Barrierefreies Web für Autisten

Der Autismus umfasst eine ganze Reihe von Symptomen und Ausprägungen, so dass sich nur wenige, allgemeingültige Aussagen treffen lassen.
Zwei Symptome scheinen Autisten generell gemeinsam zu haben:

    Autisten brauchen Routine und Regelmäßigkeit.
  • Autisten reagieren stärker auf Sinnesreize als Nicht-Autisten.

Versuchen wir das ganze einmal auf das Internet anzuwenden.

Soziale Interaktion

Die soziale Interaktion dürfte Autisten im Internet leichter fallen als im Face-to-Face-Kontakt. Sie können sich viel Zeit zum Formulieren einer Mail oder eines Forenbeitrags nehmen. Außer bei Chats oder Instant Messaging erwartet kaum jemand eine echte Echtzeitkommunikation – selbst bei Twitter nicht. Insofern ist schon die Möglichkeit, Kontakt per Mail oder Kontaktformular aufzunehmen eine deutliche Erleichterung. Es gibt durchaus noch genügend Einrichtungen ohne Website – ergo ohne auffindbare digitale Kontaktmöglichkeit – Arztpraxen, Therapeuten, Frisöre…
Leider steckt Deutschland noch im Jahrr 2000, was das Erledigen von Verwaltungsaufgaben über das Internet angeht. Ein vernünftig und barrierefrei gestaltetes eGoverment-Angebot wäre nicht nur für alle Behinderten-Gruppen eine gewaltige Erleichterung.
Webseiten sind relativ beständig, einige Seiten wurden wahrscheinlich seit zehn Jahren nicht wesentlich umgebaut. Aber nicht nur für Autisten dürfte es eine Erleichterung sein, wenn Webseiten schrittweise umgebaut werden und nicht in einem Tabula-Rasa-Relaunch. Ich bin selbst ein Befürworter einer schrittweisen Optimierung. Durch einen Relaunch wird sicher vieles anders und einiges besser, dafür wird anderes schlechter. Ein frisches Design geht nicht unbedingt mit einer Verbesserung der Funktionalität einher.
Die Konsistenz von Webseiten sollte inzwischen selbstverständlich sein. Wir verändern innerhalb eines Webauftritts nicht den Aufbau einer Website, blenden mal eine Spalte aus, lassen hier das Banner weg und blenden kreuz und quer Bilder ein. Auch Bezeichnungen von Elementen sollten konsistent sein. Das heißt, wir benennen gleiche Dinge gleich und unterschiedliche Dinge unterschiedlich. Klingt banal, wird aber selten gemacht.
Gehen wir davon aus, dass wir alle elemente vermeiden sollten, die starke Sinnesreize auslösen können. Dazu kann der Einsatz starker und greller Farben gehören, rosa, orange, gelb. Hier kann es schon problematisch werden, denn die Webseiten werden normalerweise den Hausfarben entsprechend entworfen und auf das Corporate Design verzichtet man nicht leichtfertig. Allerdings haben wir die Möglichkeit, Farben über ein Benutzerstylesheet oder Browsereinstellungen zu überschreiben, wie auch Sehbehinderte es tun. Das heißt, im Endeffekt verzichten wir darauf, viele Grafiken und insbesondere Bilder mit solchen grellen Farben zu verwenden. Ansonsten sollte die Webseite an individuelle Bedürfnisse anpassbar sein.
Ein schwerwiegendes Problem sind Werbebanner. Als Eyecatcher sind sie praktisch immer auffällig gestaltet. Da die Banner regelmäßig ausgetausch werden, ist auch keine Kontinuität gegeben. Flackernde GIF- oder Flash-Animationen gehören nach wie vor zu den störensten Elementen auf einer Website. Die Lösung ist hier ganz einfach: Weg damit, wenn sie keinen Nutzen haben und nur als Schmuckelement eingesetzt werben. Und vor allem weg damit, wenn sie endlos weiterzappeln. Es ist kein Problem, eine Flash-Animation so einzustellen, das sie nach dem dritten Durchlauf aufhört, die Animation abzuspielen. Und wer sie nach drei Malen noch nicht beachtet hat, wird das auch beim 10. Durchlauf nicht tun.
Eine schlechte Idee sind auch beim Seitenaufruf startende Video- oder Audiodateien. Bei YouTube ist das zu erwarten, alle anderen Seiten sollten das Video oder Audio nur dann starten, wenn der Nutzer es selber möchte.

Sprache und Textgestaltung

Ich stütze mich im folgenden auf den Beitrag Design für Mental Behinderte aus dem MA-Blog. Für die sprachliche GestaltungvonTexten gilt, dass aus Satire und Metaphern verzichtet werden sollte. Sie werden ohnehin von den wenigsten Menschen in der intendierten Weise verstanden.
Die Texte sollten ebenfalls ablenkungsfrei gestaltet werden. Verzichten Sie auf spezielle Formatierungen wie Fettung, Kursivstellung oder Versalien. Gliedern Sie den Text ordentlich mit Zwischenüberschriften und nach einer logischen Struktur. Die Bilder sollten den Inhalt unterstreichen, innerhalb des Fließtextes sollten keine Links oder Schmuckelemente vorkommen. Sie lenken durch Unterstreichung oder Farbe vom Inhalt ab. Text sollte auch nicht durch Farbänderung hervorgehoben werden.

Mehrfachbehinderungen

Die Spannbreite der Fähigkeiten von Autisten scheinen sehr stark zu variieren. So kann Autismus mit motorischen Störungen oder einer Lernbehinderung einher gehen.
Mehrfachbehinderungen sind eine besondere Herausforderung für die Barrierefreiheit. Allerdings sind die Bedürfnisse weitgehend geklärt. Menschen mit Lernschwierigkeiten benötigen Texte in Leichter Sprache und einen überschaubaren, einfachen Seitenaufbau. Menschen mit motorischen Einschränkungen wollen Tastaturbedienbarkeit und große Klickflächen. Es sind die harten Kriterien der Barrierefreiheit, wie sie schon seit Jahren bekannt sind.

Barrierefreiheit im Do-it-Yourself

Für viele Menschen mit Behinderungen können auch die Websites für mobile Endgeräte interessant sein. Alternativ-Versionen für spezielle Zielgruppen sind zurecht verpönt. Aber mobile Websites richten sich an alle. Sie haben den großen Vorteil, dass sie die Funktionen auf das Wesentliche reduzieren, auf Spielereien mit JavaScript und Flash weitgehend verzichet wird und auch Werbung nur marginal vorkommt.
Zwar sind Spezialversionen von Webseiten für Behinderte verpönt, das heißt aber nicht, dass wir nicht unsere eigenen Versionen basteln können. Für Menschen mit Lernbehinderung wäre zum Beispiel ein modifizierter Firefox denkbar. Die Version könnte Flash- und AdBlocker vorinstalliert haben. JavaScript ist zwar oftmals problematisch, aber viele Seiten funktionieren nicht mehr genügend und die Skripte schrittweise aufzuheben dürfte selbst nicht-behinderten Nutzern häufig zu mühsam sein. Daneben gibt es Erweiterungen, welche den Content-Bereich hervorheben und den Rest ausblenden. Damit ist eine ablenkungsfreie Lektüre möglich. Wir können auch einfach auf die Druckvorschau des Browsers zugreifen, wenn ein vernünftiges Druckstylesheet hinterlegt wurde. Damit ist eine störungsfreiere Lektüre möglich.
Digital Accessibility and Autism