Wege durch die Website

Sind Bücher eigentlich dazu da, um gelesen zu werden? Oft ja, manchmal dienen sie aber auch nur dazu, in einem Regal zu stehen und die Belesenheit des Regalbesitzers zur Schau zu stellen. Manchmal kann man mit ihnen auch wackelnde Möbel abstützen. Oder wenn es an Brennmaterial mangelt ein Lagerfeuer mit ihnen in Gang halten. Man kann aber auch unliebsame Zeitgenossen mit ihnen bewerfen, sie als Türstopper nutzen oder sie als Briefbeschwerer verwenden, damit der Durchzug nicht die losen Papiere vom Schreibtisch wirbelt.
Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Und das ist auch beim internet so. Eine nennenswerte Zahl von Leuten gibt z. B. eine URL bei Google ein, um dann das erste Suchergebnis aufzurufen, etwa www.facebook.de login.
Sind diese Leute jetzt dumm? Nicht unbedingt, denn schließlich funktioniert es – meistens. Da gibt es eine Geschichte rund um ein Newsportal, wo verzweifelte Facebooker kommentierten, wo denn ihr Profil sei und das ihnen der neue Look von Facebook nicht gefalle.
Nun halten sich die meisten Leute für schlauer als der Rest der Menschheit, für diesen Effekt gibt es sicher einen Namen, ich meine nicht Eitelkeit. Besonders bei Webworkern fehlt das Bewusstsein für Menschen, die weder Computer- noch Internet-Profis sind. Dann sind es aber immer noch die Webworker, die Websites basteln und zumeist für Leute, die eben nicht wissen, was wie warum oder auch nicht funktioniert. Und sie wollen es auch gar nicht wissen. Denn sie wollen genau so wenig Anleitungen lesen wie wir das wollen.
Unter anderem deshalb dürfte Apple mit seinen Produkten erfolgreich sein, weil die Innereien des Betriebssystems und die Feinheiten komplexer Einstellungen ihnen verborgen bleiben können.
Um auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen: Als Webworker kann man nie wissen, was jemand mit einer website anfängt. Ich mache es mir gerne einfach: ich gehe auf den RSS-Feed einer Podcasting-Seite und lade mit der Erweiterung DownThemAll für Firefox auf einen Schlag die letzten zehn Episoden runter. Warum? Weil es einfach zu mühsam ist, mit dem Screenreader sämtliche Download-Links auf den einzelnen Seiten zu finden, die sind allzuoft noch hinter einem albernen und überflüssigen JavaScript-Aufklapp-Irgendwas versteckt, der für den Screenreader nicht zugänglich ist.
Hat irgendein Webdesigner diese Funktion für mich geschaffen? Nein, aber trotzdem danke;-) Für Blinde gibt es geschätzte tausend Wege, eine Website zu erkunden. Voraussetzung dafür ist nicht, dass ein Webdesigner sich vorher Gedanken über eine optimale Navigationsstrategie für Blinde für seine spezielle Website gemacht hat. Die Seite muss einfach ordentlich strukturiert sein mit sprechenden Links, Überschriften verschiedener Ebenen, brauchbaren Alternativtexten für Bilder und so weiter.
Ein guter Webdesigner sollte versuchen, die Website aus der Sicht eines Internet-Novizen zu sehen. Insofern muss ich einige meiner älteren Aussagen über Styleswitcher oder seiteneigene Vergrößerungsfunktionen relativieren. Es gibt viele dieser Funktionen im Betriebssystem oder Browser, aber viele Leute wissen schlicht nichts davon. Sie suchen auf den Seiten nach solchen Funktionen und können eventuell die Texte nicht lesen, weil sie nicht wissen, wie sie sie vergrößern sollen.
Eine Patentlösung gibt es dafür leider nicht. Es bleibt vor allem die Aufforderung: Lernt eure Besucher so gut wie möglich kennen, versucht ihr Feedback einzuholen und vor allem soll die Website so flexibel gehalten werden, dass sie auch andere Zugangsweisen zuläßt. Ich plädiere nicht dafür, eine Website komplett ohne Expertenfunktionalitäten zu schaffen, sondern sie in ihren Grundstrukturen so einfach zu halten, dass auch eure Großmutter sie nach ein paar Minuten bedienen könnte.