Von der Kognitions-Psychologie in die Barrierefreiheit – ein Interview mit Dana Pietralla von Paged


Dies ist das Transkript des oben eingebetteten Podcasts. Ich habe den Text geglättet, aber den mündlichen Charakter ein wenig beibehalten. Alle Tipp-Fehler und Ungenauigkeiten gehen auf mein Konto.

Domingos: herzlich willkommen zu einem neuen Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Heute habe ich wieder einen spannenden Gast dabei, nämlich Dana Pietralla. Dana hat mit anderen Personen ein Tool entwickelt, um behinderten Menschen bei der Internetnutzung zu helfen. Wie das genau funktioniert, wird sie gleich erzählen. Aber erstmal herzlichen Dank Dana, dass du dir die Zeit genommen hast. Fangen wir damit an, dass Du Dich kurz vorstellst.

Danas Hintergrund

Dana: ja gerne, Danke für die Einladung, schön Euch kennenzulernen. Ich bin Dana. Ich wohne in Köln, bin auch gebürtige Kölnerin, habe Psychologie studiert und habe viel in der Wissenschaft gearbeitet, im Bereich kognitive science, also Kognitionswissenschaften, Da vor allem eben rund um das Thema: Wie nehmen wir Menschen wahr, wie sehen Menschen auch viel: Wie sehen Menschen Muster.
Ich war mit meinem Studium fertig und habe Lust gehabt, dieses Wissen aus der Forschung mitzunehmen und in der Wirtschaft bzw. ich sage immer in der echten Welt, weil in der Wissenschaft das oft immer so ein Elfenbeinturm ist, in der echten Welt jetzt was zu verändern. Und bin jetzt Gründerin von einem Social Tech Startup, das nennt sich paged, wo wir eben verschiedene Möglichkeiten ausarbeiten, um Neuro-diversen Menschen Zugang zu digitalen Inhalten zu ermöglichen. Wir sind auf einem ganz guten und spannenden Weg. Da ist aber auch noch einiges vor uns, aber es macht auf jeden Fall großen Spaß.

Domingos: ja superspannend. Wie bist du auf das Thema Barrierefreiheit gekommen? Du hättest ja auch einfach in ein Unternehmen gehen können und da machen können, was Kognitions-Psychologen so machen.

Dana: das stimmt. Eigentlich ist das wirklich so zum einen aus der Wissenschaft gekommen. Also, wie gesagt, ich habe mich eben mit dem Thema wie nehmen Menschen wahr und diese ganzen Gedächtnis Prozesse oder auch ja Gehirnprozesse im generellen beschäftigt. Und dann habe ich aber auch gerade in der Pandemie einige online-Kurse gemacht zum Thema Web-Entwicklung und da ist mir überhaupt erstmal bewusst geworden, wie wichtig das ist. Ich bin jetzt nicht darauf angewiesen, dass Webseiten barrierefrei sind. Aber dadurch, dass ich eben diesen Hintergrund habe – oder diesen Forschungs-Hintergrund habe – habe ich gedacht ach krass, also gerade als Psychologin ist es ein total spannendes Thema, dass meiner Meinung nach aber noch viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Und da hatte ich einfach Lust, was zu gestalten.
Auf der einen Seite hätte ich einfach dann sagen können: Okay, ich gehe jetzt in die Wirtschaft und macht da was. Aber ich hatte eher Lust darauf, selber was zu gestalten und vielleicht auch selber was zu entwickeln und selber zu schauen, ob ich da irgendwas bewirken kann, gerade in dem Bereich, wo ja noch vieles auch möglich ist, meiner Meinung nach.

Domingos: Hattest du schon Kontakt mit behinderten Menschen an der Hochschule oder so oder hat es sich einfach so ergeben?

Dana: Ja, ich habe im Bekanntenkreis auf jeden Fall einige neuro-diverse Personen, einige im meinem Studium waren sehbehindert, eine Person war auch im Rollstuhl. Das heißt, da war ein bisschen der Kontakt da. Aber richtig auseinandergesetzt habe ich mich dann wirklich erst mit dem Thema, als ich diese webentwicklungs-Kurse gemacht habe und dann wirklich gemerkt habe: hey, das Thema ist noch viel zu klein. Und gleichzeitig habe ich auch das Wissen, dass ich da was mitgestalten kann, dass ich da was bewegen kann. Und habe natürlich dann auch primär auch mit den Menschen gesprochen, hey so du bist ganz selbstverständlich für mich da aber wie ist das eigentlich für dich z.B dieses und jenes zu bedienen oder auch einfach ganz normal an digitalen Leben teil zu haben und das würde ich auch jedem mal raten, dass man einfach mal so ein bisschen über seine eigenen Tellerrand hinausschaut. Und das habe ich getan und war echt total spannend, weil man immer noch viel lernt.

Domingos: ich glaube, die Hochschule ist auch ein ganz guter Ort, weil man da sehr viele unterschiedliche Menschen, auch mit unterschiedlichen Hintergründen natürlich, aber auch mit unterschiedlichen Behinderungen kennenlernen kann.

Dana: auf jeden Fall aber gleichzeitig auch, ich habe an der Uni Köln studiert, da ist auf jeden Fall, Was Barrierefreiheit im analogen Raum, also wenn es jetzt um Zugang zu Gebäuden geht, da ist noch sehr viel zu tun. Da ist in allen möglichen Bereichen eigentlich noch Ausbaubedarf. und wenn man wirklich dann mal den Fokus draufhat, denkt man sich nur, um Gottes Willen. Es ist schon schlimm, wie wenig dafür getan wird, gerade auch von Hochschulen, wo man wirklich auch denken sollte, naja da wird vielleicht viel dafür getan, dass da viele Menschen Zugang zu haben, ist aber leider nicht immer der Fall. Das ist schon schlimm, muss man ganz ehrlich sagen.

Domingos: Also, ich kann aus meiner Erfahrung sagen, ich habe in Marburg studiert. Das ist sehr barrierefrei für Blinde, aber nicht für Menschen im Rollstuhl, weil die Uni stark von alten Gebäuden geprägt ist.

Dana: Genau, das ist immer auch ein großer Punkt. Also da ist jetzt zum Beispiel auch in einem Gebäude, in dem psychologiegebäude zum Beispiel, auch kein Aufzug drin. Das Gebäude ist sehr alt, da wurde halt einfach auch da nicht dran gedacht, da irgendwann vor, wer weiß wie vielen Jahren. Es ist halt blöd, also man kann dann auch viele Kurse dann nicht besuchen. Ganz oben sind die PC-Räume und man kann z.B auch Menschen, die dann auf einen Rollstuhl angewiesen sind, einfach gar nicht ermöglichen, dass sie da in die PC-Räume können, was ja eigentlich jedem Studierenden zugänglich sein sollte.

Das Unternehmen Paged

Domingos: ja, auf jeden Fall. Aber kommen wir mal zu eurem Unternehmen, was genau macht Paged?

Dana: also im Endeffekt habe ich ja gesagt hatte ich mich mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigt und das kommt ja auch eigentlich so aus dem Bereich, also viele Sachen, die jetzt im UX UI Design also User Experience/user interface, was ja eher so diese Design Richtung angeht, hat aber ja im Großen und Ganzen alles auch was mit Barrierefreiheit zu tun. Dass man einfach Produkte schafft, die einfach gut bedienbar sind, die gut zugänglich sind.
und dieses ganze Thema fand ich einfach total spannend. Wir sind jetzt im Endeffekt mit paged auf der Reise verschiedene Lösungen anzubieten, die Menschen Zugang zu Inhalten ermöglichen. Also wir haben jetzt zum Beispiel z.B ein Tool entwickelt, was auf Webseiten eingebunden wird, ein Overlay Tool, wo man eben verschiedene Inhalte anpassen kann. Die sind natürlich auch nicht frei von Kritik, da sind ja auch einige Einschränkungen damit verbunden, wo man sagen kann, okay die Overlays sind nicht optimal.
Und deswegen schauen wir, dass wir nach und nach verschiedene Produkte anbieten oder uns auch als Firma weiterentwickeln, dass wir eben immer mehr Möglichkeiten anbieten verschiedenen Menschen Zugang zu Inhalten zu ermöglichen also im Endeffekt das was Paged ist für uns eigentlich eine Reise, Barrierefreiheit oder digitale Barrierefreiheit in breiteres Bewusstsein zu bringen, gerade in der öffentlichen Debatte, in der Gesellschaft an sich, und da eben verschiedene Möglichkeiten anzubieten, um Neuro diversen Menschen Zugang zu ermöglichen.
Ja, das ist im Endeffekt so unsere Vision, wohin wir wollen und lernen dabei die ganze Zeit, gucken, was gibt’s denn für Möglichkeiten, was ist für diese und jene Beeinträchtigung auch gut, was ist vielleicht nicht so gut. Ich meine, ich komme aus Köln. Da wird ja auch immer gesagt: „jeder Jeck ist anders“. Und so ist es halt auch. Und gerade da natürlich Lösungen anzubieten, die für jeden gut sind, das ist natürlich total schwierig. genau das ist gerade unsere Situation, also ein Tool, um Inhalte anzupassen haben wir schon, möchten wir aber erweitern, dass wir da wirklich eben ein Produktportfolio haben, dass viele verschiedene Beeinträchtigungen anspricht.

Domingos: ihr wendet euch ja aktuell nicht an die Endkunden, sondern an Firmenkunden, wenn ich das richtig gesehen habe.

Dana: genau richtig, ja das stimmt, also wir sind ein B2B Startup, also ein Unternehmen, was sich quasi an Unternehmen oder an Webseiten Betreiber im Generellen richtet. Gleichzeitig bieten wir aber auch verschiedene Coachings, Workshops, Beratungsangebote, wie denn auch mehr Inklusion innerhalb des Teams, aber auch vor allem in der digitale Inklusion erreicht werden kann Und da richten wir uns dann vor allem an Webseiten Betreiber, also an Institutionen, nicht an Privatperson.

Domingos: Ihr seid ja auch relativ schnell gewachsen ihr seid jetzt zu viert, wie ich auf der Webseite gesehen habe. Mich würde interessieren, wie ihr zusammengefunden habt

Dana: ja, also meinen Mitgründer, den Deniz, den kenne ich schon lange. Den kenne ich aus dem Studium. Ich habe in Österreich meinen Bachelor gemacht und in Köln jetzt hier meinen Master und den Deniz habe ich im Bachelor kennengelernt. Wir sind übrigens auch nicht nur Gründungspartner, wir sind auch Lebenspartner, also sind auch in einer Beziehung. Wir sind im Endeffekt die Gründer von Paged. Deniz macht seinen Doktor im Bereich computationale Neurowissenschaften, ist im Endeffekt Schnittstelle Neurowissenschaften und IT/KI, diese Schiene. Er kümmert sich viel um die ganze IT-Entwicklung von Paged.
Und dann haben wir letztes Jahr noch zwei weitere Teammitglieder dazu gewonnen, die Janine und die Vera. Janine kümmert sich im Endeffekt viel um den Bereich Business Development, spricht Unternehmen an, spricht Webseitenbetreiber im generellen an, macht natürlich auch Werbung für uns, aber macht natürlich auch auf das Thema Barrierefreiheit oder digitale Barrierefreiheit im spezifischen aufmerksam und das Thema neurodiversität, dass Leute das auf dem Schirm haben, weil das natürlich auch noch teilweise in bestimmten bubbles einfach gar kein Thema ist, oder die Leute das allererste Mal davon hören.
Und die andere Person ist Vera, sie ist auch bei uns im tech-team. Sie kümmert sich viel um die Webseitengestaltung, Webseiten Entwicklung und viele verschiedene Sachen.
Janine haben wir online kennengelernt. Wir hatten da eine Anzeige geschaltet, und die Vera haben wir über die Hochschule kennengelernt, also da sind wir wieder beim Thema Hochschule ist ein guter Ort zum Austausch. die haben wir dann über Kontakte über die Uni gefunden.
Jetzt arbeiten wir zu viert daran, paged groß zu machen natürlich auch, aber vor allem auch, dieses ganze Thema neurodiversität und warum das wichtig ist, mehr Bewusstsein und mehr Aufmerksamkeit zu geben

Domingos: wie stellt ihr denn sicher, dass eure Lösung auch von den Menschen mit Behinderung genutzt wird und dass sie gut nutzbar ist und auch die Funktionen enthält, die gebraucht werden?

Dana: ja also unterschiedlich. Zum einen hatte ich ja gesagt, ich komme aus der Forschung und habe da einige Jahre auch mit visuell beeinträchtigten Menschen gearbeitet, bei denen war noch ein sehr Rest vorhanden die hatten aber verschiedene ja Erkrankungen was zum Beispiel farbenblind waren, einige mit Dyslexie waren auf vertreten und mit denen sind wir zum Beispiel oft in Kontakt gewesen und haben im Austausch eine Lösung erarbeitet, wo man sagt: Hey, das hilft uns jetzt 100%, kann man immer schlecht sagen, aber das auf jeden Fall eine Hilfestellung im Vergleich, wenn es nicht da wäre.
Aber auch allgemein sind wir im Kontakt mit Interessenverbänden, aber auch mit Privatpersonen, die im Endeffekt auf uns aufmerksam geworden sind und dann sagen: hey, das und das finde ich total gut, aber das und das fehlt zum Beispiel noch, das wäre total hilfreich, wenn ihr das noch eingliedern.
Zum Beispiel hatten wir jetzt in Februar einen Artikel im Kölner Stadtanzeiger. Und da hatte ich zum Beispiel auch ein Leser vom Kölner Stadtanzeiger gemeldet, was wir auch total cool fanden, mit dem wir jetzt auch längere Zeit im Austausch sind, der uns einfach total viele Hinweise gegeben hat, was schon gut läuft, aber auch was noch nicht so gut läuft und wo er zum Beispiel Hilfe braucht und welche Features dazu z.B wir technisch umsetzen können, die ihm dann z.B helfen. ich glaube, ein Thema war, wissenschaftliche paper zu lesen, weil das war, z.B für ihn sehr schwierig. Und solche Sachen, dafür sind wir natürlich total dankbar. Wir suchen auch aktiv den Austausch mit Menschen, die neurodivers sind und die da eben Wünsche haben oder auch vielleicht einfach nur Fragen haben oder irgendwie sagen: hey, das und das klappt noch nicht so gut, könnt ihr dann nicht mal was entwickeln, also das ist für uns auch immer total spannend, wenn wir da damit Menschen im Austausch die auf uns zukommen.

Tipps für soziale Startups

Domingos: sehr cool. Welche Tipps würdest du anderen Startups geben. Es gibt ja viele Leute, auch junge Leute, die gerne in eine ähnliche Richtung gehen, also vielleicht nicht direkt in ein Unternehmen reingehen wollen, sondern ein Startup gründen wollen, um ein soziales Problem zu lösen.

Dana: Das ist natürlich schwierig generell. Das war bei mir auch so ein bisschen das Thema. Weil ich zum Beispiel nicht zwingend auf digitale Barrierefreiheit angewiesen bin hatte ich am Anfang schon natürlich so ein bisschen das Bedenken, ich bin nicht direkt betroffen, darf ich in dem Bereich überhaupt aktiv sein? Also, dass man da im Endeffekt ein Experte oder eine Expertin für etwas ist, wovon man gar nicht betroffen ist.
Und die Antwort ist ja, auf jeden Fall, es ist sogar total wichtig, meiner Meinung nach, sich mit Themen zu beschäftigen, wo man jetzt nicht sofort selber von profitiert, sage ich mal, sondern, wo man einfach die Welt ein bisschen besser macht. Also das gleiche sieht man ja z.B auch bei der Gleichstellung von Mann und Frau, dass mehr z.B beim Gender Pay gab , da eben auch Männer aktiv für eintreten und das finde ich total wichtig. Und wenn man auf ein soziales Problem aufmerksam wird und da was ändern möchte, würde ich einfach raten fangt einfach an, also überlegt euch etwas, wo ihr sagt: hey, das ist, selbst wenn man auch noch kein Produkt hat oder die Lösung noch nicht gut ist, das ist bei uns auch der Fall, geht einfach raus in die Welt und teilt das, was ihr wisst, teilt das, was noch nicht gut läuft und wie das Stück für Stück besser gemacht werden kann. Weil ich glaube, allein darüber zu sprechen, in den Austausch zu kommen, Menschen dieses Problem näher zu bringen ist schon ein großer Schritt. Und deswegen hat Mut, da was zu bewegen also ich glaube das ist das ist der erste große Schritt, wie man Probleme auch in unserer Welt kleiner machen kann.

Domingos: ja auf jeden Fall. Abschließend die Frage, wenn man eure Fortschritte verfolgen möchte, wie kann man das am besten machen?

Dana: also unterschiedlich. total gerne auf LinkedIn, da sind wir vertreten, da findet man uns unter dem Namen „paged“, da posten wir jede Woche eigentlich verschiedene Inhalte zu aktuellen Sachen, die rund um Paged gerade stattfinden, also beispielsweise Events, wo ihr uns verfolgen könnt, Content zum Bereich: Was ist Barrierefreiheit, warum ist das wichtig, gerade jetzt zum Beispiel auch für Unternehmen. Da könnt ihr uns sehr gerne folgen. Und auf unserer Webseite findet ihr auch immer viele verschiedene Infos, die wird gerade umstrukturiert, In einem Monat werden sich da viele neue Inhalte finden, Da bleibt ihr uptodate, was unsere Firmenentwicklung angeht. Und ich freue mich auch, wenn wir dem einen oder der anderen bei einem Event oder so über den Weg laufen.

Domingos: ja, super, dann wünschen wir euch auf jeden Fall weiterhin viel Erfolg und schauen, dass wir auf dem Laufenden bleiben. Vielen Dank, dass Du dir die Zeit für unsere Fragen genommen hast.

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