Ich bin ein großer Fan von Hörbüchern. Wenn ich nicht gerade arbeite, läuft bei mir von morgens bis abends ein Hörbuch. Um so bedauerlicher ist es, dass Hörbücher für die wissenschaftliche arbeit leider nicht geeignet sind.
Todsünde 1: Zwischenschieberitis
Ein Sehender liest ein Buch nicht Wort für Wort. Wer ein wenig Lese-Erfahrung hat, überspringt kleine Satzteile, die redundant sind. Ein Beispiel dafür ist das „sagte“ in Romanen. Man kann seitenlange Dialoge mit „sagte er, sagte sie, sagte er, sagte er, sagte sie“ abhandeln, ohne dass es jemandem aufstoßen würde, das ist auch kein schlechter Stil. Schlechter Stil ist dagegen „schrie er, weinte sie, grunzte er, schmachtete sie“.
Etwas Ähnliches passiert auch bei wissenschaftlichen Büchern. In solchen Büchern steht gerne mal überflüssiges Zeug wie vgl. Darwin 1848, Seite 2015, als ob der Leser Darwin neben sich liegen hätte und gleich nachschauen würde, ob Darwin auf Seite 2015 tatsächlich so etwas geschrieben hat. Ein Sehender hat es schnell raus, solche Stellen zu überspringen, der Blinde muss sich das anhören und es nervt tierisch. Ich kann nicht sagen, wie oft ich den vorgelesenen Satz vergessen habe, weil der Sprecher so etwas vorgelesen hat.
Todsünde 2: Zeichensalat
Noch etwas schlimmer sind die Sprecher, die meinen, es genauer als genau zu machen. Da wird jedes Anführungszeichen, jedes Ausrufezeichen und jede Klammer und Spezialformatierung vorgelesen, bis der Zuhörer durchdreht. Mal abgesehen davon, dass Ausrufezeichen außerhalb von Groschenromanen als schlechter Stil gelten sind diese Zeichen, wenn sie vorgelesen werden ein absoluter Aufmerksamkeitskiller. Ich habe das Buch, das ich gerade gelesen habe deswegen abgebrochen.
Todsünde 3: Buchstabier meinen Namen
Die dritte Todsünde besteht darin, Begriffe und Namen zu buchstabieren. Das muss wirklich nicht sein, denn inwiefern trägt der Name des Autors irgendeiner anderen Publikation dazu bei, dass man den vorliegenden Text besser versteht?
Rette uns vor den guten Absichten der Vorleser
Das Problem ist nicht, dass diese Informationen enthalten sind, denn wer wissenschaftlich arbeitet, muss tatsächlich zeichengenau zitieren. Das Problem besteht darin, dass man sich das auch anhören muss, wenn man nur an der puren Information interessiert ist. Außerdem bläht es die Hörbücher unheimlich auf, da wird aus einem Buch mit schon stolzen 500 Minuten ein Buch mit 750 Minuten.
Ich weiß nicht, ob es mit DAISY möglich wäre, diese Dinge einfach auszublenden, glaube es aber nicht. Allerdings ist eine größere Zahl von Hörbüchern durch diese Praxis unhörbar geworden.
Wissenschaftliches Arbeiten für Blinde
Das zeigt aber auch, wie schwierig wissenschaftliches Arbeiten für Blinde und Sehbehinderte ist. Obwohl alles, was in den letzten Jahren produziert wurde digital vorlieg, muss man häufig noch mit solchen Krücken wie den Hörbüchern zurecht kommen. Hörbücher sind ein gutes Medium für Literatur und auch gut für populärwissenschaftliche Sachbücher, aber für echte Fachliteratur ungeeignet.
Vor allem in diesem Bereich muss sich der Zugang zur Fachliteratur drastisch verbessern. Ständige Weiterbildung ist heute auch eine Aufgabe, der sich Blinde und Sehbehinderte gegenüber sehen und die ohne den Zugang zur Fachliteratur erschwert ist.