Abgesehen davon, dass ich nach wie vor begeistert von den Möglichkeiten bin, die mir der Computer und andere Hilfsmittel bieten, stehe ich dem Ganzen nach wie vor kritisch gegenüber. Und zwar dort, wo Probleme eher sozial als technisch gelöst werden sollten.
Wir verwenden viel Zeit darauf zu überlegen, wie die Technologie mehr Barrierefreiheit schaffen kann. Eine Nebenfolge davon ist aber, dass wir sozialen Kontakten aus dem Weg gehen. Wir fragen nicht mehr nach dem Weg, weil GPS uns führt. Wir fragen nicht mehr nach einem Produkt, sondern scannen den Barcode und holen uns die Infos dazu aus dem Netz.
Die Definition für Barrierefreiheit besagt, dass wir eine Aktion oder Information grundsätzlich ohne fremde Hilfe durchführen bzw. bekommen sollen. Ich lese da nicht raus, dass wir alles ohne fremde Hilfe schaffen sollen, aber das scheint für viele das Ziel zu sein.
Ich kam auf das Thema, weil ich in einer Blinden-Mailingliste die Frage las, ob eine Navisoftware auch Bürgersteige anzeigen könne. Jemand anderes beschwerte sich über die Ungenauigkeit der Navigations-Apps. Das zeigte mir, dass einige Blinde ganz falsche Erwartungen an die Technik haben. Einige Leute scheinen zu glauben, man könne mit GPS und ähnlichem praktisch zentimetergenau an den Bestimmungsort gelangen und auch noch gefahrfrei durch die Gegend geführt werden. Am Ende braucht man kein Training mehr am Stock, weil das iPhone oder sonst ein Gadget das alles für Einen übernimmt.
Das ist reine Utopie, mir ist keine Technik bekannt, mit der das machbar wäre. Vorstellbar wäre eine Kombination verschiedener Technologien wie Abstandssensoren, Augmented Reality und so weiter, ich will hier nicht ins Detail gehen. Das ist schön und gut, bis der Akku leer ist. Und was dann?
Genau, man fragt den nächsten Passanten. Der weiß natürlich nicht, wie er mit Blinden umgehen soll, weil er dank neuer Technologie noch weniger mit ihnen in Berührung kommt als vorher. Der Blinde ist also auf die gleichen Fähigkeiten angewiesen wie vor 100 Jahren: eine saubere Stocktechnik, ein gutes Orientierungsvermögen und vor allem die Fähigkeit, andere Leute um Hilfe zu bitten. Ja, ich glaube, dass man das verlernen kann. Jeder Blinde kennt die Erfahrung, dass man Menschen um Hilfe bittet und sie einfach weiter gehen. Das ist total beschissen, aber so ist das Leben. Wenn man damit nicht zurecht kommt, hat man ein Riesenproblem, denn dann kann man nur noch zuhause rumhocken. Aber je weniger man fragt, desto weniger Lust hat man darauf, es zu versuchen. Das mag blöd klingen, aber um Hilfe zu bitten ist der einfachste Weg, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Der andere Weg führt über die Raucherecke, aber da will auch nicht jeder hin.
Die Technik wird nie völlige Barrierefreiheit ermöglichen. Es geht also nicht darum, die menschliche Hilfe überflüssig zu machen, sondern einen vernünftigen Mix aus Technik und menschlicher Hilfe zu finden.
Die Technik kann viele Aufgaben lösen und kaum jemand möchte auf diese Vorteile verzichten, auch ich nicht. Auf der anderen Seite führt die Technik aber auch zu weniger Kontakten zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Blinde lassen sich eher von ihrem Smartphone zu ihrem gesuchten Ort navigieren statt die Passanten zu befragen. Manche Behinderte erledigen ihre Verwaltungsangelegenheiten komplett über das Internet, damit sie nicht aufs Amt gehen müssen. Das macht viele Dinge einfacher, die Frage ist, ob es ihre Inklusion in die Gesellschaft verbessert, wenn sie irgendwann keinen Kontakt mehr mit Nicht-Behinderten haben. Die soziale Seite