Text-Verständlichkeit

Verständlichkeit ist Service am Leser. Je verständlicher ein Text ist, desto eher kommt die Botschaft, die Information oder die Aufforderung beim Leser an. Verständliche Texte zu schreiben erfordert viel Praxis. Wer nur wenig schreiben muss, fährt am besten, wenn er sich einige Checklisten zulegt und jemand anderen kritisch über den Text lesen lässt.

Logische Reihenfolge

Ein Text sollte logisch strukturiert sein. Das heißt, er ist optisch in Abschnitte gegliedert. Jeder Text folgt einer bestimmten Dramaturgie: die Nachricht oder der Bericht beginnt mit einem Satz, der die wesentlichen Informationen zusammenfasst. Eine Reportage, ein Feature oder eine Geschichte sollen mit dem ersten Absatz die lust am Weiterlesen wecken. Pressemitteilungen versuchen typischerweise, beide Elemente zu vermischen. Der wissenschaftlicheEssay steigt mit einer These ein und versucht diese zu belegen.
Allen guten Texten gemein ist, dass sie logisch aufgebaut sind. Zunächst kommen die Grundlagen, dann das Spezielle. Man geht von innen nach außen oder von außen nach innen. Unabhängig davon, wie der Text aufgebaut ist, sollte nicht zwischen den verschiedenen Ebenen gesprungen werden. Ausnahmen gelten natürlich für literarische Texte oder Reportagen und Features, wo der Sprung zwischen den zeitlichen Ebenen ein Stilmittel sein kann.

Die W-Fragen

Ein Text muss häufig die W-Fragen beantworten: Wer, Was, Warum, Wo und Wann. Das gilt nicht für alle, aber für viele Texte. Es geht konkret darum, Zuständigkeiten oder Umstände zu benennen und nicht zu umschreiben. Wichtige Infos wie ein Einsendeschluß sollten hervorgehoben und möglichst am Anfang stehen.

Dabei gibt es natürlich kleine Unterschiede: von einem typischen Pressebericht, aber auch von einem Informationstext wird erwartet, dass er nach der umgekehrten Pyramide aufgebaut ist. Die wichtigsten Informationen stehen am Anfang und sind nach absteigender Wichtigkeit angeordnet.

Kürze und Prägnanz

Ein Text sollte so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein. Unnötige Auschmückungen oder philosophische Ausflüge sind zu vermeiden. Wenn man gerade im Schreib-Flow ist, neigt man schnell dazu, vom Thema abzuweichen. Das verwirrt den Leser und lässt ihn auch an der Kompetenz des Schreibers zweifeln.

Präzision im Ausdruck

Ein Text sollte präzise und konkret statt wage und ausweichend sein. Statt „menschen mit Behinderung“ sind meistens entweder bestimmte Personen oder bestimmte Gruppen wie Blinde gemeint. Statt „Mensch mit Behinderung“ schreibt man „der gehörlose Herr Müller“,, statt „er hat einen Migrationshintergrund“, „die Eltern von herrn Kaminski sind 1990 aus Russland nach Deutschland gekommen, Kaminski selbst ist in Deutschland aufgewachsen“. Vermeide es, eine person auf ihren Hintergrund zu reduzieren. Das passiert oft, wenn man nicht immer „Herr Müller“ schreiben möchte und stattdessen „der Gehörlose“ sagt, was den menschen Müller auf seine Gehörlosigkeit reduziert.

Hat man zu viele Behördentexte gelesen, schleichen sich Ausdrücke wie „Schadensfall“ oder „zur Kenntnis genommen“ ein. Solche Ausdrücke gehören in den Giftschrank bzw. in den Styleguide unter Begriffe, die man vermeiden möchte. Sie geben dem Text einen unpersönlichen und schwerfälligen Charakter.

Kompakte Informationen

Ein spezifisches Problem verlinkter Texte ist die Streuung von Informationen über mehrere Seiten. Ein zusammenhängender Text muss für sich selbst genommen funktionieren, weil der Redakteur nie wissen kann, über welche Seite der Nutzer auf die Webseite kommt. Kaum ein Nutzer steigt über die Startseite ein. Das liegt einfach daran, dass die Startseite in der Regel kaum relevante Informationen enthält. Die interessanten Infos stehen meist auf den Unterseiten, diese Seiten werden von den Suchmaschinen bevorzugt.

Deshalb ist es wichtig, die Information einerseits in einen Gesamtkontext zu stellen. Wenn wir einen zusammenhängenden Informationskomplex haben, der auf meherere Webseiten verteilt ist, sollte der Nutzer immer die Möglichkeit bekommen, sich durch diesen Komplex durchzublättern wie durch ein Buch. Sich daran anschließende Informationen können ebenfalls verknüpft werden, aber man sollte es nicht übertreiben. Die Bereitschaft, auf einer Website wie in einem Buch zu blättern sollte nicht überschätzt werden.

Die Redundanz von Informationen ist einerseits sinnvoll. Die wenigsten Leute sind bereit, mehrere Minuten auf der Suche nach Informationen durch die Website zu streifen, deshalb muss prinzipiell jeder Text auf einer Webseite eigenständig funktionieren. Auf der anderen Seite besteht bei Redundanz die Gefahr, dass die Information auf einer Seite aktualisiert wird, während auf einer anderen Seite eine veraltete Information stehen bleibt. Außerdem empfinden es viele Redakteure als unelegant, Informationen mehrfach auf der Website zu haben.

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, das Redundanz-Dilemma zu umgehen:

  • Die wesentlichen Informationen werden auf einer einzelnen Seite gebündelt. Die Seite kann dann etwas länger werden, aber Scrollen ist ohnehin beliebter als Blättern. Eine sauber strukturierte Seite, ggf. mit einem Inhaltsverzeichnis mit Sprungankern wie bei der Wikipedia, stellt keine große Hürde dar./li>
  • Die Informationen werden in einer downloadbaren Datei zusammengefasst: PDF, EPUB oder was auch immer. Die Gefahr besteht darin, dass die Leute schlicht keine Lust haben, ein Dokument runterzuladen oder sie vergessen es einfach nach dem Download.

Serviceorientierung bedeutet auch, die Informationen so kompakt wie möglich zur Verfügung zu stellen. Es ist kein Service zu schreiben: „Sie finden Formular X im Bereich Y“ oder „Wie Sie die Anpassung durchführen, finden Sie auf Seite Z“. Das Minimum ist, die konkrete Seite und am besten sogar den angesprochenen Abschnitt zu verlinken. Besser ist es, die Information direkt in den konkreten Text zu schreiben. Es kommt leider sehr häufig vor, dass der Nutzer die Information nicht findet oder keine Lust hat, sie zu suchen. Da gelegentlich auch Seiten gelöscht werden, kann es sogar sein, dass die gemeinte Seite gelöscht wurde, der Verweis darauf aber noch stehen bleibt.

Kenne deine Zielgruppe

Verständlichkeit ist aber auch bei normalen Texten nicht immer das oberste Ziel. Viele Aufsätze oder Essays richten sich nicht an die breite Öffentlichkeit, sondern an ein Fachpublikum. Auf 20 Seiten kann niemand fachliche Ideen präsentieren und zugleich eine Einführung für Laien dazu schreiben. Zudem muss man, wenn man in der deutschen Fachwelt ernst genommen werden will, im Fachjargon schreiben.

Es kommt also darauf an, die Zielgruppe zufrieden zu stellen. Wenn die Zielgruppe also die allgemeine Öffentlichkeit ist, muss der Text für sie verständlich sein. Wenn hingegen nur Professoren der Neurolinguistik die Zielgruppe bilden, müssen diese den Text verstehen, der Soziologie-Student hingegen nicht. Um das klarzustellen: es geht immer darum, welches Ziel man verfolgt. Menschen wie Oliver Sacks oder Stephen Hawking zeigen, dass man auch sehr komplizierte Sachverhalte verständlich vermitteln kann. Ich finde auch, dass der wissenschaftliche Jargon mehr Pomp als Notwendigkeit ist. Am Ende muss das aber der Autor selbst entscheiden.

Darstellungsformen

Normaler Text ist die einfachste, aber nicht immer die beste Darstellungsform für Informationen. Komplexe Zusammenhänge lassen sich in in einem Diagramm zusammenfassen. Zahlen, die im Text erwähnt werden können im Zusammenhang in einer Tabelle eingeordnet werden. Es geht darum, eine möglichst verständliche Form für die Inhalte zu finden und da sind Texte nicht immer die erste Wahl.

Denke an blinde Nutzer

Vor allem bei Software-Tutorials ist es häufig zu beobachten, dass Screenshots verwendet werden, anstatt zu beschreiben, wie eine Funktion aufgerufen oder durchgeführt wird. Dem Multikanal-Prinzip folgend sollte das Tutorial auch funktionieren, wenn kein Screenshot verwendet wird. Schließlich käme auch niemand auf die Idee, eine Formel in Excel zu schreiben, einen Screenshot von ihr zu machen und diesen dann hochzuladen. Tatsächlich kostet es wesentlich weniger Zeit, den Weg zur Funktion zu beschreiben als jede Menge Screenshots von dem gesamten Prozess zu machen und hochzuladen.

Übungen

  • Such dir bitte Checklisten zum verständlichen Schreiben, im Internet gibt es davon reichlich. Stelle dir daraus deine eigene Checkliste zusammen und – jetzt geht es los – wende sie auf zwei bis drei Texte an, die du selbst geschrieben hast. Eine nette Spielerei ist auch der kostenlose Blabla-Meter, wo man Texte auf heiße Luft checken kann.
  • Überlege dir auch, an welcher Stelle eine Tabelle oder Visualisierung sinnvoll gewesen wäre. Beobachte, wie Profis in gedruckten Magazinen damit umgehen.

Lektüreempfehlungen

  • In meinem Buch widme ich mich ausführlich dem Thema Verständlichkeit. Dort findet ihr auch eine Liste von Regeln, die ihr für eure Arbeit verwenden könnt.
  • Im bereits empfohlenen Handbuch für Online-Texter und Online-Redakteure von Ingo Lackerbauer gibt es einen großen Abschnitt zum verständlichen Schreiben
  • Ebenfalls empfehlenswert ist der Yahoo! Style Guide, Griffin-Verlag 2010
  • Nicht nur für Diener der öffentlichen Hand lesenswert ist das Handbuch bürgernahe Verwaltungssprache (PDF)
  • Zum Thema Verständlichkeit ist auch das Buch des Altgedienten Journalisten Wolf Schneider zu nennen: Deutsch für Profis. Ich würde nicht alles, was er so schreibt beherzigen, dennoch bietet das Buch gute Hinweise.

Tools

  • Das kostenpflichtige Autorenprogramm Papyrus Autor bietet eine Stilanalyse an.
  • Neben dem bereits erwähnten Bla-Bla-Meter kann man hier seinen Text auf Verständlichkeit testen.
  • Ein weiteres Tool bietet das Schreiblabor.