In diesem Beitrag möchte ich die Frage diskutieren, ob man sich lieber allein für Barrierefreiheit einsetzen sollte oder sich am besten an einen interessensvertretenden Verein wendet.
Der Einzelkämpfer
Ich kenne beide Seiten: Ich beschwere mich gern und häufig, wie meine Mitleser wissen. Andererseits landen bei mir häufig Beschwerden, sowohl über meine Website als auch über Kunden-Websites.
Der Erfolg solcher Beschwerden ist recht unterschiedlich. Bei öffentlichen und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen wird häufig vergleichsweise schnell reagiert. Das heißt, man kriegt eine Antwort. Ob der Umstand, der die Beschwerde ausgelöst hat abgestellt wird, ist eine andere Frage. Seit September 2020 müssen alle öffentlichen Anbieter eine Feedback-Möglichkeit zur Barrierefreiheit anbieten.
Insgesamt konnte ich bei Smartphone-Apps den größten Erfolg beobachten. Vor allem unter iOS scheinen die Entwickler bereit zu sein, die Apps nachzubessern. Hier habe ich den Weg über die Bewertung der Apps im Appstore gewählt. Das mag daran liegen, dass Apple das Nachbessern besonders leicht macht, das kann ich aber nicht beurteilen. Ihr könnt die App im Appstore am besten mit einem Stern bewerten und natürlich kurz den Grund für die schlechte Bewertung erklären. Oft ist es auch möglich und sinnvoll, auch über integrierte Möglichkeiten der App Barrieren zu melden.
Außerdem sind Beschwerden besonders erfolgreich, wenn sie von mehreren Personen vorgebracht werden. Wenn eine Person sich beschwert, kann das Problem speziell bei ihr liegen. Wenn ein Dutzend Personen sich beschweren, ist das schon mal sehr viel substantieller. Die Deutsche Post hat auf meine Hinweise zur Barrierefreiheit leider nicht reagiert, wahrscheinlich sind Einzelpersonen einfach nicht relevant.
Zudem helfen exakte Problembeschreibungen. „Es funktioniert nicht“ oder „es ist nicht barrierefrei“ bringt mir also nichts. „Button XY“ ist nicht beschriftet, das hilft mir schon mal weiter.
Der Verein hat mehr Autorität
Insgesamt gesehen hat ein Verein immer mehr Autorität als eine beliebige Zahl von Einzelpersonen. Natürlich hat ein Dachverband wie der DBSV mehr Einfluss als ein lokaler Verein. Dennoch hat eine Organisation insgesamt eine höhere Überzeugungskraft als eine einzelne Person.
Und doch hat alles Grenzen. Bei einer öffentlichen oder öffentlich-rechtlichen Organisation findet ein Verband sehr schnell Gehör. Eine privatwirtschaftliche oder nicht-profitorientierte Organisation hingegen interessiert sich eher für private Konsumenten bzw. Interessenten oder Spender. Da es hier auch in der Regel keine Verbindungen bzw. regelmäßigen Kontakte gibt, ist es deutlich schwerer, bei solchen Organisationen Gehör zu finden. Es gibt ja auch keine rechtliche Verpflichtung für solche Organisationen, sich um Barrierefreiheit zu kümmern.
Negativ-Beispiel ist hier die Firma Vorwerk. Viele Blinde haben dort bezüglich der Nutzbarkeit des Thermomix für Blinde und Sehbehinderte nachgefragt. Vorwerk hat diesen Personen dem Vernehmen nach mitgeteilt, dass ihnen die Barrierefreiheit für diese Gruppen nicht wichtig sei. Ziemlich dämlich, denn gerade Behinderte würden von einer Maschine profitieren, die ihnen Teile der Koch-Arbeit abnimmt.
All in all ist es aber auch so, dass viele vor allem lokale Vereine gar nicht die Ressourcen haben, sich noch stärker um Barrierefreiheit zu kümmern. Es fehlt häufig das Wissen, um Probleme so verständlich zu machen, dass sie auch von den Verantwortlichen auf der anderen Seite verstanden werden. Zudem dürfte allein schon die Anzahl solcher Anfragen die Vereine überfordern. Schon jetzt wird vielerorts nicht einmal das Notwendige gemacht.
Beschwerdestellen
Mittlerweile gibt es ein paar Möglichkeiten, sich über mangelhafte Barrierefreiheit zu beschweren. Ein Weg führt über die Schlichtungsstellen, wenn es um öffentliche Stellen geht. So hat der Behindertenbeauftragte des Bundes eine Schlichtungsstelle. Diese ist allerdings nur für Bundes-Einrichtungen tätig. Auf Landesebene kenne ich solche Stellen nicht. Eventuell werden sie noch geschaffen. Hier sollte man beim Landes-Behindertenbeauftragten nachfragen.
Allerdings scheinen diese Schlichtungsverfahren reine Augenwischerei zu sein: Meine Beschwerde gegen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beim Bundesbehindertenbeauftragten hat keinerlei Folgen gehabt. Die PDF sind nach wie vor nicht barrierefrei.
Wenn es um die Privatwirtschaft geht, ist an ein paar Stellen eine Beschwerde wegen Diskriminierung im Rahmen der Gleichstellungsgesetze möglich. Beispielsweise können nicht barrierefreie Bewerberportale eine Diskriminierung von Personen, die behindert sind und sich nicht bewerben können sein. Das ist allerdings kompliziert und nur selten ein gangbarer Weg. Und die Stelle kriegt man dann mit Sicherheit trotzdem nicht. Möchte man die Stelle gerne haben, sollte man sich unbedingt direkt an die Personalabteilung der Organisation wenden.
Fazit
Bei öffentlichen oder öffentlich-rechtlichen Organisationen erreicht man insgesamt gesehen mehr, wenn man über einen Verein geht. Dabei geht es eher um große Probleme, etwa wenn eine komplette App schwer oder gar nicht bedienbar ist. Bei kleineren Problemen etwa mit einzelnen Webseiten oder Dokumenten wendet euch direkt an die betreffende Einrichtung.
Bei privaten Anbietern wendet euch direkt mit einer präzisen Fehlerbeschreibung an die Organisation. Überredet so viele Leute wie möglich, sich zu beteiligen, also ebenfalls die Organisation anzuschreiben. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht, aber ihr solltet in jedem Fall auf eine Antwort bestehen und ggf. nachhaken. Insgesamt gilt, dass die Masse es macht.
Ihr solltet bereit sein, die Probleme auch im Detail zu beschreiben. Ansonsten kann euch nicht geholfen werden.
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