Sehbehinderte hat man kaum auf dem Schirm – ein Interview mit Saskia von der Burg


Hier finden Sie das Transkript zum oben eingebetteten Podcast. Alle Tippfehler und Ungenauigkeiten gehen auf mein Konto.
Domingos: Herzlich willkommen zu einem neuen Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Heute habe ich wieder einen Gast dabei, Saskia von der Burg. Saskia ist freiberuflich tätig und sehbehindert. Heute wollen wir uns einmal mit dem Thema beschäftigen, welche Herausforderungen sehbehinderte Menschen bei der Technik- Nutzung haben. Erstmal herzlichen Dank, dass du dir die Zeit nimmst. Stell Dich doch den Zuhörenden einmal vor.

Saskias Werdegang und Sehbehinderung

Saskia: Ich wohne in Köln, bin freiberufliche Journalistin und arbeite nebenbei jetzt auch noch als Inklusion-coach im Bereich Kommunikation und noch so eine PR-Agentur hier in Köln bin selber fast blind, also laut Ausweis bin ich blind, aber noch mit einen kleinen Sehrest. Das heißt, ich sehe auf sehr nahe Distanzen, habe aber einen röhrenblick. Das heißt, ich sehe nicht, was von rechts oder links kommt und habe das hört man halt ein bisschen aufgrund einer Operation ein Luft-Röhren-Schnitt gehabt und deswegen bin ich mit der Atmung ein bisschen eingeschränkt.
Domingos: Interessant, also du bist quasi gesetzlich blind aber du arbeitest, wenn ich das richtig sehe, eher visuell.
Saskia: Richtig, ich arbeite mit einem Vergrößerungs-Programm, das ist Zoomtext. Also ich hatte diverse probiert, also auch andere, kam mit dem aber am besten klar. Ich versuche möglichst viel über den Sehrest zu machen und die Sachen, die dann nicht gehen oder zu lange dauern die mache ich dann über Sprachsteuerung.
Domingos: Du hast schon erwähnt, dass du einen röhrenblick hast. Vielleicht kannst Du vielleicht anhand von Beispielen, das ist glaube ich dann verständlicher, erklären wie sich die Sehbehinderung auswirkt, zum Beispiel bei der Computernutzung.
Saskia: Klar. Also im Alltag ist der Blick eigentlich eher das Problem. Das heißt, wenn ich draußen rumlaufe, ich laufe halt, wenn ich alleine bin mit dem Langstock durch die Gegend. Ich kann aber überhaupt nicht sehen, wenn jemand von rechts oder links kommt das ist natürlich ein riesen-Problem mit den E-Scootern, mit Fahrrad fahrenden und weil ich da einfach nicht ausweichen oder reagieren kann. Am Computer ist es so, dass ich halt sehr nah am Bildschirm sitze, also ich habe einen 20 Zoll Monitor bzw. zwei nebeneinander. Der eine ist für das Lesegerät, mit dem ich quasi ausgedruckte Texte bearbeiten kann und der andere ist halt für meine PC Arbeit. Da sitze ich halt sehr nah dran und habe halt ein Vergrößerungs-Programm was den ganzen Bildschirm quasi vergrößert auf ungefähr Stufe sechs bis sieben, je nachdem, kommt doch ein bisschen auf die Tagesform an.

Herausforderungen Sehbehinderter am Computer

Domingos: Welche Herausforderung gibt es bei der Computernutzung mit der Nutzung von Vergrößerungs-Software?
Saskia: Also man muss sich wahnsinnig viel merken, denn man hat natürlich einen sehr kleinen Ausschnitt. Also andere Leute, die die normalsichtig sind, die können einen Text querlesen. Das kann ich halt nicht, also ich muss halt Zeile für Zeile abfahren mit der Maus, muss mir merken wo auf dem Monitor Buttons sind, die ich benutzen muss bei meiner Arbeit, ob ich nach rechts oder links gehen muss. Ein Kollege von mir, der damals auf dem Bildschirm geguckt hat, sagte dann immer das ist ja Wahnsinn ich sehe immer nur dich hin und her huschen und ich habe überhaupt keine Ahnung wo du gerade auf dem Bildschirm bist.
Domingos: Nutzt du eigentlich auch ein Smartphone intensiv, das ist ja alles relativ klein.
Saskia: Total, also das ist eigentlich mein Haupt-Hilfsmittel mittlerweile, weil es mir einfach sehr viel Freiheit und Eigenständigkeit gibt. Also ich habe ein iPhone das größte von den drei Versionen, die es gibt. Ich benutze das hauptsächlich mit Vergrößerung, muss es dann natürlich sehr nah vor die Augen halten, was halt sehr oft zu blöden Kommentaren von Umstehenden, die mich halt nicht kennen führt.
Aber mir hilft das halt mega und manche Sachen mache ich aber auch mit Sprachsteuerung, also wenn es dann an der Steckdose hängt, dass ich dem dann WhatsApp-nachricht vorlesen Sage. oder wenn es längere Texte sind, dann mache ich es auch, dass ich hier den quasi markiere und dann vorlesen lasse, weil das ist für mich so anstrengend sonst.
Domingos: Was sind denn aus deiner persönlichen Sicht die größten Barrieren bei der Computer-Nutzung oder beim Smartphone ?
Saskia: Also, ich kenne ja beide Seiten. Ich bin ja auch online Redakteurin beim Funk. Das heißt, ich arbeite auch in sogenannten Backend, also ich bin auch dafür da, Homepages zu befüllen.
Da kommt es ein bisschen auf die Software an, mit der man so arbeitet und mit dem Thema, in dem man arbeitet. Ich zum Beispiel selber kann logischerweise keine Bildbearbeitung machen. Ich gebe das dann quasi immer an einen Kollegen/eine Kollegin ab, die mir dann auf Zuruf Bilder hochlädt und zuschneidet. Man kann mittlerweile Gott sei Dank auch relativ viele Buttons, die man halt nicht braucht in der täglichen Arbeit quasi weglöschen, dass so quasi mein Überblick ein bisschen besser wird bei der Arbeit.
Aus Nutzersicht ist für mich glaube ich das größte Problem die Übersichtlichkeit, also das heißt dass ganz oft Seiten entwickelt werden und dann zwar Barrierefreiheit mitgedacht wird, aber meiner Meinung nach zu spät. Also dann steht die Seite schon und dann heißt es, wir testen das jetzt anstatt vielleicht vorher Betroffene mit ins Boot zu holen, die mitarbeiten zu lassen und zu sagen da und da könnte es Probleme geben.
Ich habe zum Beispiel sehr oft das Problem, dass die Aktion, die hinter einem Link liegt, nicht hinterlegt ist. Das heißt, ich kriege dann zwar vorgelesen, dass da zum Beispiel ein Inhaltsverzeichnis ist. Das wird dann komplett runtergelesen. Ich habe aber an keiner Stelle die Information, dass ich da jetzt klicken kann, um zu einem bestimmten Abschnitt zu kommen der mich eigentlich interessiert.
Auch diese ganzen „wir nutzen Cookies“: Diese Buttons bzw. diese Felder, die sind ein Problem, weil ich da jedes Mal auf dem Bildschirm suchen muss, wo ist das jetzt, wo muss ich jetzt da drauf klicken/akzeptieren. Das finde ich sowohl auf dem Smartphone als auch auf dem großen Bildschirm schwierig.
Formulare finde ich wahnsinnig schwierig, denn es ist ja ganz oft, dass man dann irgendwo was falsch einträgt oder was übersehen hat, also bei mir zumindest, und dann geht’s ja nicht weiter und dann steht irgendwo auf dem Bildschirm gerne auch mal in rot oder hellgrün oder so also Farben, die ich ein bisschen schwierig erkennen kann, dass etwas fehlt, meistens wird noch nicht mal kommuniziert, was fehlt und das finde ich auch wahnsinnig schwierig.

Sehbehinderte kommen im Diskurs kaum vor

Domingos: Ich persönlich arbeite ja tatsächlich primär blind, aber ich habe auch einen kleinen Sehrest. Ich habe den Eindruck, dass die Bedürfnisse von sehbehinderten Menschen extrem unterschiedlich sind. Also bei blinden Menschen sind die Bedürfnisse so ein bisschen einheitlicher und bei sehbehinderten ist es doch extrem unterschiedlich, weil Sehbehinderungen auch unterschiedlich sind. Wie ist da dein Eindruck?
Saskia: Ich denke schon. Also es kommt ja schon auf die Lichtverhältnisse an, brauche ich jetzt einen hellen Hintergrund. Mit dunklem Hintergrund kann ich besser arbeiten mit weißer Schrift auf schwarzen Grund.
Domingos: Wenn du einen Wunsch an die Programmiererinnen von Websites/Software und so weiter hättest oder mehrere, was wäre das, was würde dir am meisten helfen?
Saskia: also einen Punkt hatte ich ja schon erwähnt, dass es frühzeitig mitgedacht wird und auch breit mitgedacht wird, dass Barrierefreiheit eingehalten wird, also das nicht nur auf alternativtexte bei Bildern, was auch sehr wichtig ist, geachtet wird, sondern eben auch darauf, dass die Sprungmarken vernünftig hinterlegt sind, dass Formulare richtig auszufüllen sind, das breiter nachgedacht wird. Ich weiß, dass die Teams relativ klein sind, die das machen, also das zwar der Wille da ist, dass umzusetzen und es ist ja auch gesetzlich so geregelt, dass aber das Personal fehlt. Ich meine, warum kauft man nicht Menschen ein, die selber betroffen sind zum frühzeitigen testen oder generell zur Mitarbeit in einer Redaktion oder in einem Team, was für Barrierefreiheit sich einsetzt.
Domingos: Mein Eindruck ist, deswegen führen wir das Interview eigentlich auch dass die Anforderungen von Sehbehinderten, obwohl sie ja eine deutlich größere Gruppe sind als blinde Menschen, dass die eigentlich nicht so bekannt sind. Also irgendwie in fast allen Artikeln zum Thema Barrierefreiheit, die ich lese, geht es irgendwie um Screenreader, aber das ist ja für Sehbehinderte relativ irrelevant, ob die Webseite gut mit Screenreader bedienbar ist, wie siehst du das ?
Saskia: Also Ich glaube, es ist halt immer noch so. Dieses Vorurteil, dass Sehbehinderung gleich blind ist. Ich meine ich kenne es am eigenen Alltag, wenn ich rumlaufe mit Blindenstock und es kommt jemand auf mich zu und fragt mich oder ich höre mit, dass jemand einen Weg sucht. In dieser Situation kann ich helfen: „sie müssen da und da langlaufen“. Die Leute sind komplett irritiert, dass ich den Weg weiß.
Ich glaube, man will die Gruppe der blinden Menschen, was ja wichtig ist, abdecken, aber vergisst dann das es ja noch tausend andere Varianten von Seh-Einschränkung oder überhaupt Beeinträchtigungen gibt Das ist so vielfältig und ich glaube, da muss halt noch viel gemacht werden.
Domingos: Die letzte Frage: Wenn man dir folgen möchte oder deinen Aktivitäten, wo kann man das am besten machen?
Saskia: Man kann sich über mich informieren über die Homepage, die ist relativ neu da stell ich mich vor und meine Aktivitäten das gleiche auch bei Instagram, das kann man am besten über meine Homepage finden.
Domingos: Vielen Dank, dass du dir die Zeit heute Nachmittag für das Interview genommen hast und dir viel Erfolg weiterhin.

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