehinderung hingegen ist gesetzlich definiert.
Sehbehinderungen können sich ganz unterschiedlich auswirken. Eine weit verbreitete Sehbehinderung ist Retinitis Pigmentosa, volksmündlich auch Tunnelblick genannt. Normalsehende können circa 180 Grad wahrnehmen, wenn sie geradeaus schauen. Bei RP siehst du nur einen eingeschränkten Teil davon. Stell dir vor, du würdest ein Blatt Papier lochen und nur durch dieses Loch gucken. Du siehst zwar scharf, aber nur einen Bruchteil.
Sehr weit verbreitet sind Störungen bei der Farbwahrnehmung. Rund 10 Prozent aller Männer und ein Prozent aller Frauen haben eine gestörte Farbwahrnehmung. Die am meisten verbreitete Farbfehlstörung ist die Rot-Grün-Schwäche, bei der die betroffene Person nicht zwischen Rot und Grün unterscheiden kann. Ebenfalls weit verbreitet sind Kurz- und Weitsichtigkeit. Solche Sehstörungen können meist mit einer Brille korrigiert werden.

Blindheit

Auch Blindheit umfasst ein weites Spektrum. Es gibt Menschen, die nichts sehen, viele Blinde können noch zwischen Hell und Dunkel unterscheiden. Einige Blinde haben noch einen kleinen Sehrest, sie können sich zum Beispiel visuell orientieren. Volkstümlich wird Blindheit mit Nichts-Sehen gleichgesetzt. Tatsächlich gilt vor dem Gesetz jeder als blind, der auf dem besseren Auge weniger als zehn Prozent in der Ferne sieht. Was er also in der Nähe noch sehen kann, ist im Prinzip egal, er kann durchaus noch Gedrucktes lesen können und gilt dennoch als blind. In Fachkreisen spricht man übrigens von Vollblindheit, wenn jemand nichts oder so gut wie nichts sehen kann.
Es gibt außerdem einen Unterschied zwischen Menschen, die blind geboren wurden und Menschen, die spät erblindet sind. Spät erblindete Menschen können sich normalerweise an Farben und visuelle Formen erinnern, Blinde hingegen machen diese Erfahrung nicht. Andererseits gilt: Je später die Erblindung eingetreten ist, desto größere Schwierigkeiten haben die Betroffenen mit der Blindheit zurecht zu kommen.
Geburts- und früherblindete Kinder haben entweder gar keine oder nur geringe Vorstellungen von Farben und visuellen Formen. Ihnen wird zum Beispiel in der Schule beigebracht, wie die Buchstaben des gedruckten Alphabets aussehen. Da sie im Gegensatz zu sehenden aber selten damit arbeiten, können sie diese Informationen nur schlecht behalten. Dennoch sollte man nicht glauben, dass Blinde kein Gefühl für visuelle Ästhetik haben.

Hilfsmittel

Sehbehinderte haben verschiedene Möglichkeiten, mit einem Computer zu arbeiten. Alle Betriebssysteme können an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. In Windows zum Beispiel kann ein kontrastreiches Farbschema eingestellt werden. Es gibt Farbschemata mit großer Schrift. In allen aktuellen Browsern lässt sich die Schrift vergrößern, in der Regel mit der Tastenkombination Steuerung + Plus-Zeichen bzw. Strg gedrückt halten und das Mausrad einsetzen.

Menschen, die sehr schlecht sehen verwenden ein Bildschirmvergrößerungsprogramm, englisch Screen Magnifier. Mit einem Vergrößerungsprogramm kann der Inhalt des Bildschirms vergrößert werden. Eine Vergrößerung ist bis auf das 32-fache möglich. Im Grunde heißt das, dass ein einzelnes Programmsymbol den gesamten Bildschirm einnimt.
Um einen Computer benutzen zu können setzen Blinde auf ein Bildschirmleseprogramm oder Screenreader. Der Screenreader gibt den Inhalt des Bildschirms als Sprache oder Blindenschrift auf einem Brailledisplay aus. Wer das mal ausprobieren will: in diesem Kurs gibt es eine Liste kostenloser Screenreader.
Es ist wichtig zu wissen, dass Blinde am Computer immer linear arbeiten müssen. Ein Sehender überblickt den ganzen Bildschirm. Er sieht Menüleisten, Symbolleisten, Eingabefelder, ausklapplisten und vieles mehr. Ein Blinder kann wissen, dass all diese Elemente vorhanden sind. Er kann sie aber nicht alle gleichzeitig wahrnehmen, er erkennt das Element, dass er gerade fokussiert hat. Wenn du einem Blinden erklärst, dass sich ein Element links unten befindet, kann er mit dieser Information nichts anfangen, weil er nur eingeschränkte Möglichkeiten hat, herauszufinden, was sich an einer bestimmten Position des Bildschirms befindet.
Das gilt nicht nur für Programme, sondern auch für Webseiten. Was dir als Anordnung graphischer Elemente erscheint, ist für den Blinden eine reine Abfolge von Einheiten, die er nach und nach durchgehen muss.
Die Grundlage eines barrierefreien Webs für Blinde ist die semantische Strukturierung von Inhalten. Webseiten basieren auf einer Trennung von Struktur und Gestaltung. Eine Überschrift ist auch in HTML eine Überschrift, eine Liste wird über ein Listenelement gebildet. Du kennst das vielleicht aus der Textverarbeitung und den Formatvorlagen.
Die Basis für die Computerbedienung für Blinde ist die Tastatur. Eine Maus können sie nicht benutzen. Für Blinde ist es deshalb wichtig, dass sie alle Elemente der Webseite über die Tastatur erreichen, ausfüllen bzw. aktivieren oder deaktivieren können. Seit einigen Jahren sind insbesondere die Geräte von Apple mit einer für Blinde benutzbaren Touch-Oberfläche ausgestattet. Damit haben Blinde zum ersten Mal die Möglichkeit, die optische Struktur einer Webseite zu erfassen. Der Blinde streicht zum Beispiel über das Touchscreen des iPads und kriegt etwa angesagt, dass es sich um das Element, dass er gerade berührt um ein Banner, ein Logo, einen Text oder ein Video handelt.

Übungen

  • Alle aktuellen Betriebssysteme bieten Vergrößerungsmöglichkeiten und Farbeinstellungen für Sehbehinderte. Hier wird die Prozedur unter Windows XP beschrieben, für andere Windows-Versionen oder Betriebssysteme mach dich bitte selber schlau. Probiere einmal die Vergrößerungsfunktionen aus. Zum einen ist das die Bildschirmlupe unter Start -> Zubehör -> Eingabehilfen -> Bildschirm-Lupe. Die Umschaltung des Kontrasts startest und beendest du mit dem Shortcut Linke Shift-Taste + linke Alt-Taste + Druck-Taste. Schau dir die Veränderungen an, die bei deinen Lieblings-Webseiten mit der Lupe und dem Kontrastschema auftreten und schreibe sie auf. Achte insbesondere auf Elemente, die unter dem Kontrastschema nicht zu erkennen sind. Eine Liste kostenloser Vergrößerungsprogramme gibt es ebenfalls im Kurs.
  • Als nächstes darfst du einen Screenreader ausprobieren. Den wirst du auch für spätere Lektionen benötigen, also behalte ihn bitte bis zum Ende des Kurses. Unter Windows lädst du dir den kostenlosen Screenreader NVDA herunter, bei anderen Betriebsystemen sind Screenreader vorinstalliert. Mache dich zunächst mit der Bedienung vertraut und drucke dir die Shortcuts aus. Betrachte deine Lieblingsseiten mit dem Screenreader, indem du die Pfeiltasten verwendest. Probiere auch einmal die Funktionstasten „H“, „L“ oder „G“ aus und schau, was passiert.

Lektüre

  • Oliver Nadig: Wie blinde und sehbehinderte Menschen Farben empfinden, wahrnehmen, erinnern
  • Oliver Sacks. Was Blinde sehen
  • Eine Ausgabe von Quarks & Co schildert das Leben von Sabrye Tenberken, einer Späterblindeten, die eine Blindenschule in Tibet aufgebaut hat. Auch ihre bücher sind lesenswert.
  • Wie Blinde Computer nutzen