Die WCAG sind drei Konformitätsstufen zugeordnet: a, AA und AAA. Um AA zu erfüllen, in den meisten Regionen der Mindeststandard, müssen alle Kriterien von A und AA erfüllt sein. Die AAA-Kriterien gelten als optional, weil sie teils schwer oder gar nicht erfüllbar sind, etwa in Apps oder PDF.
Die WAI rät selbst davon ab, die AAA-Kriterien flächendeckend anstreben zu wollen.
Die BITV 2.0 von 2019 stellt besondere Anforderungen:
§ 3BITV 2.0
(4) Für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, beispielsweise Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen, soll ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit angestrebt werden.
Einige Expertinnen interpretieren das als Auffoderung, AAA in den Projekten zu implementieren, zumindest für zentrale Informationen und KKomponenten wie Navigation und Formualre. Tatsächlich ist mir aber kein Projekt bekannt, wo das so umgesetzt worden wäre.
AAA-Anforderungen
1.3.6 Identify Purpose (AAA, WCAG 2.1)
• Inhalte und Bedienelemente müssen so ausgezeichnet sein, dass ihre Zwecke programmatisch ermittelbar sind.
• Es reicht also nicht nur eine Beschriftung, sondern der Zweck muss genauer beschrieben werden.
1.4.6 Contrast (Enhanced) (AAA, WCAG 2.0)
• Text und Bilder von Text müssen einen Kontrast von mindestens 7:1 zum Hintergrund haben (bei normalem Text).
• Für großen Text (ab 18 pt oder 14 pt fett) gilt ein Mindestkontrast von 4,5:1.
• Für Bedien-Elemente gibt es keine höeheren Kontrast-Anforderungen.
1.4.7 Low or No Background Audio (AAA, WCAG 2.0)
• Audio-Inhalte mit Sprache dürfen keine störenden Hintergrundgeräusche enthalten.
• Falls Hintergrundgeräusche vorkommen, müssen diese mindestens 20 dB leiser sein als die Sprache.
1.4.8 Visual Presentation (AAA, WCAG 2.0)
• Nutzer sollen die visuelle Darstellung von Text anpassen können.
• Dazu gehört u. a.:
• Text kann ohne Vollbild-Scrollen bis auf 80 Zeichen/Zeile reduziert werden.
• Farben können frei gewählt werden.
• Zeilenhöhe, Abstände und Textgröße lassen sich anpassen.
1.4.9 Images of Text (No Exception) (AAA, WCAG 2.0)
• Es dürfen keine Bilder von Text verwendet werden, außer wenn es rein dekorativ ist oder für eine bestimmte künstlerische Darstellung (Logo, Branding).
• Selbst Logos oder künstlerische Texte sollen (wo möglich) zusätzlich als echter Text bereitgestellt werden.
2.1.3 Keyboard (No Exception) (AAA, WCAG 2.0)
• Alle Funktionen einer Website oder Anwendung müssen komplett mit der Tastatur bedienbar sein – ohne Ausnahme. Zum Beispiel Malen oder Kartendienste.
• Es darf keine Funktion geben, die ausschließlich mit der Maus oder Gesten steuerbar ist, auch keine Malprogramme und Ähnliches.
2.2.3 No Timing (AAA, WCAG 2.0)
• Inhalte oder Funktionen dürfen nicht von zeitlichen Begrenzungen abhängen.
• Nutzer können sich unbegrenzt Zeit nehmen, um Inhalte zu lesen oder zu bedienen.
2.2.4 Interruptions (AAA, WCAG 2.0)
• Nutzer dürfen nicht durch Unterbrechungen (Pop-ups, automatische Meldungen etc.) gestört werden.
• Ausnahmen: Unterbrechungen sind benutzerinitiiert oder betreffen Notfälle.
2.2.5 Re-authenticating (AAA, WCAG 2.0)
• Wenn eine Sitzung abläuft und der Nutzer sich erneut anmelden muss, gehen keine Daten oder Eingaben verloren.
• Beispiel: Ein ausgefülltes Formular bleibt auch nach erneuter Anmeldung erhalten.
2.2.6 Timeouts (AAA, WCAG 2.1)
• Nutzer müssen über mögliche Zeitlimits informiert werden, die zu einem Verlust von Daten oder Fortschritt führen könnten.
• Beispiel: Ein Formular-Timeout wird klar angekündigt.
2.3.2 Three Flashes (AAA, WCAG 2.0)
• Inhalte dürfen kein Blinken oder Flackern enthalten, das öfter als dreimal pro Sekunde auftritt.
• Ziel: Vermeidung von epileptischen Anfällen durch visuelle Reize.
2.3.3 Animation from Interactions (AAA, WCAG 2.1)
• Animationen, die durch Nutzeraktionen ausgelöst werden (z. B. beim Klicken oder Scrollen), müssen abschaltbar sein.
• Beispiel: Parallax-Scrolling oder Hover-Animationen lassen sich deaktivieren.
2.4.8 Location (AAA, WCAG 2.0)
• Nutzer sollen jederzeit wissen, wo sie sich innerhalb einer Website oder Anwendung befinden.
• Beispiel: Breadcrumbs oder klar gekennzeichnete Navigationspfade.
2.4.9 Link Purpose (Link Only) (AAA, WCAG 2.0)
• Der Zweck eines Links muss bereits aus dem Linktext selbst erkennbar sein, ohne Kontext.
• Beispiel: Statt „Hier klicken“ → „Download Jahresbericht 2025“.
2.4.10 Section Headings (AAA, WCAG 2.0)
• Inhalte müssen durch übersichtliche Abschnittsüberschriften gegliedert sein.
• Erleichtert Orientierung und Struktur, besonders für Screenreader.
2.4.12 Focus Not Obscured (Enhanced) (AAA, WCAG 2.2)
• Wenn ein Element den Fokus erhält, darf es nicht durch andere Inhalte (z. B. Pop-ups, Banner) verdeckt werden.
2.4.13 Focus Appearance (AAA, WCAG 2.2)
• Der Tastaturfokus muss gut sichtbar sein. Er muss einen Kontrast von mindestens 3:11 zum Hintergrund haben und mindestens 2 px dick sein.
2.5.6 Concurrent Input Mechanisms (AAA, WCAG 2.1)
• Inhalte und Funktionen müssen mit verschiedenen Eingabemethoden (Tastatur, Maus, Touch, Spracheingabe etc.) parallel nutzbar sein.
• Beispiel: Eine App, die per Touch und Tastatur gleichzeitig bedienbar ist, ohne Einschränkung.
3.1.3 Unusual Words AAA 2.0 – ungewöhnliche Wörter werden vermieden oder erklärt
3.1.4 Abbreviations AAA 2.0 – Abkürzungen werden vermieden oder erklärt
3.1.5 Reading Level AAA 2.0 – Texte sollen verständlich sein für Personen mit einem mittleren Schulabschluss
3.1.6 Pronunciation AAA 2.0 – Die Aussprache von Wörtern wird erklärt
3.2.5 Change on Request (AAA, WCAG 2.0)
• Automatische Änderungen (z. B. Kontextwechsel, Seitenwechsel, Absenden von Formularen) dürfen nur auf ausdrückliche Nutzeranfrage erfolgen.
• Beispiel: Ein Formular wird nicht automatisch gesendet, wenn ein Feld geändert wird.
3.3.5 Help (AAA, WCAG 2.0)
• Nutzer sollen leichter Zugang zu Hilfestellungen haben, wenn Eingaben erforderlich sind.
• Beispiel: Kontext-Hilfe, Tooltips, Kontaktmöglichkeiten oder Anleitungen.
3.3.6 Error Prevention (All) (AAA, WCAG 2.0)
• Bei rechtlich, finanziell oder datenmäßig wichtigen Transaktionen muss sichergestellt sein, dass:
1. Eingaben überprüft werden können.
2. Fehler korrigierbar sind.
3. Aktionen vor endgültiger Abgabe bestätigt werden.
3.3.9 Accessible Authentication (Enhanced) (AAA, WCAG 2.2)
• Authentifizierungsprozesse dürfen nicht auf Fähigkeiten wie Erinnern, Transkribieren oder Lösen komplexer Rätsel angewiesen sein.
• Beispiel: Nutzer können sich über Passwortmanager, biometrische Methoden oder Copy-Paste anmelden, ohne Barrieren.
Das Problem mit den AAA-Kriterien
– Es gibt wenig Praxiserfahrung. Dadurch ist die Auslegung schwieriger als bei den A- und AA-Kriterien.
– Es gibt keine etablierten Prüfverfahren.
– Manche Funktionen dürften nicht realisierbar sein, z.B. komplexe Kartendienste.
– Die Umsetzung etwa bei den sprachlichen Kriterien ist relativ aufwendig, in der Praxis schwer umsetzbar.