NVDA-Anleitung – Screenreader für Sehende und Entwickler

Für Sehende kann es ab und zu nützlich sein, einen Screenreader einzusetzen, zum Beispiel um Programme oder Webanwendungen zu testen. Natürlich ist es sinnvoller, solche Anwendungen von Blinden testen zu lassen, aber auch die haben auch gelegentlich keine Lust und ein schlechter Test ist besser als keiner.
Diese Anleitung bezieht sich auf den kostenlosen Desktop-Screenreader NVDA. Weitere Infos zum Screenreader-Training

Erste Schritte

NVDA kann installiert oder ohne Installation (portable) verwendet werden. Für den gelegentlichen Gebrauch reicht die portable Version aus. Beide Versionen findet man auf der Projektseite. Die portable Version ist auch zu empfehlen, wenn man keine Admin-Rechte hat, was bei Firmenrechnern üblich ist.
Das Programm finden Sie auf der Website nvaccess.org. Es wird wie eine übliche Windows-Software installiert, während der Installation können sie eine portable Version erstellen lassen.
der Screenreader sollte immer vor dem Browser oder einer anderen zu prüfenden Anwendung gestartet werden.
NVDA hat keine grafische Benutzeroberfläche, sondern nur das Konfigurationsmenü. Dieses erreicht man mit der Tastenkombination Einfg + N. Das Menü selbst ist mit der Maus bedienbar.
Die Sprachausgabe von NVDA heißt eSpeak. Sie klingt ein wenig blechern, Ab Windows 8 ist der einfache Screenreader Narrator integriert, der auch eine deutsche sprachausgabe hat. Diese Sprachausgabe hat einen recht guten Klang und sie kann problemlos in NVDA integriert werden. Um diese Sprache zu übernehmen gehen wir unter NVDA -> Einstellungen -> Sprachausgabe, dort wählen wir „Microsoft Speech API 5“. Damit ist die Standardstimme von Windows in NVDA integriert. Unter Windows 10 können Sie auch die sogenannten One-Core-Stimmen verwenden, die ebenfalls über den NVDA-Dialog verfügbar sind. Sie sind bei einer Neu-Installation unter Windows 10 in der Regel standardmäßig ausgewählt, es ist also nichts weiter zu tun.
Um zu hören, welche Information über ein bestimmtes Element ausgegeben wird kann die Cursoransage aktiviert werden. Dazu gehen wir unter Einstellungen -> Mauseinstellungen und aktivieren Objekttyp unter dem Mauszeiger ansagen. Das können Sie mit NVDA + M ein- und ausschalten.
Die Ansage unter dem Maus-Cursor ist nicht zuverlässig, relevant ist nur das, was mit dem Screenreader bei Kontakt mit dem virtuellen Cursor angesagt wird.
In HTML gibt es eine Funktion, um Eingabefeldern automatisch einen Fokus zuzuweisen. NVDA aktiviert dabei den sogenannten Formularmodus, dieser dient dazu, Formulare auszufüllen. In den meisten Fällen stört das nur, deswegen schalten wir das ab. Dazu gehen wir unter Einstellungen -> Lesemodus und klicken die beiden Optionen zur automatischen Fokuseinschaltung weg.

Navigationstasten

Blinde bewegen sich mit den Navigationstasten durch eine Webseite. Drückt zum Beispiel einmal die Taste „H“, dann hüpft der Screenreader zur nächsten Überschrift. Mit „n“ erreicht ihr, dass alle anklickbaren Elemente wie Links übersprungen werden, damit erreicht ihr, dass ihr den Textbereich der Seite schneller findet.
Wichtige Tasten sind:
H = zur nächsten Überschrift
G = zur nächsten Grafik
i = nächstes List Item
EINFG + F7 = Liste von Links und Überschriften
STRG + POS1 = Screenreader-Fokus zum Anfang der Seite bewegen

Tabellen prüfen

Mit T springen Sie zur ersten erkannten Tabelle. Mit gehaltener STRG + Alt-Taste und den Pfeiltasten bewegen Sie sich systematisch durch eine Tabelle. Zum Beispiel bewegen Sie sich mit STRG ALT + Pfeil nach rechts nach rechts, mit STRG ALT Pfeil runter nach unten und so weiter.
Hier ist vor allem wichtig, dass die Elemente in der gleichen Reihenfolge angesagt werden, wie sie visuell angezeigt werden.
Eine vorhandene Kurzbeschreibung wird vorgelesen, wenn Sie die Tabelle mit T anspringen oder wenn Sie die Tabelle über den Fließtext erreichen.

Formulare

Möchten Sie ein Formular prüfen, aktivieren Sie den Formular-Modus. Springen Sie zunächst mit F in das nächste Formularfeld. Mit Einfg + Leertaste aktivieren Sie den Formularmodus und können ganz normal Text mit der Tastatur schreiben. Mit Einfg + Leertaste verlassen Sie den Formularmodus wieder. Der Formular-Modus ist an einem Einrast-Geräusch akkustisch erkennbar.
Im Formularmodus können Sie folgendermaßen vorgehen: Alle Elemente sollten mit Tab in einer logischen, das heißt, am visuellen Aufbau orientierten Reihenfolge angetabbt werden können.
• Mit der Leertaste werden Checkboxen aktiviert/deaktiviert
• mit ALT Pfeil-runter können Auswahlfelder oder Selectfelder ausgeklappt werden, mit Return wird eine Option ausgewählt und die Selectbox zugeklappt
• mit Pfeil rauf oder Pfeil runter werden Radio-Buttons ausgewählt
Ist der Formular-Modus nicht aktiviert, können Sie folgende Tasten benutzen:
• Mit F springen Sie von Formularfeld zu Formularfeld
• Mit E springen Sie zum nächsten Eingabefeld
• X = nächste Checkbox
• r = nächster Radio-Button
• C = nächstes Select-Feld

Nützliche Tools

Für Entwickler und Neugierige gibt es Einige hilfreiche Tools wie den Sprachbetrachter. Der Sprachbetrachter gibt die Informationen als Text aus, die normalerweise als Sprache oder als Braille ausgegeben werden. Wir finden ihn unter Extras -> Sprachbetrachter. Das Fenster legt sich über den Bildschirm, kann aber wie bei Windows gewohnt in eine Ecke geschoben werden, wo es nicht weiter stört. Der Sprachbetrachter funktioniert auch, wenn die Sprachausgabe abgeschaltet ist, dazu gehen wir unter Einstellungen -> Sprachausgabe und wählen im Ausklappfeld Keine Sprache oder drücken NVDA + S.

Protokoll

Interessant könnte außerdem das Protokoll sein. Ich bin selber kein Entwickler, deswegen überlasse ich euch die Einschätzung. Zunächst können wir den Protokollierungsmodus festlegen. Dazu gehen wir unter Einstellungen -> Allgemeine Einstellungen und wählen dort die Protokollierungsstufe. Dort gibt es auch einen Debug-Modus, der könnte aber auch nur zum Debuggen von NVDA selbst gedacht sein. Nach getaner Arbeit könnt ihr euch das Protokoll unter Einstellungen -> Extras Protokoll anzeigen anschauen.
Wenn ihr euch schon mit den Accessibility-Schnittstellen beschäftigt habt, könnt ihr nützliche Informationen zur aktuellen Anwendung mit Einfg + F1 aufrufen. Dort gibt es verschiedene Infos zur verwendeten API und noch einiges mehr.
Mit Einfg + F7 können wir uns im Browserfenster sämtliche Überschriften, Links oder Sprunganker anzeigen lassen.
Mit Einfg – Pfeil nach unten wird alles vorgelesen, was hinter dem Cursor steht. Wenn ihr also am Anfang der Seite steht wird die Seite vollständig vorgelesen samt Links, Navigationselementen, Fußzeile und was es noch so gibt. Ich kenne allerdings niemanden, der sich das freiwillig anhören würde zumal es einige Minuten dauern kann, bis der Screenreader zum Ende der Seite gelangt. Das ist keine Möglichkeit, sich einen guten Überblick über die Seite zu verschaffen, weil einfach zu viele Elemente vorhanden sind und sich das niemand merken kann. Wenn ihr mit dem Mauscursor über ein Element wie zum Beispiel einen Button fahrt könnt ihr hören, welches Informationen NVDA aus diesem Element auslesen kann. Auch das wird im Sprachbetrachter angezeigt.
Achtet darauf, dass der Cursor nicht in der Adresszeile oder dem Suchfeld des Browsers sein darf, sondern im Browserfenster sein muss. Falls ihr ein Einrastgeräusch gehört habt ist der Screenreader in den Formularmodus gewechselt, in dem Formulare ausgefüllt werden können. In diesem Fall drückt schnell Einfg + Leertaste.

Interaktion mit Desktop-Programmen

Es gibt mehrere Möglichkeiten, mit Desktop-Programmen zu interagieren. Klassisch sind die alten Menüs, die man mit ALT öffnet und per Pfeiltasten durchgehen kann. Das klappt auch mit den Ribbons der Office-Programme oder des Windows Explorers.
Weiterhin gibt es die mit Windows 10 eingeführten Desktop-Apps. Sie verhalten sich ein wenig mehr wie Webseiten als wie Desktop-Programme. Hier kann man mit Tab die Elemente durchgehen. Um zwischen einzelnen Programmen zu wechseln gibt es eigene Tastenkombinationen.

Objekt-Navigation

Es gibt verschiedene Cursor-Arten. Zum Einen gibt es die oben dargestellte Navigation mit dem PC-Fokus. Daneben gibt es die Objekt-Navigation.
Mit dem PC-Fokus lassen sich bestimmte Elemente nicht erreichen, etwa in Windows-Apps. Hier kann man sich zwar mit Tab bewegen, dabei werden aber zum Beispiel Texte übersprungen. Diese Elemente können nur mit der Objekt-Navigation erreicht werden.
Die Objekt-Navigation sieht Elemente als hierarchisch an. Das Word-Fenster etwa ist die oberste Ebene, die Menüleiste eine Unter-Ebene, die Icons eine Unter-Ebene der Menüleisten und so weiter.
Für die Objekt-Navigation wird der Nummernblock benötigt, dieser Sollte ausgeschaltet sein.

  • Drücken Sie EINFG + 4 und 6, um sich innerhalb einer Hierarchie zu bewegen.
  • Drücken Sie Einfg + 8 oder 2, um innerhalb der Hierarchie auf- und abzusteigen.
  • Drücken Sie Einfg + 5, um die Position des Objekt-Fokuss abzufragen.

Interaktion mit Formularen und Anwendungen

Für die Interaktion mit Formularen und Anwendungen müssen wir zwischen Fokus-Modus und Formularmodus wechseln. Im Formular-Modus können wir mit den Tasten Text schreiben oder Elemente verändern. Der Formularmodus wird mit NVDA + Leertaste aktiviert/deaktiviert, das wird durch ein Einrat-Geräusch vermittelt.
Bleiben wir zunächst im Fokus-Modus: Drücken wir F, können wir alle Elemente erreichen, die NVDA als Formular-Element erkennt. Prinzipiell gibt es für NVDA keinen Unterschied zwiscen Formular-Elementen, Bedien-Elemente in einer Anwendung wie einem Video-Player oder einer Textverarbeitung im Web.
Haben wir mit F oder Tab ein Formular erreicht, aktivieren wir mit NVDA + Leertaste den Formularmodus. Mit Tab und Shift + Tab bewegen wir uns durch die Elemente, mit den Pfeiltasten bewegen wir uns durch Radio-Buttons, mit der Leertaste aktivieren bzw. aktivieren wir Checkboxen, mit Alt-Pfeil Runter öffnen wir Select-Boxen, mit Pfeil links-rechts bedienen wir Slider, mit Return verwenden wir das Formular.
Wichtig ist, dass die visuellen Beschriftungen des Elements bzw. eine Funktionalität vorgelesen wird, deren Status wie aktiviert oder deaktiviert, eventuell eingegebener Text gelesen und verändert werden kann sowie die Position eines Sliders auch bei Veränderung vorgelesen wird.
Es gibt weitere Anleitungen für Screenreader:

Fazit

Für Leute, die nicht regelmäßig mit Sprachausgaben arbeiten dürfte der Sprachbetrachter die einfachste Möglichkeit zum Testen von Webanwendungen sein. Die größte Herausforderung dürfte darin bestehen, dass Elemente nicht einfach dargestellt, sondern lediglich beschrieben werden.

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