OpenData und Barrierefreiheit

Open Data ist einer der großen Trends bei der Modernisierung der Verwaltung und des eGovernments. Deutschland hängt bei diesem Thema wie so oft hinterher, was unter anderem an dem Umgang mit den Geodaten in der aktuellen Hochwasser-Katastrophe zu sehen war. Im Folgenden wollen wir uns ansehen, wie offene Daten genutzt werden können, um die Barrierefreiheit für Behinderte zu verbessern.
Generell gibt es zwei Ansätze. Zum einen können wir auf bestehende Daten zurückgreifen, die ursprünglich gar nichts mit Barrierefreiheit zu tun haben, zum Beispiel Geodaten. Zum anderen können wir Daten verwenden, die bereits einen Bezug zur Barrierefreiheit haben und diese nutzen, um die Barrierefreiheit allgemein zu verbessern.

Bestehende Daten nutzen

Natürlich fallen unendlich viele Daten an. Viele dieser Daten können genutzt werden, um die Barrierefreiheit zu verbessern. Informationen über kaputte Aufzüge an Bahnhöfen können zum Beispiel sowohl für Rollifahrer als auch für Kinderwagenschieber interessant sein. Vor allem für Rollstuhlfahrer müssen diese Informationen möglichst zeitnah zur Verfügung stehen, da sie ansonsten kaum mobil sein können. Das hilft natürlich auch älteren Menschen oder Eltern mit Kinderwagen. Durch das mobile Internet werden solche Anwendungen erst recht interessant.
Die Stadt bzw. die Betreiber haben solche Informationen und können sie entsprechend auch zur Verfügung stellen. Natürlich lassen sie sich aber auch im Crowdsourcing-Verfahren ermitteln. Am besten wäre eine Kombination der beiden Ansätze, um möglichst aktuelle Informationen zur Verfügung zu haben.
Ein ähnlicher Ansatz könnte auch für Baustellen oder andere länger andauernde Hindernisse interessant sein. Über den Dienst Fix My Street können Bürger schon seit längerem Probleme an ihre Stadtverwaltungen senden. Ein ähnlicher Dienst wäre zum Beispiel für Baustellen interessant, die für Blinde, Sehbehinderte und Rollstuhlfahrer schwierig sind. Rollstuhlfahrer können nur eingeschränkt ausweichen, Blinde verlieren die Orientierung, wenn es zu laut wird. Dank unzureichender Absperrungen können Baustellen außerdem ein Verletzungsrisiko darstellen. Wenn wir die entsprechenden Informationen im Voraus hätten, könnten wir uns Ausweichmöglichkeiten überlegen. Auch hier hat die Stadt die entsprechenden Infos und müsste sie nur einmal herausrücken. An anderer Stelle habe ich schon gezeigt, wie Daten zur Barrierefreiheit von Gebäuden genutzt werden könnten.

Daten zur Barrierefreiheit

Für den zweiten Ansatz kennen wir schon viele Beispiele. Wheelmap ist eine Mischung beider Ansätze. Es basiert auf der offenen Open Street Map, aber die Daten selbst werden von Freiwilligen eingespeist. Die Daten von Wheelmap wiederum ließen sich für andere Zwecke weiter verwenden.
Firefox sammelt seit einiger Zeit Daten zur Nutzung des Browsers. Es können auch Daten zur Nutzung von Hilfstechnik wie Vergrößerungssoftware oder Screenreadern erhoben werden. Leider habe ich bisher nicht herausgefunden, ob und wo diese Daten offen zugänglich sind, aber sie können auch für Webentwickler interessant sein.
Einen Schritt weiter geht die Browsererweiterung WebVisum. Sie kann auch verwendet werden, um Websites zu verbessern, indem etwa umbenannte Bilder oder Schalter nachträglich benannt werden. Diese Verbesserungen können auch geteilt werden, nach meinem Verständnis sind das auch offene Daten. Leider hat sich das nie wirklich durchgesetzt.
So etwas wäre auch für Programme oder Apps in mobilen Betriebssystemen hilfreich, die so nachträglich barrierefrei gemacht werden könnten, ohne dass man auf die Entwickler warten muss.

Fazit

Die Nutzung offener Daten verspricht viel Potential für die Barrierefreiheit. Zunächst einmal kommt es darauf an, diese Daten entweder über eine Schnittstelle oder in einem Format bereit zu stellen, in dem sie auch genutzt werden können. Die Regierung sollte hier mit gutem Beispiel voran gehen und unsere mit Steuergeldern finanzierten Daten offen zur Verfügung stellen. Erst dann lohnt es sich auch zu überlegen, wie man diese Daten für die Barrierefreiheit nutzen kann. Aber auch die Wissenschaft und die Behindertenverbände haben bisher nicht durch Offenheit geglänzt. Der DBSV zum Beispiel hat eine Datenbank mit blindengerechten touristischen Angeboten aufgebaut. Es wäre vernünftiger, die Daten an Open Street Map oder einen anderen Dienst anzubinden, denn die Zahl der Angebote ist so gering, dass die Datenbank kaum relevant ist. Eine Anbindung hätte den Charme, dass das Angebot auch bei Leuten ankommt, die noch nie etwas davon gehört haben. Andererseits könnte sich durch den höheren Bekanntheitsgrad auch der Datenbestand dramatisch erhöhen. Die Frage wäre generell, ob eine geschlossene Datenbank in diesem Bereich eigentlich noch zeitgemäß ist. Es gibt ein Buch von der inzwischen verstorbenen Ökonomin Elinor Ostrom mit dem schönen Titel „Was mehr wird, wenn wir teilen“. Ostrom hat über den Wert von Gemeingütern geforscht, auch offene Daten fallen in diesen Bereich. Es wird Zeit, dass wir diesen Datenschatz heben – und zwar für alle, Behinderte wie Nicht-Behinderte.

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