Meldung und Schlichtungsverfahren zur Barrierefreiheit – ein ernüchterndes Fazit

Stilisierte Figuren sitzen um einen ReferierendenSeit einigen Jahren ist es möglich, gegen öffentliche Stellen ein Schlichtungsverfahren einzuleiten, wenn sie gegen die Barrierefreiheit/BITV verstoßen. Leider ist das Verfahren nicht zielführend.
Zunächst einmal muss man die Barrieren melden. Schon daran kann man scheitern, wenn das entsprechende Formular nicht barrierefrei ist – so gesehen bei einem Dachverband einer Handelskammer.
Das Amt muss dann innerhalb einer angemessenen Frist antworten. Schon da geht das Problem los, denn was ist eine angemessene Zeit, wenn man eine Information oder Dienstleistung jetzt benötigt? Es gibt meines Wissens keine Verpflichtung, in kurzer Zeit eine barrierefreie Alternative bereitzustellen.
Ich habe im letzten Jahr ein par Schlichtungsverfahren angestoßen. Unter anderem hatte die Bundeszentrale für politische Bildung zahlreiche Verstöße zu verantworten: So fehlten auf den Social-Media-Auftritten sämtlich Bildbeschreibungen. Das Bundesamt für soziale Sicherung hatte eine fehlerhafte Erklärung zur Barrierefreiheit veröffentlicht. Beide haben auf meine Hinweise gar nicht reagiert.
Nach einem halben Jahr hatte ich die Ergebnisse vorliegen. Im Ernst: Ein halbes Jahr für so einen Pipifax. Das zeigt, wie ernst diese Bundes-Einrichtungen das Thema digitale Barrierefreiheit nehmen – gar nicht. Da der Prozess nicht transparent ist, weiß ich allerdings auch nicht, an welcher Stelle die Verzögerungen aufgetreten sind – also bei der Schlichtungsstelle oder bei dem „Beklagten“.
Das Kernproblem ist m.E., dass den Einrichtungen anders als beim Verstoß gegen die DSGVO keine Sanktionen drohen. Viele Ämter setzen das Thema Barrierefreiheit schlecht um, siehe die Bundeszentrale für politische Bildung. Ich greife die BPB gerne heraus, da sie sich ja anders als die meisten Bundes-Einrichtungen an eine breite Öffentlichkeit wenden. Wann habe ich als Privatperson mal mit dem BMAS oder dem Bundeskanzleramt zu tun?
Das Schlichtungsverfahren ist ein sinnvolles Instrument, wenn die Barrierefreiheit im Wesentlichen umgesetzt wird und nur kleine Verstöße zu finden sind, zudem die Verantwortlichen nicht bereit sind, diese Verstöße zu beheben. Ich hatte zum Beispiel die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZGA darauf aufmerksam gemacht, dass ihre aktuell produzierten PDFs nicht barrierefrei seien. Die PR-Dame antwortete mir etwas wie, das Problem sei ihnen bekannt. Das hilft mir total weiter. Im Grunde heißt das „Na und, ist uns doch egal“, bitte leite ein Schlichtungsverfahren gegen uns ein, das kostet uns nix.
Bei systematischen Verstößen wie sie leider allzu häufig zu finden sind wird die Verantwortung auf das Individuum übertragen. Dazu kommt die ewige Wartezeit. Vielleicht brauche ich die Info aber jetzt und nicht im Jahr 2030 barrierefrei.
Und was ist, wenn das Amt sich weigert? Bin ich wirklich bereit, zu klagen? Ein klares Nein. Weder habe ich die Zeit noch die rechtliche Expertise und mein Geld gebe ich lieber für andere Dinge als für Anwält:Innen aus. Beim LVR zum Beispiel habe ich mein Recht auf barrierefreie Dokumente eingefordert und nach einem Jahr eine Antwort bekommen. Es ist bekannt, dass viele Ämter es gerne mal darauf ankommen lassen, dazu können wir uns einfach mal die zahllosen Urteile vor dem Bundessozialgericht anschauen.
Mein Fazit: Solange es keine Sanktions-Mechanismen gegen Verstöße gibt, die Vorschriften im Wesentlichen erfüllt werden und es kurze Fristen für Schlichtungsverfahren gibt, ist das Verfahren nicht sinnvoll. Hier wird die Verantwortung auf die Individuen verlagert, die eigentlich durch die Überwachungsstellen zu übernehmen wäre.