In diesem Beitrag geht es um die Frage, ob Dritt-Anbieter-Inhalte barrierefrei sein müssen und wie das sichergestellt werden kann. Bitte beachten Sie, dass ich hier keine rechtlich verbindliche Einschätzung geben kann und dass vor allem beim Barrierefreiheitsstärkungs-Gesetz noch viele Fragen nicht abschließend geklärt sind.
Was sind Dritt-Anbieter-Inhalte?
Das Thema Drittanbieter-Content wirkt auf den ersten Blick komplex. Gemeint sind Inhalte, die von externen Anbietern stammen, aber so eingebunden werden, dass sie für Nutzende wie ein Bestandteil der eigenen Website oder Applikation erscheinen. Dazu zählen beispielsweise eingebettete Social-Media-Inhalte, aber auch funktionale Elemente wie Chatbots, Formulare oder Rechner. Die Bandbreite ist hier sehr groß.
Zur Einordnung: Drittanbieterinhalte sind generell Inhalte, die nicht selbst erstellt wurden, sondern von externen Anbietern bezogen und eingebunden werden. Dabei ist für Nutzende häufig nicht erkennbar, dass ein externer Dienstleister die Inhalte bereitstellt. Ein sehr verbreitetes Beispiel hierfür sind Chatbots. Während solche Systeme früher teilweise selbst entwickelt wurden, werden heute in der Regel fertige Lösungen eingekauft. Diese sind meist robuster, fachlich besser betreut und wirtschaftlich deutlich sinnvoller, da eine Eigenentwicklung mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden wäre.
Cookie-Banner würde ich in der Regel nicht dazu zählen, da sie meist direkt in die Website integriert sind und nicht als externer Inhalt eingebunden werden, auch wenn sie eingekauft wurden. Sie müssen natürlich trotzdem barrierefrei sein, sind aber technisch gesehen kein Dritt-Anbieter-Content, da sie anders implementiert sind.
Ein typisches Beispiel sind eingebundene Bezahldienstleister, die häufig über Frames oder iFrames integriert werden. Diese Services müssen zwingend barrierefrei sein, da sie ein wesentlicher Bestandteil der angebotenen Dienstleistung sind. Ist der Bezahlvorgang nicht barrierefrei nutzbar, kann der Verbrauchervertrag nicht abgeschlossen werden.
Das Gleiche gilt beispielsweise für Services zur Paketverfolgung. Auch diese müssen barrierefrei gestaltet sein, damit Nutzende ihr Paket tatsächlich verfolgen können.
Spezialfall Werbung
Komplexer wird die Situation bei Inhalten, die von Dritten bezogen werden, auf die der Websitebetreiber jedoch keinen oder nur sehr begrenzten Einfluss hat. Ein typisches Beispiel ist Werbung. Werbeinhalte werden in der Regel über spezialisierte Dienstleister eingebunden, die die Anzeigen einkaufen, ausspielen und technisch bereitstellen. Der Websitebetreiber kann meist lediglich grobe Vorgaben machen, etwa bestimmte Werbung für bestimmte Produkte auszuschließen. Auf die konkreten Inhalte selbst hat er jedoch keinen direkten Einfluss.
So ist es beispielsweise nicht möglich, Animationen anzuhalten oder inhaltliche Anpassungen vorzunehmen, da dies häufig gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Werbedienstleisters verstoßen würde. Unabhängig davon fehlt dem Websitebetreiber in der Praxis ohnehin die Kontrolle, da die Werbeinhalte lediglich eingebunden werden und oft im Vorfeld gar nicht bekannt ist, welche Anzeigen konkret ausgespielt werden. In vielen Fällen erfolgt die Auswahl der Werbung sogar in Echtzeit während des Seitenaufrufs.
Entsprechend hat der Websitebetreiber in der Regel keinen oder nur sehr geringen Einfluss auf die Barrierefreiheit dieser Inhalte. Nach meinem Kenntnisstand gibt es bislang keine eindeutige rechtliche Entscheidung dazu, ob solche Werbeinhalte im Bereich privater Anbieter – etwa bei Online-Shops oder Plattformen wie Amazon oder eBay – barrierefrei sein müssen. Es spricht vieles dafür, dass dies derzeit nicht verlangt wird, da eine entsprechende Verpflichtung einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellen würde.
Wenn ein Anbieter Werbung gar nicht mehr schalten dürfte oder ausschließlich barrierefreie Werbung ausspielen müsste, würde das voraussichtlich das Geschäftsmodell vieler Anbieter grundlegend infrage stellen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Werbeinhalte grundsätzlich nicht barrierefrei sein müssen. Denkbar sind allerdings Ausnahmen, etwa dann, wenn Werbung unmittelbar mit dem Abschluss eines Verbrauchervertrags verknüpft ist. Ein Beispiel hierfür wären Gutscheine oder rabattbezogene Werbeelemente, die direkt in den Vertragsabschluss eingreifen. In solchen Fällen wäre eine barrierefreie Gestaltung oder zumindest eine barrierefreie Einbindung erforderlich. Eine verbindliche rechtliche Klärung steht hierzu bislang jedoch noch aus, und es ist fraglich, ob es in absehbarer Zeit eine eindeutige Orientierung geben wird.
Eingebundene Inhalte dürfen keine Barrieren darstellen
Unabhängig davon ist darauf zu achten, dass eingebundene Inhalte selbst keine Barrieren erzeugen. So darf Werbung beispielsweise nicht zu einer sogenannten Tastaturfalle führen oder andere Bedienhindernisse verursachen. In dem Moment, in dem Werbeinhalte die Nutzung der Website beeinträchtigen oder blockieren, stellen sie eine Barriere dar und werden damit eindeutig relevant im Sinne des BFSG. Gleiches gilt für den Einsatz sogenannter Accessibility Overlays, auf die Sie aber ohnehin verzichten sollten. Overlays stellen häufig Barrieren dar, etwa Tastaturfallen.
Derzeit ist nicht abschließend geklärt, was im Anwendungsbereich des BFSG konkret barrierefrei sein muss. Offen ist insbesondere die Frage, ob sich die Anforderungen auf die gesamte Website erstrecken oder nur auf die Teile, die unmittelbar dem Abschluss eines Verbrauchervertrags dienen. Im letztgenannten Fall wäre das Risiko geringer, da die eigentlichen Formular- und Abschlussstrecken üblicherweise keine Werbung enthalten.
Im Anwendungsbereich der BITV stellt sich die Situation anders dar: Im öffentlichen Bereich müssen Inhalte, die Teil der Website sind, grundsätzlich barrierefrei sein. Denkbar sind Ausnahmen für Inhalte, die weder für die Nutzung der Website relevant sind noch unter der Kontrolle des Websitebetreibers stehen.
Ein typisches Beispiel hierfür sind eingebundene externe Inhalte wie PDFs, YouTube-Videos oder Instagram-Beiträge Dritter. Auf solche Inhalte besteht in der Regel kein inhaltlicher oder technischer Einfluss. Es ist etwa nicht möglich, Untertitel oder Audiodeskriptionen für ein fremdes YouTube-Video hinzuzufügen oder strukturelle Anpassungen an einem extern bereitgestellten PDF vorzunehmen. Sofern diese Inhalte nicht wesentlich für die Nutzung der Website sind, sondern lediglich ergänzenden Charakter haben, ist ihre fehlende Barrierefreiheit im öffentlichen Bereich grundsätzlich vertretbar.
Im privatwirtschaftlichen Bereich ist die Abgrenzung enger. Auch hier dürfen Drittanbieterinhalte eingebunden werden, jedoch muss stets geprüft werden, ob sie für den Abschluss oder die Nutzung eines Verbrauchervertrags relevant sind. Ist dies der Fall, müssen sie barrierefrei nutzbar sein.
Barrierefreiheit von Dritt-Anbieter-Services sicherstellen
Für den praktischen Umgang mit dem Thema empfiehlt sich ein strukturiertes Vorgehen. Ein erster Schritt besteht darin, zu prüfen, ob die eingesetzten Drittanbieter-Services barrierefrei sind. Insbesondere bei der Neuvergabe von Dienstleistungen oder beim Auslaufen bestehender Rahmenverträge sollte gezielt nach barrierefreien Anbietern gesucht werden. Ein positives Indiz ist ein unabhängiger Prüfbericht, der zudem aktuell sein sollte, idealerweise nicht älter als ein Jahr.
Bei bestehenden Anbietern sollte das Thema Barrierefreiheit aktiv adressiert werden. Die meisten Service Provider dürften inzwischen mit den entsprechenden Anforderungen vertraut sein und sollten eine klare Aussage dazu treffen können, ob ihr Service barrierefrei ist oder nicht. Ist dies nicht der Fall, sollte nachvollziehbar dargelegt werden, ob und bis wann eine barrierefreie Umsetzung geplant ist. Gibt es hierzu keine verbindliche Perspektive, kann es notwendig sein, die Zusammenarbeit zu beenden.
Damit wird deutlich, dass die Verantwortung für Drittanbieterinhalte nicht vollständig ausgelagert werden kann, sondern entlang der gesamten Leistungskette zu betrachten ist.
Grundsätzlich besteht auf die Inhalte von Drittanbietern technisch gesehen kein direkter Einfluss. Es ist in der Regel nicht möglich, selbst ARIA-Attribute hinzuzufügen, die Tastaturnavigation zu steuern oder andere barrierefreie Anpassungen vorzunehmen. Das liegt an der Art der Einbindung: Die Inhalte werden häufig über Frames, iFrames oder per JavaScript geladen und faktisch von externen Systemen „gestreamt“. Entsprechend liegt die Verantwortung für die technische Barrierefreiheit dieser Inhalte zunächst beim jeweiligen Drittanbieter. Sind sie nicht von sich aus barrierefrei umgesetzt, hat der Plattformbetreiber nur sehr begrenzte Einflussmöglichkeiten.
Prüfen und absichern
Was der Betreiber jedoch leisten kann, ist eine eigene Prüfung der Barrierefreiheit der konkreten Implementierung. Hierzu empfiehlt sich eine Test- oder Demo-Integration in einer Entwicklungs- oder Testumgebung. Auf dieser Basis kann überprüft werden, wie barrierefrei der eingebundene Service tatsächlich ist, etwa ob eine vollständige Tastaturnavigation möglich ist, ausreichende Kontraste vorhanden sind oder Formulare korrekt beschriftet wurden. Dabei handelt es sich um etablierte, grundlegende Prüfkriterien.
Sofern in der eigenen Organisation entsprechendes Fachwissen vorhanden ist, reichen häufig bereits einige gezielte Tests aus, um eine erste Einschätzung der Barrierefreiheit zu erhalten. Eine solche Überprüfung ist auch dann sinnvoll, wenn der Anbieter einen Prüfbericht vorlegt. Es ist nicht erforderlich, den vollständigen Prüfkatalog mit allen Erfolgskriterien systematisch abzuarbeiten, insbesondere wenn kein tiefgehendes Fachwissen vorliegt. Stattdessen können einige wenige, zentrale Prüfschritte herangezogen werden, um festzustellen, ob grundlegende Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt sind.
Werden dabei Mängel festgestellt, sollte der Anbieter gezielt darauf angesprochen und um Stellungnahme gebeten werden. Kann er hierzu keine nachvollziehbare oder belastbare Antwort liefern, kann dies problematisch werden.
Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Barrierefreiheit beim Betreiber der Plattform. Diese Verantwortung kann jedoch vertraglich teilweise auf den Drittanbieter übertragen werden. Es ist daher ein gangbarer und empfehlenswerter Weg, entsprechende Verpflichtungen vertraglich festzuhalten, etwa dass eingebundene Inhalte barrierefrei bereitzustellen sind. Ebenso sollte geregelt werden, dass der Drittanbieter haftet, wenn falsche oder irreführende Aussagen zur Barrierefreiheit gemacht werden.
Wie die konkrete rechtliche Ausgestaltung im Detail funktioniert, kann ich nicht abschließend beurteilen. Als Nicht-Jurist gehe ich jedoch davon aus, dass es hierfür entsprechende vertragliche und haftungsrechtliche Konstruktionen gibt. Unabhängig davon ist dies ein Schritt, den ich ausdrücklich empfehlen würde: sich abzusichern, im Sinne eines nachvollziehbaren Nachweises, dass Barrierefreiheit berücksichtigt wurde. Dazu gehört, dass die eigenen Anwendungen grundsätzlich barrierefrei konzipiert sind und dass erkannte Mängel zeitnah behoben werden.
Ist ein eingebundener Service hingegen vollständig oder weitgehend nicht barrierefrei, wäre eine deutlich höhere Eskalationsstufe erforderlich. Denn letztlich trifft die Verantwortung und auch der mögliche rechtliche Ärger den Plattformbetreiber und nicht den Drittanbieter. Für außenstehende Dritte ist es unerheblich, welcher externe Dienstleister im Hintergrund eingebunden ist. Entsprechend ist es entscheidend, sich abzusichern und sicherzustellen, dass die eingesetzten Inhalte barrierefrei nutzbar sind.
Hierfür stehen im Wesentlichen mehrere Vorgehensweisen zur Verfügung. Zum einen kann ein Prüfbericht vom Anbieter des Drittservices angefordert werden. Insbesondere bei größeren Plattformen kann es sinnvoll sein, auf einen unabhängigen Prüfbericht zu bestehen oder sich zusätzlich extern beraten zu lassen. Zum anderen sollte eine eigene Prüfung erfolgen, um die tatsächliche Barrierefreiheit der konkreten Implementierung zu bewerten.
Empfehlenswert ist es, beide Ansätze zu kombinieren: einen Prüfbericht vom Drittanbieter einzufordern und zusätzlich selbst zu prüfen. Der Prüfbericht sollte möglichst aktuell sein, idealerweise nicht älter als ein bis zwei Jahre, von einer seriösen und unabhängigen Stelle stammen und sowohl automatisierte als auch manuelle Tests umfassen. Ergänzend dazu sollte überprüft werden, ob die konkrete Einbindung des Services in die eigene Plattform barrierefrei umgesetzt wurde.
Diese Kombination aus externer Absicherung und interner Prüfung stellt aus meiner Sicht das sinnvollste Vorgehen in diesem Kontext dar.