Hören Sie auch in die beiden Podcasts zur einfachen Sprache. Diese sind vor dem Erscheinen der DIN-Norm veröffentlicht worden.
Die einfache Sprache richtet sich an Menschen, die nur geringe Lese-Erfahrung haben, aber prinzipiell in der Lage sind, komplexe Sachverhalte aus Texten herausziehen zu können. Sie ist eingeschränkt geeignet für Menschen mit Lernbehinderung/geistiger Behinderung.
Die einfache Sprache entspricht dem Sprachniveau B 1. Sie ist nahe an journalistischen Formaten wie „Schreiben fürs Sprechen“ oder „Schreiben fürs Internet“. Dabei werden allerdings die Prinzipien strenger umgesetzt.
Die einfache Sprache war in Deutschland bisher nur informell geregelt. Dadurch gibt es viel Konfusion. Das hier vorgestellte Konzept basiert wesentlich auf der Plain Language aus den USA.
Ich spreche auch nicht von Regeln, sondern von Leitlinien/Prinzipien. Regeln sind strenger und machen dadurch unflexibel. Die einfache Sprache soll aber universell einsetzbar und flexibel bleiben. Deswegen sind alle Leitlinien ein Kann und kein Muss. Das ist aber kein Freischein dafür, sämtliche Leitlinien zu ignorieren. Dann können Sie nicht mehr von einfacher Sprache sprechen. Ich sage auch nicht übersetzen, sondern übertragen. Bei einer Übersetzung entsteht ein vollkommen neuer Text, das ist bei der einfachen Sprache nur der Fall, wenn der Ausgangstext extrem komplex ist.
Sie finden auf dieser Seite alle Leitlinien zur einfachen Sprache, wie ich sie verwende auf einen Blick. Im zweiten Abschnitt werden einzelne Regeln näher erklärt.
Lesen Sie auch den Beitrag Texte für automatische Verständlich-Machung optimieren.
DIN-Norm für einfache Sprache – Update August 2024
Im Frühjar 2024 wurde die „DIN 8581-1, Einfache Sprache – Anwendung für das Deutsche – Teil 1: Sprachspezifische Festlegungen“ veröffentlicht. Wie die Bezeichnung schon andeutet, wird es wohl weitere Spezifikationen für spezielle Zwecke geben. Ziel der aktuellen Norm ist es, einfache Sprache fürs Deutsche zu umreißen. Es geht um Wort-Auswahl, Satzbau und weitere Aspekte der Verständlichkeit. Die folgenden vier Grundsätze gelten:
1. Die Leserschaft erhält, was sie braucht. (Relevanz)
2. Die Leserschaft kann leicht finden, was sie braucht. (Auffindbarkeit)
3. Die Leserschaft kann leicht verstehen, was sie findet. (Verständlichkeit)
4. Die Leserschaft kann die Informationen einfach verwenden. (Anwendbarkeit)
Quelle: DIN
Die Norm muss bei Interesse käuflich bei DIN erworben werden. Bitte beachten Sie, dass die folgenden Leitlinien nicht 100 % mit der Norm matchen, da ich sie vor fast 10 Jahren verfasst habe und mich dabei auf die Plain-Language-Regeln aus den USA bezogen habe. Da ich selbst aktuell keine Texte in einfacher Sprache schreibe, fehlt mir derzeit auch der Praxis-Bezug. Ich habe die Norm allerdings durchgelesen und es war aus meiner Sicht nichts dabei, was nicht auch in meinem Text an Leitlinien zu finden ist.
Daneben gibt es die deutsche Übersetzung der ISO-Norm für Plain Language „DIN ISO 24495-1, Einfache Sprache – Teil 1: Grundsätze und Leitlinien,“. Sie ist sprach-unabhängig und definiert allgemeine Ansätze der einfachen Sprache. Diese Norm habe ich bisher nicht studieren können.
Leitlinien
An dieser Stelle finden Sie die Regeln/Prinzipien der einfachen Sprache, wie ich sie bei Übertragungen verwende. Gerne können Sie diese Regeln/Prinzipien auch für Ihr Anforderungsmanagement/für die Auftragsvergabe verwenden. Außerdem können Sie diese Leitlinien als Gegen-Check verwenden, wenn Sie die Qualität einer Übertragung überprüfen wollen.
Wichtig ist, den Text immer an den Mindest-Standard einer Zielgruppe anzupassen. Sprechen Sie etwa über Digitallisierung und wollen ältere Menschen erreichen, können Sie Begriffe wie digitale Infrastruktur, Breitband-Verbindung oder künstliche Intelligenz nicht verwenden, ohne sie zu erklären. Erklären Sie Migrierten das Leben in Deutschland, müssen Sie abstrakte Konzepte erklären, die ohne den spezifisch deutschen Hintergrund vielleicht nicht verstanden werden: Beispielsweise kennt ein Migrant eventuell nicht den Unterschied zwischen Kommune und Kreis.
Die Ebene der Wörter
Vermeiden Sie dem leser unbekannte Wörter.
Erklären Sie dem Leser unbekannte Wörter, wenn sie verwendet werden müssen.
Bevorzugen Sie Verben und setzen Sie die Verben möglichst an den Anfang des Satzes.
Vermeiden Sie Substantivierungen. Substantivierungen sind Verben und Adjektive, aus denen Substantive gemacht werden bzw. aus denen sich Verben oder Adjektive machen ließen. Substantivierungen lassen sich häufig an den Wortendungen -ung, -tät und -eit erkennen.
Vermeiden Sie gehäufte Substantive. Treten in einem Satz zwei oder mehr groß geschriebene Wörter hintereinander auf, handelt es sich wahrscheinlich um Substantiv-Ketten.
vermeiden Sie Adjektive. Sie sind häufig wertend und tragen oft nicht zur Verständlichkeit bei.
Vermeiden Sie nicht geläufige Abkürzungen.
Vermeiden Sie Synonyme. Wiederholen Sie das Wort, auch wenn es stilistisch nicht optimal ist.
Vermeiden Sie zusammengesetzte Wörter/Komposita. Verwenden Sie bei ungewöhnlichen Komposita Bindestriche, um sie leichter erfassbar zu machen.
Vermeiden Sie Füllwörter. Füllwörter sind etwa vielleicht, sogar, aber, auch, eventuell. Prüfen Sie, ob man diese Wörter streichen kann, ohne die Aussage zu verändern.
Vermeiden Sie Silbentrennung im Druck und bei digitalen Texten.
Formulierungen
Seien Sie präzise. Schreiben Sie etwa Auto statt KFZ.
Machen Sie nur eine Aussage pro Satz. Enthält ein Satz mehrere Kommata oder andere Satzzeichen, enthält er vermutlich mehrere Aussagen oder eine Aufzählung im Fließtext.
Verwenden Sie höchstens 14 Wörter pro Satz. Bei ungewöhnlichen Komposita sollte jeder Wort-Bestandteil als eigenes Wort gezählt werden.
Halten Sie Substantiv und Verb möglichst zusammen.
Verzichten Sie auf Rückbezüge wie ersteres und letzteres, das Vorgenannte und so weiter. Wiederholen Sie das Wort, auch wenn es stilistisch nicht optimal ist.
Ziehen Sie positive Aussagen vor. Positive Aussagen sind fast immer leichter zu verstehen als negative Aussagen. Doppelte Verneinungen werden selten im ersten Anlauf verstanden.
Nennen Sie zunächst eine Regel und dann die Ausnahme.
Schreiben Sie aktiv und vermeiden Sie Passiv-Konstruktionen.
Verwenden Sie eine persönliche Ansprache. Schreiben Sie lieber „Ich“ und „Sie“ statt „man“ oder „der Teilnehmer“.
Vermeiden Sie Zwischensätze und angehängte Nebensätze. Sie tragen praktisch nie zur Verständlichkeit bei. Dazu gehören auch Wörter oder Sätze in Klammern oder Anführungszeichen.
Verwenden Sie einfache Aussage-Formen. Einfach ist etwa „Wenn x, dann y“. „Entweder X oder y“:
Konditionalsatz: „Wenn…, dann…“
Kausalsatz: „Weil…,
Verwenden Sie lebensnahe Beispiele.
Interpunktion und Formatierung
Formatieren Sie den Text leserfreundlich. Vermeiden Sie Blocksatz, exotische Schriftarten, die Mischung mehrerer Schriftarten, zu kleinen oder zu großen Text, kontrastarmen Text und alles Weitere, was das visuelle Erfassen des Textes erschwert.
Verwenden Sie möglichst nur zwei Satzzeichen pro Satz. Je mehr Satzzeichen, desto komplexer ist der Satz.
Verwenden Sie Hervorhebungen sparsam. Der Sinn von Kursiv-Stellung, Großbuchstaben, Anführungszeichen oder Fettung wird vom Leser häufig nicht verstanden und erschwert die Lesbarkeit.
Strukturierung von Informationen
Ordnen Sie die Informationen sinnvoll. Vermeiden Sie Gedankensprünge, Abschweifungen und alles, was den Leser ablenken könnte.
Stellen Sie wichtige Informationen an den Anfang des Textes. Beantworten Sie die Frage schon am Anfang, welche Informationen der Leser im Text findet. Der Leser soll schnell entscheiden können, ob der Text für ihn relevant ist. Beantworten Sie die W-Fragen in den ersten beiden Absätzen (Wer, Wann, Wo, Warum…).
Wiederholen Sie wichtige Informationen. Als Verfasser müssen Sie entscheiden, welche Informationen wichtig sind. Wichtige Informationen können auch in einem Textkasten zusammengefasst werden.
Verwenden Sie Zwischen-Überschriften. Zwischen-Überschriften fassen die nachfolgenden Aussagen zusammen, erlauben das selektive Lesen des Textes und bilden visuelle Orientierungspunkte.
Strukturieren Sie den Text logisch und zwar aus der Perspektive des Lesers. Gehen Sie etwa vom Allgemeinen zum Besonderen oder vom Besonderen zum Allgemeinen. Bauen Sie Informationen ein, welche der Leser später braucht, um den gesamten Text zu verstehen, wenn Sie sich nicht sicher sind, dass der Leser diese Informationen bereits kennt.
Lassen Sie unnötige Informationen weg. Überlegen Sie, welche Informationen für den Leser nicht notwendig sind, um die Aussage Ihres Textes zu verstehen.
Vermeiden Sie Aufzählungen innerhalb von Sätzen. Visuelle Listen bieten eine zusätzliche Gliederung des Textes und erleichtern so das Überfliegen. Sieht der Leser eine Liste, kann er sich außerdem kognitiv darauf einstellen.
Setzen Sie Pflicht-Informationen ans Ende, wenn sie für das Verständnis des Textes nicht notwendig sind.
Besonderheiten für digitale Texte
Verwenden Sie bei Texten, die mehr als 3000 Zeichen umfassen ein verlinktes Inhaltsverzeichnis.
Bringen Sie möglichst alle zum jeweiligen Thema wichtigen Informationen auf einer Unterseite unter. Verzichten Sie möglichst auf das Verlinken von Texten, die der Nutzer gelesen haben muss, um den aktuell aufgerufenen Text zu verstehen.
Verlinken Sie möglichst wenig innerhalb des Textes. Setzen Sie weiterführende Links möglichst ans Ende des Textes.
Einige Prinzipien im Detail
Im Folgenden Abschnitt finden Sie einige Prinzipien im Detail dargestellt und erläutert.
Wörter
Der Wortschatz der einfachen Sprache umfasst rund 2400 Wörter. Das ist nicht besonders viel, die deutsche Sprache umfasst ungefähr eine halbe Millionen Wörter.
Eine nützliche Hilfe ist der Wortschatz des Goehthe-Instituts. Er fast die 2400 Begriffe zusammen, die Teil des B1-Wortschatzes sein sollen.
Allerdings dürfen auch Wörter verwendet werden, die nicht Teil des Wortschatzes sind. Dabei müssen Sie vor allem überlegen, wie bekannt das jeweilige Wort ist. Können Sie nicht davon ausgehen, dass das Wort bekannt ist, müssen Sie es erklären.
Versuchen Sie möglichst Begriffe aus verwandten Bereichen zu verwenden. Das menschliche Gehirn arbeitet assoziativ, es erkennt Wörter in einem Text einfacher, wenn sie aus dem gleichen Themenfeld stammen. Stellen Sie sich ein semantisches Netz vor, in dem Begriffe umso näher miteinander verbunden sind, je stärker sie in Beziehung stehen. Bäcker und Brot hängen eng zusammen, während Buchhalter und Holz stärker voneinander entfernt sind.
Schwierig sind substantivierte Verben wie Benutzung, Verwendung und Vermeidung. Solche Wörter deuten auf einen Nominalstil hin, der idealerweise zu vermeiden ist. Generell sollten Substantive nicht gehäuft hintereinander auftreten. Manche wissenschaftliche Publikationen schaffen es, drei oder vier Substantive in einem Titel mit fünf Worten unterzubringen. Achten Sie auf die Nachsilben –keit, -ung und –heit, daran erkennen Sie die meisten Substantivierungen.
Vermeiden Sie seltene Wörter. Je bekannter ein Wort ist, desto schneller kann es gelesen werden. Geübte Leser können oft schon nach wenigen Buchstaben ein Wort erraten und damit ihr Lesetempo erhöhen. Ein Wort wie Schifffahrtsgeesellschaft ist dabei nicht hilfreich.
Vermeiden Sie Komposita, das sind lange zusammengesetzte Wörter. Der Verein zur Rettung der Umwelt liest sich leichter und wird schneller erfasst als der Umweltrettungsverein. Komposita haben nur dann einen Vorteil, wenn sie als bekannt vorausgesetzt werden können.
Fremdwörter und Abkürzungen werden vermieden oder bei der ersten Erwähnung erklärt oder ausgeschrieben. Das ist eine allgemeine Regel, die ein wenig eingeschränkt werden muss. Restaurant ist auch ein Fremdwort, aber niemand käme auf die Idee, es ins Deutsche zu übersetzen. Andererseits können auch deutsche Wörter unbekannt sein, wenn sie zum Beispiel aus einem Dialekt stammen. Erklären Sie also Wörter, die im täglichen Sprachgebrauch selten vorkommen.
Vielleicht sind folgende Regeln zur Auswahl von Wörtern hilfreich:
- Verwenden Sie keine Wörter, deren Bedeutung Sie nicht kennen. Wissen Sie zum Beispiel, was Kohäsion oder Hegemonie bedeutet? Kennen Sie den Unterschied zwischen effektiv und effizient.
- Verwenden Sie kein Fremdwort, wenn es ein passendes deutsches Wort dafür gibt. Ein Fremdwort ist in unserem Zusammenhang ein Wort, das im allgemeinen Sprachgebrauch selten verwendet wird. Restaurant ist kein Fremdwort, Kongruenz hingegen schon
Geläufige Abkürzungen wie „z. B.“ oder „bzw.“ müssen Sie nicht erklären. Ich würde sie gar nicht einsetzen, aber das ist eine Geschmacksfrage. Seltene Abkürzungen sollten Sie hingegen gar nicht verwenden, wenn sie nicht leicht zu merken sind. DRK für Deutsches Rotes Kreuz und BRK für Bayerisches Rotes Kreuz ist noch einprägsam. Bei weniger bekannten Abkürzungen empfehle ich, das Wort auszuschreiben oder einen Teil des Begriffes zu verwenden. Die Web Content Accessibility Guidelines kann man sich leichter einprägen als die WCAG, weil wir uns Wörter oder zumindest Wortklänge leichter merken können als Abkürzungen. Um diesen etwas sperrigen Begriff nicht andauernd zu wiederholen können wir nach der ersten Erwähnung von „den Guidelines“ sprechen oder von „den Richtlinien“, falls nicht noch weitere Guidelines und Richtlinien in unserem Text vorkommen. In einigen Fällen wie MP3 oder NATO vergisst man oft schon, dass es sich um eine Abkürzung handelt, sodass es auch nicht sinnvoll ist, sie auszuschreiben.
Satzbau
Versuchen Sie, Passiv-Konstruktionen und Konjunktive zu vermeiden. Aktiv formulierte Sätze wirken lebendiger und anschaulicher. Formulieren Sie aktive Sätze. Das schaffen Sie oft schon, wenn Sie das Verb möglichst weit nach vorne ziehen. Es ist aber auch hilfreich, handelnde Personen in den Vordergrund zu stellen. Solche Formulierungen sind fast automatisch aktiv.
Vermeiden Sie eingeschobene Nebensätze, weil sie den Leser vom Kern des Satzes ablenken. Solche Nebensätze sind meistens an den Kommata oder an Gedankenstrichen zu erkennen. Entweder ist die Aussage wichtig genug, um in einen Hauptsatz gepackt zu werden oder sie kann gestrichen werden.
Hängen Sie keine Nebensätze an. Angehängte Nebensätze erkennen Sie meistens an Kommata oder Gedankenstrichen. Meistens ist ein Nebensatz ein neuer Gedanke und verstößt damit gegen unser Prinzip: ein Satz, ein Gedanke. Hier gilt das Gleiche wie für Zwischensätze.
Listen und Aufzählungen
Vermeiden Sie lange Aufzählungen im Fließtext. Oft merkt der Leser erst in der Mitte des Satzes, dass Sie mehrere Fakten aufzählen und muss zurücklesen, um sich diese Fakten einzuprägen. Der Sinn der Aufzählung wird oft erst am Ende des Satzes klar. Außerdem bilden Listen visuelle Orientierungspunkte in langen Texten.
Eine Liste kann auch stilistisch einheitlich gestaltet werden. Sie sollte zum Beispiel nur positive oder nur negative Aussagen enthalten, beides zu mischen verschlechtert die Verständlichkeit. „Sagen Sie 1. Ja zum Leben und 2. Nein zum Rauchen!“. Generell werden positive Aussagen leichter verstanden als Aussagen mit einer Verneinung.
Listen und Aufzählungen sollten nicht zu umfangreich werden. Im Allgemeinen ist es nicht sinnvoll, auch die unwichtigsten Fakten aufzuzählen. Vor allem Leser, die mit dem Thema nicht vertraut sind werden Schwierigkeiten haben, das Wesentliche zu erfassen oder sich die wichtigen Fakten zu merken.
Ausdruck
Ein Text sollte präzise und konkret statt vage und abstrakt sein. Statt „Menschen mit Behinderung“ sind meistens entweder bestimmte Personen oder bestimmte Gruppen wie Blinde gemeint. Statt „Mensch mit Behinderung“ schreibt man „der gehörlose Herr Müller“. Vermeiden Sie es, eine Person auf ihre Behinderung oder ihren Hintergrund zu reduzieren. Das passiert oft, wenn man nicht immer „Herr Müller“ schreiben möchte und stattdessen „der Gehörlose“ sagt, was den Menschen Müller auf seine Gehörlosigkeit reduziert. Behandeln Sie Menschen nicht als Objekte, Opfer oder Helden, sondern als Menschen.
An dieser Stelle müssen wir einen Kompromiss zwischen Verständlichkeit und Inklusivität finden, inklusive Formulierungen sind nicht immer anschaulich und sollten dennoch Vorrang vor einer verständlichen, aber diskriminierenden Formulierung haben.
Versuchen Sie möglichst positiv zu formulieren, das heißt zum Beispiel doppelte Verneinungen zu vermeiden. Wenn jemand „nicht dafür“ ist, dann ist er dagegen. Die Formulierung „er wird nicht dagegen stimmen“ verschleiert die Absicht dieser Person, er kann zustimmen, sich enthalten oder der Abstimmung fernbleiben.
Hat man zu viele Behördentexte gelesen, schleichen sich Ausdrücke wie „Schadensfall“ oder „zur Kenntnis genommen“ ein. Solche Ausdrücke gehören in das Redaktionshandbuch unter Begriffe, die vermieden werden sollen. Sie machen den Text unpersönlich und abstrakt.
Andere Formulierungen aus dem Beamten-Jargon sind: „außerstande sein“, „zur Verfügung stehen“ oder „die Möglichkeit haben“. Diese Formulierungen können fast immer durch „können“, „nicht können“ oder „haben“ ersetzt werden, was den Text wesentlich auflockert.
Wenn Sie zu solchen Begriffen neigen, sollten Sie sich eine Checkliste zulegen, mit der Sie Ihre Texte prüfen können. Das Problem ist, dass man die eigenen Texte eher oberflächlich liest, die Fehler der Anderen sieht man immer besser als die eigenen. Deswegen ist eine Checkliste hilfreich, in der alle Konstruktionen notiert werden, die Sie vermeiden möchten.
Vor allem im Sozialbereich werden oft Abkürzungen und Fremdwörter verwendet. Die meisten Menschen wissen nicht, was sich hinter Eingliederungshilfe oder SGB II verbirgt. Natürlich ist es sinnvoll oder sogar vorgeschrieben, von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung statt von Hartz IV zu sprechen. Allerdings stoßen Sie dabei auf unterschiedliche Probleme, wenn Ihre Klienten diese Begriffe nicht verstehen oder nicht finden, was sie suchen, weil sie den korrekten Begriff nicht kennen.
Wenn Sie also nicht die Begriffe auf Ihrer Website verwenden, die von Ihren Klienten gesucht werden, ist es unwahrscheinlich, dass sie die gesuchten Inhalte finden. Eine Lösung besteht darin, einfach beide Begriffe im Text zu verwenden: Sie können zum Beispiel schreiben „Sonderschulen werden heute Förderschulen genannt“ oder „im Rahmen von Hartz IV wird Arbeitslosengeld II gewährt“.
Vermeiden Sie es, positiv und negativ besetzte Begriffe miteinander zu vermischen. Das negative Wachstum ist ein Verlust, wer diese Verschleierungsprosa aus Pressemitteilungen oder Geschäftsberichten verwendet versucht, den Leser gezielt zu verwirren.
Ein kontroverser Punkt sind handelnde Objekte. Websites oder Broschüren können nichts erklären, weil nur Lebewesen handeln oder sich verhalten können. Ich sehe das ein wenig lockerer: die Nutzer wissen natürlich, dass eine Website nichts erklärt, sondern, dass sie dort erhellende Informationen finden. Ansonsten sind oft komplizierte Konstrukte nötig, um eine einfachere und oft auch verständlichere Formulierung zu umgehen: „In der Broschüre kann man nachlesen …“, „Auf der Website erfahren Sie …“. Es handelt sich um ein logisches, nicht um ein orthografisches Problem. Wählen Sie deshalb die Form, die für den Leser am verständlichsten ist.
Rechtschreibung und Grammatik
Achten Sie auf korrekte Rechtschreibung und Grammatik. Das hat mehrere Vorteile: Wer nicht korrekt schreibt, erweckt den Eindruck, dass er entweder schlampig arbeitet oder keinen Respekt vor dem Leser hat. Es gibt aber auch ganz praktische Gründe: Viele Leser bleiben an falsch geschriebenen Wörtern hängen, Tippfehler stören also den Lesefluss.
Dabei ist es von Vorteil, wenn Sie den Text nicht im Browser, sondern in einer Textverarbeitung schreiben. Dank der integrierten Rechtschreibprüfung können Sie häufige Tippfehler schnell finden. Verwenden Sie auch die Autokorrektur, damit Sie Wörter, die Sie häufig falsch schreiben vom Programm automatisch korrigieren lassen können.
Leider ist die Rechtschreibprüfung der Textverarbeitungen nicht besonders gut. Falls Sie viele Texte schreiben empfehle ich die Anschaffung eines Programms wie Duden Korrektor, der sich in viele Textverarbeitungen integrieren lässt. Ebenfalls hilfreich ist die Software Papyrus Autor, bei ihr ist der Duden Korrektor im Programm enthalten und auch eine Stilprüfung ist integriert. Auch das Programm Language Tool kann eine Hilfe sein, es ist kostenlos.
Viele Menschen wissen nicht, wann Wörter mit Bindestrichen geschrieben werden sollten. Eine einfache Regel ist, lange und seltene Wörter mit Bindestrich zu schreiben: „Schiff-Fahrts-Gesellschaft“. Das Wort Autokatalysator können sie hingegen zusammen schreiben, weil es nicht übermäßig lang ist und aus bekannten Wörtern besteht.
Das Auge erkennt Buchstaben in Gruppen, je nach Schriftgrad und Entfernung kann es zwischen drei und fünf Buchstaben auf einmal erkennen. Bei häufig vorkommenden Wörtern reicht das oft schon aus, um das gesamte Wort zu erraten. Der weitere Leseprozess dient dazu, das Erratene zu bestätigen. Auch dabei können Bindestriche hilfreich sein, um falschem Erkennen vorzubeugen. Wenn Sie Koautor lesen, denken Sie vielleicht zuerst an Koala, bei Co-Autor hingegen fällt Ihnen das Erkennen wahrscheinlich wesentlich leichter. Es gibt eine ganze Reihe dieser falschen Freunde. Achten Sie also bei langen Wörtern darauf, ob sich durch das Lesen der ersten drei bis fünf Buchstaben ein falscher Wortsinn ergeben könnte.
Strukturierung
Ein Text sollte logisch strukturiert sein. Jede Textform folgt einer bestimmten Dramaturgie: Die Nachricht oder der Bericht beginnt mit einem Satz, der die wesentlichen Informationen zusammenfasst. Eine Reportage, ein Feature oder eine Geschichte sollen mit dem ersten Absatz die Lust am Weiterlesen wecken.
Allen guten Texten gemein ist, dass sie logisch aufgebaut sind. Zunächst kommen die Grundlagen, dann das Spezielle. Man geht von innen nach außen oder von außen nach innen. Unabhängig davon, wie der Text aufgebaut ist, sollte nicht zwischen den verschiedenen Ebenen gesprungen werden. Ausnahmen gelten für literarische Texte oder Reportagen und Features, wo der Sprung zwischen den zeitlichen Ebenen ein Stilmittel sein kann.
Man kann schon innerhalb eines einzelnen Satzes eine einfache Struktur anwenden. Dazu gehört, dass Substantiv und Verb am Anfang des Satzes stehen und nicht auseinandergerissen werden. In der Schriftsprache werden Konstruktionen begünstigt, bei denen das Substantiv am Anfang des Satzes steht und das Verb am Ende. Bei langen Sätzen erfährt der Leser also erst am Ende, worum es geht. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass das Ende des Satzes dessen gesamten Sinn verändert.
Mit Kommata können Sie einen längeren Satz strukturieren. Sie geben dem Leser damit die nötige Atempause, um den ersten Teil des Satzes zu verarbeiten. Wenn Sie den Text laut vorlesen werden Sie feststellen, dass Sie beim Komma fast automatisch Luft holen. Deswegen sind Kommata nicht per se schlecht für die Verständlichkeit. Oft ist es sinnvoller, einen langen Satz mit einem Komma auszustatten anstatt sie generell zu vermeiden und dadurch seltsame Satzkonstruktionen entstehen zu lassen.
Zur Verständlichkeit gehört auch die Vermeidung von Zwischensätzen oder Zwischenbemerkungen mit Klammern oder Gedankenstrichen. Solche Anmerkungen stören den Lesefluss, weil sie den Leser vom roten Faden des Textes abbringen.
Ziehen Sie bei einem längeren Satz die Hauptaussage möglichst weit nach vorne, damit der Leser schnell den Kern erfassen kann. Es ist schlechter Stil, die Handlung vor das handelnde Subjekt zu stellen. Der Satz „Der Redakteursverband zieht eine negative Bilanz zum …“ ist leichter zu verstehen als „Eine negative Bilanz zieht der Redakteursverband …“.
Das gleiche Prinzip können Sie auch auf Absätze anwenden. Ziehen Sie die Hauptaussage möglichst weit nach vorne und schieben Sie weniger wichtige Informationen im Absatz weiter nach hinten.
Ein Text muss häufig die W-Fragen beantworten: Wer, Was, Warum, Wo und Wann. Das gilt nicht für alle, aber für viele Texte. Es geht konkret darum, Zuständigkeiten oder Umstände zu benennen und nicht zu umschreiben. Wichtige Informationen wie Veranstaltungsdaten, die Namen von Personen oder Orten sollten möglichst am Anfang des Textes stehen, Informationskästen sind eine ideale Möglichkeit, sie kompakt anzubieten.
Dabei gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Textformen: Von einem typischen Pressebericht wird erwartet, dass er nach der umgekehrten Pyramide aufgebaut ist. Die wichtigsten Informationen stehen am Anfang und sind nach absteigender Wichtigkeit angeordnet. In einem Informationstext wird am Anfang zusammengefasst, worum es im Text geht, ein literarischer Text soll hingegen mit der Einleitung Spannung aufbauen.
In journalistischen Texten oder Berichten wird die umgekehrte Pyramide verwendet, um Texte zu strukturieren. Das Wichtigste steht am Beginn und die Informationen werden nach absteigender Wichtigkeit angeordnet. Das ist auch im Sinne der Barrierefreiheit.
Die visuellen Hilfsmittel wie Überschriften, Listen, Tabellen und Grafiken helfen nicht nur unseren Lesern, sondern auch uns selbst. Sie unterstützen dabei, die Gedanken zu strukturieren und in eine logische Reihenfolge zu bringen.
Die meisten Leser werden nicht bereit sein, einen zehnseitigen Text am Bildschirm zu lesen. Ein Text hat dann die optimale Länge, wenn Sie nichts mehr wegnehmen können, ohne die Qualität des Textes zu verringern. Ein Text sollte so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein. Unnötige Ausschmückungen oder philosophische Ausflüge sind zu vermeiden.
Illustrative Beispiele
Arbeiten Sie mit bildhaften Beispielen. Ihr Leser sollte eine konkrete Vorstellung davon bekommen, worüber Sie schreiben. Das Beispiel muss nahe an seiner Lebenswirklichkeit sein.
Zeigen Sie statt zu erklären. Versuchen Sie, abstrakte Inhalte mit plastischen Beispielen zu verdeutlichen.
Denken Sie Ihre Texte immer aus der Perspektive der Nutzer, die Frage ist, verstehen Ihre Nutzer, was Sie ihnen mitteilen möchten. Bei einer eher trockenen Materie wie der Vorstellung einer Broschüre aus dem Sozialbereich können Sie zwei bis drei Beispiele aus dem Inhalt aufgreifen, die aus der Sicht der Interessenten wichtig sein könnten. Kein Mensch kann mit der Grundsicherung nach Sozialgesetzbuch II etwas anfangen. Aber jeder hat eine genaue Vorstellung davon, was er an Informationen gut gebrauchen kann und das erkennt er am besten an konkreten Beispielen. Wählen Sie deshalb Beispiele, die möglichst nah an der Lebenswirklichkeit Ihrer Nutzer sind.
Sonderfall I: Gender und einfache Sprache
Das Thema gendergerechte Sprache stellt uns im Zusammenhang mit einfacher Sprache vor besondere Herausforderungen. Jede denkbare Variante verschlechtert für ungeübte Leser die Lesbarkeit und Verständlichkeit. Im Artikel Gender und Barrierefreiheit habe ich das näher ausgeführt.
Die Möglichkeiten sind überschaubar:
- Sie können trotzdem gendern – die Flexibilität der einfachen Sprache erlaubt es. Ich empfehle die Variante mit dem * wie in Mitarbeiter*innen
- Sie gendern nicht und erklären am Anfang des Textes bzw. in einem separaten Text, warum Sie nicht gendern.
Sonderfall II: Politisch korrekte sprache
Politisch korrekte Sprache ist aus Sicht der Verständlichkeit eher schwierig. Die Begriffe sind häufig außerhalb von Fachkreisen kaum bekannt, die Konzepte dahinter werden nicht verstanden.
Ein weiteres Problem ist, dass die Formulierungen selten konstant bleiben. Es ergeben sich neue Begriffe, die wiederum nur in Fachkreisen bekannt sind und von vielen Lesern nicht verstanden werden.
Im Zweifelsfall sollte also die verständlichste Sprache gewählt werden. Verwenden Sie Begriffe, die der Leser vermutlich nicht kennt, müssen diese Begriffe an irgendeiner Stelle erklärt werden.
Sonderfall III: Modesprache, Akademiker-Sprache und Behördensprache
Behördensprache und Modesprache können den Leser frustrieren: Behördensprache wie „Herausforderung“, „Anforderung“, „Vorgang“ und so weiter wecken bei den Lesern oft negative Assoziationen und sollten deshalb generell vermieden werden.
Modesprache oder Hipstersprache wird oft von Nonprofit-Organisationen, Digital-Fans und anderen Personen eines bestimmten Milieus verwendet. Es ist in gewisser Weise ein Soziolekt, eine Sprache, die soziale Milieus voneinander unterscheidet. Zu den typischen Begriffen dieses Milieus gehören Begriffe wie Innovation, dynamisch, agil und so weiter. Weiterhin gehören dazu auch die zahlreichen englischen Begriffe, die gerne einmal eingestreut werden: Journey, Meeting, connected, Brain Storming,, Business, Networking… Die Zielgruppe der einfachen Sprache fühlt sich davon nicht angesprochen und wird die Lektüre des Textes vielleicht abbrechen.
Mit Akademiker-Sprache ist vor allem die typische Sprache der Sozial-Wissenschaften, Pädagogik oder Jura gemeint. Auch diese Sprachen sind nur in Fachkreisen verständlich und werden häufig von der Zielgruppe nicht verstanden oder abgelehnt. Müssen Sie diese Sprache in Texten verwenden, erklären Sie es dem Betroffenen wenn möglich in verständlichen Worten.