Kaum etwas ist unsexier als nackte Zahlen, aber dennoch sind sie ab und zu nützlich. Deswegen habe ich mir einmal vorgenommen, alle mir bekannten Statistiken zum Thema barrierefreies Internet und Informationstechnik zusammenzustellen. Daten, die älter als fünf oder sechs Jahre sind – die Prä-Web-2.0- und Prä-Mobile-Web-Zeit lasse ich weg, soweit sie aus meiner Sicht nicht mehr aussagekräftig sind. Ebenfalls weggelassen werden schlecht gemachte Barrierefreiheits-Studien wie die von Sapera Studios.
Inhalt
- Web 2.0 barrierefrei
- Screenreader Survey
- Umfrage der EU
- Kostenschätzung für Barrierefreiheit
- Rezeption von Grafiken
- Internet mit geistiger Behinderung
- Mobil mit Behinderung
- Sehbehinderte Senioren nutzen das Web stärker als Normalsichtige
- Barrierefreie Websites im internationalen Vergleich
- Die Barrieren der Barrierefreiheit
- Digitale Spaltung
- Barrierefreie Bücher
- Kosten Einfluß von Barrierefreiheit
- Barrierefreiheit im internationalen Vergleich
- Barrierefreie Arbeitsplätze
- Kulturelle Veranstaltungen
- Bedeutung der Barrierefreiheit
- Weitere Studien
Web 2.0 barrierefrei
Nach wie vor lesenswert ist die Web-2.0-Studie von Einfach für Alle. Sie enthält die Ergebnisse einer Befragung von Behinderten zu ihrer Nutzung des Social Web. Seitdem hat sich aber erstaunlich wenig geändert. Sicher benutzen mehr Behinderte das Web 2.0 selbstverständlich – vor allem mobil – aber viele dieser Dienste sind in der Desktop-Variante schwer bis gar nicht zugänglich.
Zur Studie Web 2.0 barrierefrei PDF
Screenreader Survey
WebAIM veranstaltet regelmäßig Umfragen zur Nutzung des Webs durch Blinde und Sehbehinderte. Da geht es nicht nur um die Frage, welchen Screenreader die Leute nutzen, sondern auch darum, ob etwa Sprunganker oder Überschriften zur Navigation verwendet werden. Meine Lieblingsfrage ist natürlich, was die nervigste Barriere im Web ist, die Antwort lautet jedes Jahr aufs Neue: Flash, CAPTCHAs und schlecht programmiertes JavaScript.
Die Ergebnisse des aktuellen Surveys gibt es bei WebAIM.
Umfrage der EU
Die Europäische Union hat 2013 die Ergebnisse einer Umfrage mit ein paar interessanten Einstellungen zur Barrierefreiheit veröffentlicht. Wichtig ist zum Beispiel, dass rund zwei Drittel der Menschen mit und ohne Behinderung bereit wären, mehr für barrierefreie Produkte zu bezahlen. Das PDF zu lesen ist dank bürokratischem Englisch und nicht-barrierefreien Diagrammen ein Krampf, wer sich da durchkämpft findet aber durchaus Wissenswertes. Der Umwelt zuliebe sollte man die mehr als 100 Seiten nicht ausdrucken.
Weiter zu den Ergebnissen der Umfrage der EU
Kostenschätzung für Barrierefreiheit
Technosite hat 2012 eine Studie veröffentlicht, wo es um die Einschätzung geht, wie viel Barrierefreiheit kostet. Dazu gibt es auch eine Excel-Datei, mit deren Hilfe sich ausrechnen lässt, was es kostet, die Website barrierefrei zu machen.
Rezeption von Grafiken
Das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit hat 2008 die Verständlichkeit von grafischen Symbolen in Leitsystemen für Menschen mit geistiger Behinderung geprüft. Solche Symbole werden gerne auch im Computerbereich eingesetzt, daher eine klare Leseempfehlung. Zur BKB-Studie PDF.
Internet mit geistiger Behinderung
Bereits 2007 – wenn ich das PDF richtig lese – hat Tobias Bernasconi seine Untersuchung zur Nutzung des Internets durch Menschen mit geistiger Behinderung veröffentlicht. Die komplette Arbeit gibt es als PDFauf dem Server der Uni Oldenburg, die Befragung und deren Ergebnisse findet man gegen Ende der Arbeit. Interessant ist auch das Forschungsdesign, eine Befragung von Menschen mit geistiger Behinderung erfordert eine andere Vorgehensweise und eine noch gründlichere Vorbereitung, wenn man sprechende Ergebnisse haben möchte.
Mobil mit Behinderung
Das Wireless RERC hat eine Studie zur Nutzung mobiler Geräte durch Behinderte veröffentlicht. Dabei kam unter anderem heraus, dass zumindest in Kanada Behinderte häufiger ein Smartphone nutzen als Nicht-Behinderte. In Deutschland würde ich von ähnlichen Zahlen ausgehen. Die Studie als PDF. In einem Interview heißt es, dass mehr als 80 Prozent der Behinderten drahtlose Technologie nutzen, damit sind wohl vor allem Smartphones und Tablets gemeint.
Sehbehinderte Senioren nutzen das Web stärker als Normalsichtige
Eine Umfrage des Blinden- und Sehbehindertenvereins Westfalen e.V. im Projekt „Wir sehen weiter“ ergab, dass sehbehinderte Senioren das Web stärker nutzen als Senioren ohne eine Sehbehinderung. Leider scheinen die Ergebnisse nicht öffentlich zugänglich zu sein, die Quelle findet sich hier.
Barrierefreie Websites im internationalen Vergleich
Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation schätzt den Zugang von Behinderten zu Hilfstechnik in Ländern mit niedrigem Einkommen auf 5 – 10 Prozent. Die Quelle ist eine Studie der Washington University, die international die Barrierefreiheit vergleicht. Die Studie stammt allerdings aus 2007, so dass sich viele Parameter geändert haben dürften.
Die Barrieren der Barrierefreiheit
BITV, WCAG, UAAG – Barrierefreiheit kann ganz schön viele Barrieen haben. Das dachte sich auch der Autor der Masterarbeit „Die Barrieren der Barrierefreiheit“ (PDF). Die Arbeit kann kostenlos heruntergeladen werden und beschäftigt sich damit, wie das Thema Zugänglichkeit den Entwicklern schmackhaft gemacht werden kann.
Digitale Spaltung
Es dürfte wenig überraschend sein, dass Behinderte seltener einen Zugang zum Internet haben als Nicht-Behinderte. Genaue Zahlen scheint es aber nicht zu geben. Zahlen zur Situation in den USA gibt es bei Legal.com. Demnach haben 76 Prozent der Nicht-Behinderten Zugang zum Internet, während es unter den Behinderten rund 48 Prozent sind.
Barrierefreie Bücher
Shilpi Kapoor weist auf eine Studie hin, nach der nur fünf Prozent aller erscheinenden Bücher in einem blindengerechten Format erscheinen.
Kosten Einfluß von Barrierefreiheit
Eine Studie der EU und verschiedener Partner untersucht die Kosten und den Einfluß digitaler Barrierefreiheit. Sie stammt aus dem Jahr 2012 und kann als DOCX heruntergeladen werden.
Barrierefreiheit im internationalen Vergleich
Der Zero Project Report (PDF) untersucht regelmäßig anhand bestimmter Indikatoren, wie sich die Barrierefreiheit in unterschiedlichen Ländern entwickelt hat.
Ähnliches macht der ICT Accessibility Progress Report (PDF) mit dem Schwerpunkt auf der Informations- und Kommunikationstechnologie. Der Report wurde 2013 von der Organisation G3ICT erstellt.
Barrierefreie Arbeitsplätze
Laut einer Gartner Studie werden 2015 50 Prozent aller amerikanischen Unternehmen Projekte gestartet haben, um Arbeitsplätze barrierefreier zu machen. Die Studie ist kostenpflichtig, ein paar Infos gibt es hier.
Kulturelle Veranstaltungen
Eine nach eigenen Angaben repräsentative Umfrage von Sennheiser zeigt, das schwerhörige und sehbehinderte Menschen oftmals auf kulturelle Veranstaltungen verzichten, weil sie nicht barrierefrei genug sind. Die Ergebnisse gibt es als ZIP-Archiv.
Bedeutung der Barrierefreiheit
Nach einer Untersuchung der Aktion Mensch halten 77 Prozent der Bundesbürger Barrierefreiheit für wichtig oder sehr wichtig.
Weitere Studien
- The ictOppOrtunity for a Disability- inclusive Development framework – PDF
- Loss Aversion and Web Accessibility
- Umfrage der Aktion Mensch zur Bedeutung digitaler Barrierefreiheit
- Studie des britischen Business Disability Forums zu den Verlusten für Unternehmen durch mangelnde Barrierefreiheit
- Studie der Aktion Mensch PDF – Thema ist die Nutzung klassischer Medien
- – die Studie untersucht die Barrierefreiheit von Schweizer Webseiten und Apps
- Survey zur Nutzung von Hilfsmitteln in Großbritannien
- Infos der WHO zu Hilfsmitteln – Thema ist unter anderem eine Liste der 50 wichtigsten Hilfsmittel
- Das PEW Research Center zeigt, dass behinderte Amerikaner weniger Technik nutzen und seltener ins Internet gehen als nicht-Behinderte Amerikaner. Da die demographische Struktur der behinderten Menschen und der Stand der Technik in Deutschland vergleichbar ist, dürften die Ergebnisse zumindest begrenzt auf Deutschland übertragbar sein. Weitere Infos bei PEW
- Survey of Web Accessibility Practitioners Results
- Assistive Technologien für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft, Bildung und Arbeitsmarkt
- Assistive technologies for people with disabilities „ eine Publikation des Think Tanks des EU-Parlaments
- Survey of Users with low vision von WebAIM
- Die US-amerikanische Organisation WebAIM untersuchte die Startseiten der 1.000.000 am meisten genutzten Websites. Heraus kamen große Probleme bei der Barrierefreiheit: Dazu gehören fehlende Alternativtexte, fehlende Labels von Formularen und schlechte Text-Kontraste.
- Laut der Firma Siteimprove verfehlen 89 Prozent der ParlamentsWebsites der EU-Mitgliedsstaaten die Anforderungen zur Barrierefreiheit. Am schlechtesten schneidet dabei das EU-Parlament selbst ab.
- Die Technologie-Stiftung hat einen Data Dive in Sachen offene Daten zur Barrierefreiheit in Berlin durchgeführt. Dabei wurde erhoben, welche Daten in offener – also maschinenlesbarer – Form zur Barrierefreiheit vorliegen.