Interview mit Lea Schulz über digital-inklusiven Unterricht


Dies ist das Transkript zum oben eingebetteten Podcast. Alle Tippfehler und Ungenauigkeiten liegen in meiner Verantwortung. Ich spreche mit der Bildungs-Wissenschaftlerin Lea Schulz über den digital-inklusiven Unterricht.
Domingos: herzlich willkommen zu einem neuen Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Heute habe ich wieder einen spannenden Gast dabei nämlich die Lea Schulz. Erstmal herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für diesen Podcast nimmst. Fang doch einfach mal damit an, dass Du Dich den Zuhörenden vorstellst.

Leas Werdegang

Lea: ja super gerne, vielen Dank erst einmal, dass ich da sein darf. Ich bin Sonderpädagogin, habe als Sonderschullehrerin gearbeitet eine ganze Zeit lang und verbinde die Themen digitale Medien und Inklusion zu dem Thema Diklusion, weil ich aus der Perspektive von Schule, von Bildungseinrichtungen gesehen habe, dass diese beiden Themenbereiche häufig getrennt gedacht werden und mein Ansinnen ist es, die beiden zusammenzudenken, um auf der einen Seite Barrieren zu verringern, aber vor allem auf der anderen Seite die Potenziale sichtbarer zu machen. Das ist eigentlich so mein haupteinsatz-Gebiet.
Ich bin im Moment aus Flensburg zugeschaltet, bin hier an der Europa Universität in Flensburg tätig als sogenannter Educational Engineer. Wir beschäftigen uns in einem großen Landesprogramm, das sich um Digitalisierung dreht, rund um unterschiedliche Themengebiete. Also es gibt mehrere Menschen wie mich die daran arbeiten und mein Themengebiet ist eben die diklusion. Das heißt ich bin im Bereich Lehr und Lernszenarien und entwickle neue Ideen für die Lehrkräfte Professionalisierung rund um dieses Themengebiet und natürlich auch für den digital-inklusiven Unterricht. Das ist im Moment mein Haupteinsatzgebiet.
Vorher war ich im Landesinstitut als Studienleiterin und als fort Bildnerin, habe in der Schulentwicklung gearbeitet. Davor war ich Lehrkraft. Und davor habe ich eine Plattform mitentwickeln dürfen: Bettermarks ist vielleicht einigen Lehrkräften bekannt, eine Lernplattform für Mathematik. Und ich habe auch andere Firmen beraten, wie man Lern-Software entwickeln kann, aus der pädagogischen Perspektive heraus. So bin ich im Prinzip auch dahin gekommen zu sagen: Ich möchte gerne Inklusion und digitale Medien zusammendenken und verbinden und noch viel mehr Optionen finden, wie man das gemeinsam denken kann.

Digitaler Unterricht nach Corona

Domingos: Das Thema digitaler Unterricht hast du ja gerade schon angesprochen es gab ja so eine gewisse Aufwärtsbewegung, sage ich mal, als die Coronawelle aufkam, aber das scheint wieder zurückzugehen. Welche Rolle spielt denn jetzt der digitale Unterricht?

Lea: Also ich glaube, dass deine Wahrnehmung da tatsächlich meiner ähnlich ist. Es gab eine ganz große Welle durch Corona und da haben wir auch viele Infrastrukturen geschaffen, die vorher vielleicht nicht als ganz so notwendig erachtet worden sind, Dass die Schulen immer besser ausgestattet werden, also mit Geräten und Fortbildungs-Veranstaltung und WLAN und so weiter, da wurde an vielen Schräubchen gedreht, auch wenn das an vielen Stellen noch nicht ausreichend ist. Aber ich glaube das müssen wir jetzt heute nicht diskutieren. Das war schon eine kleine Revolution in der Zeit, das kann man nicht anders sagen, auch was die Professionalisierung unserer Lehrkräfte anbelangt, hat sich da viel verändert.
Man sieht dennoch seitdem die Pandemie in der Form wie sie vorher war vorbei ist, dass ja durchaus in den Klassenzimmern an einigen Stellen auch wieder ein Schritt zurückgegangen wird: „Na ja, so in der Form brauchen wir das nicht mehr“. ich glaube, dass das auch nicht ganz verkehrt ist, noch mal darüber nachzudenken, welche Rolle digitale Medien für uns in Unterricht eigentlich spielen sollten, also was davon wir vorher benutzt haben, ist etwas, was wir wirklich gut nutzen können, um guten inklusiv individualisierten, aber auch kooperativen kollaborativen Unterricht zu gestalten. Da ist es nicht verkehrt, sich wirklich über die Form von Unterricht und auch die Kultur des Unterrichts zu unterhalten, Wie eigentlich die Kompetenzen für die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler ausgebildet werden können.
Denn ich würde glaube ich nicht unbedingt von digitalem Unterricht sprechen, sondern eher von einem Unterricht, der das analoge und das digitale zusammenbringt und das ganz selbstverständlich in einer Kultur Digitalität sozusagen stattfindet. Dass wir irgendwie gemeinsam lernen und dass man gar nicht sagen muss, das ist jetzt alles digital und das ist alles analog, weil ich Digitales nicht mag oder ähnliches, sondern dass wir wirklich gucken, dass wir die Potenziale aller Medien, die wir einsetzen im Unterricht ausnutzen und trotzdem immer im Hinterkopf haben, das für die Teilhabe an einer digitalisierten Gesellschaft es notwendig ist dass wir ein Bewusstsein sowohl bei allen Lehrkräften schaffen als auch bei allen Schülerinnen und Schülern und auch Kompetenzen ausbilden, damit sie sich in einer digitalisierten Welt bewegen können. Das ist notwendig, um wirklich richtig guten Unterricht machen zu können.
Dass wäre aus meiner Perspektive auch die Rolle, welche die digitalen Medien auf der einen Seite einnehmen, also dieses in die Zukunft gedachte: Welche Kompetenzen brauchen wir eigentlich in der Zukunft. Und wir leben in einer digitalisierten Gesellschaft. Ich kann nur teilhaben, wenn ich diese Kompetenzen entwickle. Aus meiner Perspektive gibt es aber noch eine weitere Rolle von digitalen Medien im Unterricht: Denn es geht auch darum, dass wir das Lehren und Lernen revolutionieren und in einer Kultur der Digitalität das Lehren und Lernen nicht nur aufgrund der digitalen Kompetenzen, die entwickelt werden könnten, revolutionieren, sondern auch aufgrund der Potenziale, die wir ausschöpfen können. Gerade für Heterogenität in Klassen, gerade für Klassen, die sehr unterschiedlich sind oder Schülerinnen und Schüler, die alle sehr unterschiedlich sind, egal bei welcher Zusammensetzung dieser Klassen, es ist umso notwendiger, dass wir dort digitale Medien eben z.B. auch für Individualisierungs-Prozesse zu Veranschaulichung für die Optionen: Mal auch Bedienungshilfen nutzen zu können oder auch für Optionen der Präsentation, der Gestaltung, der Kreativität. Es gibt sehr viele Bereiche, die hiermit reinziehen, aus meiner Perspektive, die die Rolle von digitalen Medien eben auch für den Unterricht beschreiben, um wirklich richtig guten inklusiven Unterrichtgestalten zu können.

Fragen im digital-inklusiven Unterricht

Domingos: welche Herausforderung stellt sich denn, wenn man Behinderte Schülerinnen hat, die digital unterrichtet oder inklusiv unterrichtet werden Wollen?

Lea: Herausforderung gibt es da eine ganze Menge. Ich glaube, das Erste worüber wir sprechen müssten, ist die Frage, was mit behinderten Schülerinnen gemeint ist und was mit Zugänglichkeit gemeint ist, denn Zugänglichkeit bedeutet am Ende für jeden Schüler und jede Schülerin was anderes. Also Zugänglichkeit heißt am Ende, ich möchte gerne einen Inhalt, eine Kompetenz erwerben, ein Wissen erwerben, vielleicht auch innerhalb von Bildungsprozessen oder innerhalb von digitalem Unterricht. Und Zugänglichkeit bedeutet an dieser Stelle, dass ich als Lehrkraft und oder eben auch unsere Bildungsinstitution Schule dazu in der Lage ist, Barrieren so zu verringern, dass alle teilhaben können und das ist natürlich aus den einzelnen Perspektiven der Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich. Was braucht ein Schüler oder eine Schülerin mit einer Sehbeeinträchtigung, braucht sicherlich keine Visualisierung, während eine Visualisierung für einen Schüler oder eine Schülerin mit einer kognitiven Beeinträchtigung unglaublich wichtig ist, um inhaltliche Prozesse verstehen zu können.
Und so finde ich sieht man schon, was die Herausforderung des Unterrichts anbelangt, dass wir mit den üblichen barrierefreiheits-Kriterien, die z.B. angelegt werden, wenn es darum geht Webseiten zu gestalten oder ähnliches, dass wir mit diesen Ideen in der Pädagogik noch nicht weit genug kommen. Das sind wichtige Grundlagen, ganz sicher. Wir müssen aber innerhalb der Pädagogik dazu in der Lage sein, auf den einzelnen abzuzielen. Das heißt, wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler kennen, wir müssen wissen an welchen Stellen vielleicht Barrieren da sein könnten die sind manchmal offensichtlich. Also wenn ich weiß da liegt eine Sehbeeinträchtigung vor, dann weiß ich, dass ich darauf reagieren muss. Manchmal sind sie aber nicht offensichtlich, z.B. wenn ich vielleicht noch nicht weiß, weil ich noch relativ neu als Lehrkraft in einer Klasse bin, über welche Strategien, über welche Lernstrategien ein Schüler oder eine Schülerin verfügt: Ist sie dazu in der Lage z.B., ein bestimmtes Programm zu bedienen oder weiß sie oder er, wie man eine PowerPoint Präsentation aus einem inhaltlichen Text erstellt, ist sie dazu in der Lage, aus einem Text die wichtigsten Inhalte rauszufiltern. Das sind also ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Oder habe ich überhaupt zu Hause. z.B. Zugang zu Endgeräten. Das ist ja immer das, was unter dem Digital Gap auch verstanden wird, zumindest ein Level, dass man sagt, wir müssen überhaupt erstmal einen Zugang schaffen zu Endgeräten.
Deshalb würde ich sagen, also ja wir müssen über Barrierefreiheit nachdenken sicherlich, um diese Herausforderungen bewältigen zu können. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch ganz stark über Adaptivität sprechen. Wir müssen uns also gut angucken wo stehen unsere Schülerinnen und Schüler, was ist der nächste Schritt, was sind Barrieren, die vielleicht im Weg sind und welche Technologien – oder manchmal sind es auch keine Technologien – welche Medien können wir einsetzen, um Schülerinnen und Schülern die Option und die Möglichkeit zu geben, dass sie lernen können. Und von daher haben wir gerade beim Einsatz von digitalen Medien viele Herausforderungen.
Ich glaube, die eine Herausforderung ist eben diese Adaptivität: Ich muss also darum wissen, was eine Barriere sein könnte. Ich muss auch wissen, wo die Schülerinnen und Schüler aktuell stehen, damit ich in der Zone der nächsten Entwicklung quasi Lernangebote gestalten kann. Dann haben wir aber auch die Herausforderung, dass wir mit Lernmedien häufig arbeiten, die eben noch nicht einem Qualitätscheck unterliegen, also wo ich eben noch nicht davon ausgehen kann, dass sie erstmal von der Grundlage her barrierefrei angelegt sind. Und dann muss ich als Lehrkraft auch noch dazu in der Lage sein, die Lernmedien so einzusetzen, dass ich sie eben individualisieren kann, dass ich das in der Lage bin, dort zu differenzieren. Also ich finde ein tolles Beispiel du hast ja vorhin schon die Pandemie angesprochen tolles Beispiel dazu ist eigentlich direkt in der Pandemie entstanden. Viele Lehrkräfte haben ja also rund um die Uhr die Anton App eingesetzt, die ist da ja wirklich geboomt in der Zeit. Und die haben auch wirklich interessante Inhalte entwickelt. Nur häufig wurde die Anton App eher so eingesetzt, dass man gesagt hat: „so dann übt mal bitte alle in der Klasse 5 die und die Aufgaben zu Bruchrechnung“ – das wurde im Prinzip gar nicht differenziert, wurde vielleicht auch gar nicht geguckt ob die Schülerinnen und Schüler zu Hause überhaupt dazu in der Lage waren, die App herunterzuladen, ist die App überhaupt zugänglich bei Hörbeeinträchtigung, Sehbeeinträchtigung oder vielleicht auch sowas wie schriftsprachlichen Schwierigkeiten. Sind Schülerinnen und Schüler überhaupt jetzt in der Lage die Aufgaben zu lesen, die dort sichtbar waren. Und das ist bis heute denke ich eine Herausforderung, die sichtbar macht.
Ich muss mit den Apps oder auch mit der Software, die ich nutze, eben auch umgehen können und lernen damit umzugehen. Und dafür brauche ich als Lehrkraft natürlich eben eine Menge Kompetenzen in dem Bereich. Ich muss die Apps kennen, ich muss wissen, wo meine Schülerinnen und Schüler stehen, ich muss dazu in der Lage sein, eine digital inklusive Lernumgebung für meine Schülerinnen und Schüler zu schaffen, damit sie eben alle möglichst gut lernen können.

Vorteile des digital-hybriden Unterrichts

Domingos: Die Inklusion im Unterricht wird ja generell viel diskutiert. Siehst du spezielle Vorteile im digitalen oder hybriden Unterricht für die Inklusion?

Lea: Damit beschäftige ich mich schon ganz lange – ich finde es bietet eine gute Option für bestimmte Bereiche. So muss man das vielleicht sagen. Ich finde diese Flexibilisierung des Lernens, das ist ja letztendlich auch das wie, wie wir in der Erwachsenenbildung lernen. Wir suchen nach einer bestimmten Motivation heraus uns bestimmte Fortbildungs-Veranstaltungen oder Vorträge oder Workshops auch online zusammen, für die wir Interesse haben. Wir nutzen die Zeiten, zu denen uns das gut passt oder an denen wir besonders gut lernen können oder ähnliches. So nehmen wir die Lern-Angebote an, die Online da sind. Das würde ich mir für unsere Schülerinnen und Schüler auch wünschen. Dass ist diese Option: Je älter sie werden und je besser Sie dazu in der Lage sind ihre Lernprozesse auch selbst zu organisieren, zu strukturieren – dazu muss ich sie natürlich anleiten und sie unterstützen darin, dass sie dazu in der Lage sind ihren Lernprozess zu organisieren. Dass man also eben sich Ziele vornimmt oder eben bestimmte Dinge auch durchhält oder eine Aufgabe bis zum Ende bringt oder dazu in der Lage ist, sich auch einen Plan zu machen: Was möchte ich eigentlich lernen wo sind meine Prioritäten, was sind jetzt eigentlich die ersten Ziele, die ich erreichen möchte, welche Aufgaben muss ich dafür erledigen und so weiter. In welchen Zeiträumen mache ich das.
Das ist mein persönlicher Anspruch an Schule, dass wir genau das auch schaffen. Diese Form von Lernstruktur oder Lernorganisation. Und wenn wir in diesem Prozess eben das geschafft haben oder dabei sind das zu schaffen dann können wir natürlich auch immer mehr diese Lernformate auch flexibilisieren. Und dazu würde für mich auch ein vollkommen digitaler Unterricht gehören.
Ich würde gerne noch eine Perspektive mehr aufwerfen. Das ist die die Flexibilisierung des Lernens. grundsätzlich, dass ich eben auch zu anderen Zeiten, an anderen Orten und so weiter lernen kann, für alle Schülerinnen und Schüler grundsätzlich. Und dann öffnet das die Tür dahin, dass wir gerade für bestimmte Risikogruppen oder für Schülerinnen und Schüler, die z.B. teilweise nicht am Unterricht teilnehmen können, an Präsenzunterricht, eine Option der Teilhabe bieten. Ein Beispiel: Wir haben hier in der Nähe eine Schülerin an einer Schule, bei der wurde Diabetes festgestellt und die muss jetzt für mehrere Wochen zur Einstellung in die Reha. Das ist ja jetzt nicht total selten. Es kommt häufiger vor im schulischen Kontext, dass jegliche Form von Erkrankungen beispielsweise ein Ausschluss sind und deswegen gibt es häufig sowas wie Krankenhaus-Lehrkräfte und so weiter. Und für diese Schülerin gäbe es die Option, sich in den Unterricht zuzuschalten, z.B. über so kleine Roboter da gibt es den AV1 oder den Dübel oder so verschiedene Optionen, sich über kleine Roboter oder auch über einfach eine Hybride Form des Unterrichts hinzuschalten zu können. Die Roboter bieten eben auch die Option, auch an kooperativen Prozessen noch besser teilhaben zu können. Also nicht nur die Präsentation am Anfang beispielsweise mitbekommt, wenn es eine gibt, sondern eben auch wirklich man gemeinsam in Gruppen arbeiten kann. Je älter die Schülerinnen und Schüler sind, umso einfacher ist sowas auch über Videokonferenzen zu organisieren. Aber gerade für die Jüngeren ist so eine Robotis Variante dann irgendwie doch deutlich besser. Das ist natürlich eine schöne Form der Teilhabe. Wenn ich krank bin oder eben aus Krankheitsgründen nicht teilhaben kann, habe ich die Option, das muss eine Option bleiben, teilhaben zu dürfen, wenn ich mich danach fühle. Da gibt es durchaus Studien, die dazu auch stattgefunden haben. Und man weiß mittlerweile, dass das für viele Schülerinnen und Schüler viel einfacher ist, die Anbindung an der Klasse zu halten, also in diesem sozialen Kontext meiner Klasse bleiben kann und immer wieder auch im Bewusstsein der anderen Schülerinnen und Schüler bin und es für mich leichter ist zurückzukehren, weil ich ja eben im Prinzip eine ganze Menge dann doch noch mitbekommen habe, obwohl ich nicht da war.
Ähnliche Optionen gelten natürlich für Schülerinnen und Schüler, die Schwierigkeiten haben, sich in so einem großen Klassen Kontext aufzuhalten, wir haben Schülerinnen und Schüler, Beispiel ist Autismus-Spektrum, das stimmt tatsächlich aber nicht immer aber bei einigen Schülerinnen und Schülern die einfach das nicht aushalten können über einen gesamten Vormittag in so einer großen Gruppe sich aufzuhalten und auch da wäre eine flexibilisierungs-Möglichkeit zu sagen ihr dürft eben an bestimmten Tagen auch die Option Ergreifen, von zuhause teilzuhaben. Voraussetzungen sind dafür aber richtig gute Reflektions-Prozesse, also immer wieder in Kontakt treten mit allen Schülerinnen und Schülern, die eben diese Flexibilisierung nutzen und eben zu gucken und zu reflektieren, passt es noch zu ihren Lernzielen, schaffen sie zu Hause Dinge zu erarbeiten oder haben Sie vielleicht auch nicht genug Raum zuhause, in Ruhe auch Aufgaben zu erledigen oder ihre Ziele zu erreichen, die sie sich vorgenommen haben. Das gehört natürlich auch dazu, also diese Form von Flexibilisierung. Ich glaube, dass da große Optionen drinstecken. Ich glaube aber auch, dass wir sehr gut darin sein müssen, dass dann auch wirklich gut pädagogisch reflektierend zu begleiten.

Einarbeitung in das Thema

Domingos: Das klingt superspannend. Welche Möglichkeiten haben denn Lehrerinnen, sich in das Thema einzuarbeiten?

LEA: Ich mag die Frage wirklich sehr gerne, weil das tatsächlich eine total Praxisnahe Frage ist und das in der Praxis immer wieder auftritt, genau diese Problematik: Also entweder dass man die Ressourcen nicht hat, weil man sie nicht bezahlen kann oder weil eben die eigenen Kompetenzen vielleicht auch nicht so weitgreifend sind, dass man eben alles gut bedienen kann. Das ist sehr unterschiedlich, aber direkt aus der Praxis herausgegriffen.
Ich würde eine kleine Sache vorschieben wollen: Ich werde immer wieder gerne gefragt: Gibt es eine tolle inklusive App, die ich nennen könnte. Und da kann ich aus eigener Erfahrung immer nur sagen. Nein, also eine App kann nicht inklusiv sein. Es gibt keine inklusiven Apps. Das funktioniert nicht. Mein Unterricht kann inklusiv sein, ich kann eine Lernumgebung inklusiv gestalten, ich kann Inklusion leben oder meine Haltung ist inklusiv, aber eine App kann nicht inklusiv sein. Sie kann vielleicht nach festen Kriterien Barrierefrei sein, da gibt es ja vorgefertigte Kriterien für, darüber könnte man sprechen, aber sie ist eben noch lange nicht inklusiv. Inklusion lebt von meiner Art und Weise zu unterrichten, von meiner Haltung, von dem Einsatz, den ich tätige, um eben die Potenziale meiner Schülerinnen und Schüler zu finden und sie hervorzukehren und sie darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. Und das kann ich schon mit kleinsten Mitteln auch im digitalen Bereich. Ich bin dazu in der Lage, mit relativ einfachen Dingen eine digital inklusive Lernumgebung zu gestalten. Ich würde gar nicht immer von der großen App oder von einer Riesen Lernsoftware als erstes ausgehen, wo man sich ewig einarbeiten muss und wo man einfach viel Zeit verliert, die vielleicht auch noch teuer ist am Ende, sondern ich würde mit kleinen Schritten vorangehen.
Vielleicht ein Beispiel: Wenn ich eine Klasse habe, habe ich mit Sicherheit in fast jeder Klasse mittlerweile Schülerinnen und Schüler mit sprachlichen Schwierigkeiten die der deutschen Sprache nicht gut genug Folgen können , die vielleicht ja bestimmte Wörter aus dem bildungssprachlichen Kontext noch nicht gut genug verstehen die vielleicht auch Schwierigkeiten mit der Satzstellung haben oder einfach eine andere Muttersprache sprechen und mit der deutschen Sprache noch nicht weit genug gekommen sind, dass sie alle Inhalte gut verstehen können also sehr unterschiedlich, sei es Mehrsprachigkeit oder überhaupt eine sprachliche Beeinträchtigung in irgendeiner Form könnte eine Barriere sein. Theoretisch also auch praktisch eigentlich in fast jeder Klasse.
Und da könnte ich in so einer digitalinklusiven Lernumgebung Vorkehrungen treffen. Ich könnte z.B. für mich entscheiden, immer wenn ich irgendwo eine Aufgabenstellung habe, sei es bei einer Stationsarbeit auf einem Aufgabenblatt, sei es vielleicht auch in einer digitalen Lernplattform, wo ich schriftliche Aufgabenstellung anbiete, kann ich ja auch immer gucken, dass ich zu dieser schriftlichen Aufgabenstellung auch eine auditive Aufgabenstellung zur Verfügung stelle.
Das kann ich auf der einen Seite tun, indem ich die Schülerinnen und Schüler dazu befähige, Bedienungshilfen einzusetzen ist eine Variante ist nicht immer ganz einfach sage ich mal. Also gerade für jüngere Schülerinnen und Schüler nicht unbedingt einfach im Zugang, ist aber eine Variante. Ich könnte aber auch gerade bei jüngeren Schülerinnen und Schülern dazu übergehen, z.B. sprechende QR-Codes zu nutzen. Oder ich nutze zusätzlich eingesprochene Aufgabenstellung im Book Creator oder in einem ähnlichen eBook Format, wo man neben Text eben auch noch Audio anbieten kann zusätzlich und so haben die Schülerinnen und Schüler nämlich die Option entweder den Text zu lesen oder sich den vorlesen zu lassen oder vielleicht auch noch mal in eine andere Sprache übersetzen zu lassen und schon habe ich eben den Zugang geschaffen zu einer Aufgabenstellung , die vielleicht vorher keinen Zugang hatte.
Und das ist schon so ein Beispiel, das ist ein kleines Beispiel dafür muss ich jetzt entweder mich mit so einem E-Book auseinandersetzen, die sehr niederschwellig sind. Ich kann immer nur sagen, ich habe damit schon im Kindergarten gearbeitet. Es geht, das schafft man das ist keine Riesen-Herausforderung, damit anzufangen. Oder ich beschäftige mich mit sprechenden QR-Codes, beispielsweise von kidsblock gibt es da eine tolle Variante. Das ist jetzt nur ein Beispiel. Das kann ich natürlich auch mit ganz vielen weiteren Dingen tun. Das heißt ich gucke an welchen Stellen könnten auf der einen Seite Barrieren da sein oder an welchen Stellen habe ich die Möglichkeit, verschiedene Zugänge zu einem Lerngegenstand herzustellen. Es ist immer gut, nicht so festgefahren nur eine Sache anzubieten sondern eben möglichst den Schülerinnen und Schülern die Option zu geben vielleicht zusätzlich ein Video anzuschauen oder sich das als Audio abzuspielen in anderen Sprachen vielleicht Zugänge zu schaffen, bestimmte Fachbegriffe deutlich zu machen, Lernstrategien sichtbar zu machen und so weiter. Abläufe, Zeiten vielleicht zu visualisieren wenn das notwendig ist oder über Töne auch hörbar zu machen, auch das noch eine Variante, verschiedene Zugänge zu schaffen zu den Lerngegenständen. Und das kann ich auch mit sehr wenigen Mitteln.
Natürlich brauche ich irgendwas Digitales im Klassenraum. Ich glaube, da sind wir uns einig. Also irgendwie Geräte müssen am besten natürlich schon vorhanden sein. Ich habe auch schon mit schülereigenen Geräten gearbeitet, aber bin da tatsächlich kein Freund von, weil ich der Meinung bin wir machen hier Bildung in Deutschland und eigentlich sind wir da gar nicht so schlecht drin. Aber Bildung heißt auch Teilhabe. Und Teilhabe heißt Bildungsgerechtigkeit. Und das bedeutet am Ende auch dass Schülerinnen und Schüler einen Zugang zu Endgeräten haben müssen. Deswegen finde ich es einfach schwierig zu sagen: Ja, bringt mal alle eure eigenen Endgeräte mit und dann hat man da sechs Kinder sitzen, die haben halt keins. So und da muss es eine Lösung für geben aus meiner Perspektive. Aber dennoch also ich brauche das eine oder andere Endgerät und kann damit schon eine ganze Menge erreichen.

Domingos: ja cool vielen Dank für die Tipps. Wo können sich denn interessierte Menschen weiter informieren wenn sie sich in das Thema einarbeiten wollen

Lea: ja da gibt’s verschiedene Möglichkeiten. Ich habe eine Webseite, da kann man natürlich gerne mal rauf gucken, da sind ein paar Tipps dabei bei leaschulz.com. Da findet man auch viele Links zu anderen tollen Webseiten, zu tollen Menschen, die da super gute Ideen haben. Und eine zweite Variante ist das Buch „Diklusive Lernwelten“, da haben wir ein Buch herausgegeben, da haben Lehrkräfte, Schülerinnen, Professorinnen, Wissenschaftlerinnen und verschiedene PraktikerInnen ihre Ideen zum digitalinklusiven Lernen zusammengetragen. Und ich finde, das ist eine unglaubliche Bereicherung, diese Ideen Landschaft die sich da auftut die in Deutschland schon vorhanden ist und die wir da über dieses Buch sichtbar gemacht haben. Das kann ich nur empfehlen, da reinzulesen. Es ist tatsächlich auch keine Werbung denn wir haben uns zur Aufgabe gemacht damals dieses Buch auf jeden Fall kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Das heißt, man kann es sich herunterladen auf der Webseite. Also wir verdienen damit kein Geld, will ich damit sagen, sondern das war uns wichtig: Das ist tatsächlich aus dem Social Media Bereich entstanden, dass wir uns da einfach zusammengetan haben und gesagt haben: Wir wollen da gemeinsam etwas erreichen. Und da ist unter anderem eben dieses Buch draus entstanden.

Leas Kanäle

Domingos: Das Buch habe ich auch gelesen, kann ich auf jeden Fall auch weiterempfehlen. Du selbst bist ja auch eine gute Quelle für Informationen. Wo kann man dir denn auf Social Media folgen?

Lea: Noch auf X, ich bin auch bei LinkedIn zu finden, da poste ich im Moment relativ viel, weil ich mit dem ehemaligen Twitter Moment nicht so ganz einverstanden bin. Genau also bei LinkedIn findet man im Moment eine ganze Menge, aber auch bei Instagram und Facebook findet man mich aktuell. Und ansonsten versuche ich auch immer möglichst die aktuellen Dinge auch auf der Webseite festzuhalten. Ich habe noch eine zweite etwas verstecktere Webseite für diejenigen, die gerne so noch ein bisschen mehr in die Praxis eintauchen wollen, habe ich noch eine unter Webseite, die nennt sich praxis.leaschulz.com. Da veröffentlichen wir im Moment immer die Produkte die wir mit unseren beiden Kooperationsschulen hier gemeinsam erstellen rund um das digital-inklusive Lernen. Und da kann man sich ganz viele tolle kreative Dinge angucken, die unsere Studierenden da auch mitentwickelt haben mit den Lehrkräften vor Ort, an unseren Kooperationsschulen.

Domingos, vielen Dank für die Ganzen Infos. Dann wünschen wir dir viel Erfolg bei deinen weiteren Projekten.

Lea: Vielen Dank.