Wie Blinde das Internet nutzen

Auch wenn jeder Blinde sein ganz individuelles System aus Betriebssystem, Screenreader und Konfiguration hat, gibt es doch generell drei Strategien zur Erschließung von Webseiten.

  1. Unstrukturiert
  2. Strukturiert
  3. Zielgerichtet

Quick and Dirty – Tab und Cursor-Tasten

Die Quick-and-Dirty-Strategie ist optimal für fremde Websites, die man vermutlich nie wieder aufsuchen wird sowie für schlecht strukturierte Seiten. Dazu gehören übrigens auch die meisten für mobile Endgeräte optimierten Seiten.
Für diese Strategie benötigt man lediglich die Tab-, Cursor-Rauf- und Runter- Sowie die Bild-Auf und Ab-Tasten. Auf Touch-Screens fährt man lediglich mit dem Finger über das Display, bis man die interessante Stelle gefunden hat.
Mit der Tab-Taste bewegt man sich von einem anklickbaren Element zum nächsten. Mit den Bild-Auf- und Ab-Tasten kann man größere Bereiche überspringen, mit den Pfeiltasten können Texte und andere Elemente überflogen werden.
Jaws und NVDA verfügen über eine Taste, mit der anklickbare Elemente übersprungen werden können, damit lässt sich in der Regel relativ schnell der für uns interessante Inhaltsbereich finden.

Strukturiert

Der zweite Modus bietet sich für Webseiten an, die man gut kennt oder die gut semantisch strukturiert sind. Hier greifen die sogenannten Navigationstasten des Screenreaders. Mit einem Druck auf „H“ lassen sich gezielt überschritten anspringen, mit „F“ findet man Formular-Elemente. Apple hat das für den Touchscreen mit dem „Rotator“ clever gelöst. Führt man mit drei Fingern eine Dreh-Geste auf dem Touchscreen durch, wählt man zwischen den verschiedenen Elemente (Überschriften, Links etc.) und kann mit der Standard-Wischgeste das eingestellte Element finden.
Fortgeschrittenere Nutzer können auch die verschiedenen Bereiche der Website direkt anspringen, wenn sie semantisch über HTML5 oder ARIA ausgezeichnet wurden. Wer die Website außerdem sehr gut kennt, kann auch mit den verschiedenen Überschriften-Ebenen arbeiten. Ein Druck auf „1“ sollte in der Regel auf die Hauptüberschrift des Contents führen.

Zielen und Suchen

Für umfangreiche und komplexe Websites bieten sich Mechanismen zur gezielten Suche an. So erlauben Jaws und NVDA eine Auflistung sämtlicher Überschriften und Links einer Website. Dadurch ist es zum Beispiel auf einer gut strukturierten Nachrichtenseite sehr einfach, die Nachrichten-Überschriften zu scannen.
Auf sehr umfangreichen Websites hilft die Suchfunktion des Screenreaders. Ich suche zum Beispiel auf der Website des Deutschlandfunks nach einer Sendung namens „Sprechstunde“. Auf der Seite werden einige Dutzend Sendungen aufgelistet, so dass der strukturierte Modus mich nicht effizient zum Ziel führen würde. Stattdessen gebe ich die Zeichenkette „Sprechstunde“ über die Suchfunktion des Screenreaders ein und er hüpft direkt auf die Sendung.
Wenn ein Begriff mehrfach vorkommt ist die Liste der Überschriften oder Links wiederum ganz praktisch. Möchte ich zum Beispiel auf der Website des Deutschlandfunks die Kategorie „Wissenschaft“ aufrufen, rufe ich die Liste der Links auf und drücke solange auf „W“, bis der Fokus auf dem entsprechenden Link liegt. Ich muss mir dann auch nicht merken, ob der Link „Wissen“ oder „Wissenschaft“ heißt, was bei Info-Junkies wie mir, die viele unterschiedliche Nachrichtenportale konsumieren von Vorteil ist.
Blinde und digitale Barrierefreiheit