Jedes Feedback hilft weiter – ein Interview mit Ulrike von der Zentralstelle für Barrierefreie Informationstechnik des Landes Bremen


Das ist das Transkript des oben eingebetteten Podcast. Tippfehler und Ungenauigkeiten gehen auf mein Konto. Ich spreche mit Ulrike Peter, Leiterin der Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik.

Domingos: Herzlich willkommen zu einem neuen Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Heute habe ich wieder einen Interview-Gast dabei, nämlich Ulrike Peter von der Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik des Landes Bremen. Erstmal vielen Dank Ulrike, dass du dir die Zeit heute nimmst für diesen Podcast.
Ulrike: Sehr gerne, ich habe mich sehr gefreut auf die Anfrage und freue mich aufs Gespräch.
Domingos: Lass uns damit anfangen, dass Du Dich ganz allgemein mal den Zuhörenden vorstellst.

Ulrikes Weg in die digitale Barrierefreiheit

Ulrike: Also, mein Name ist Ulrike Peter. Ich wohne hier in Bremen und leite eben die Zentralstelle für Barrierefreie Informationstechnik des Landes Bremen und bin aber auch schon länger in dem Bereich tätig. Wir beide haben uns meine ich kennengelernt damals über die Biene den Biene Award der 2003 bis 2010 durch die Aktion Mensch und Stiftung Digitale Chancen durchgeführt wurde damals habe ich da das Prüfverfahren verantwortet und koordiniert.
Domingos: Wie bist du eigentlich zum Thema digitale Barrierefreiheit gekommen?
Ulrike: Ich habe im Studium Assistenz gemacht für zwei Personen die beide also die eine hat unterstützt kommuniziert und die andere hat relativ viel am Computer gearbeitet und sich damit einfach neue Welten erschlossen und es war so eine ganz andere Form sowohl von Kommunikation aber auch von in Kontakt treten für eben diese behinderten Menschen die sonst eher halt auf Briefpost und so angewiesen waren und auch dass sie ihn die Zeitung vorgelesen wurde und da hat das Internet einfach extreme Welten eröffnet und das hat mich motiviert in den Bereich zu gehen. Und dann habe ich nach dem Studium in der angewandten Informatik angefangen zu arbeiten und eben diese Idee für den Biene Award mitentwickelt und noch andere Projekte zu barrierefreien Kommunikation.
Domingos: ,genau du bist ja auch eine derjenigen, die relativ lange dabei sind, wenn man die BIENE-Wettbewerbe kurz erklärt. Das war ein Wettbewerb für barrierefreie Webseiten, der leider dann 2010 die letzte Runde erlebt hat. Und dadurch bist du lange dabei, warst du schon von Anfang an dabei?
Ulrike: Ich war wirklich von Anfang an mit dabei. Also ich hatte mit die Idee entwickelt, ich habe 2002 an der Uni als wissenschaftliche Mitarbeiterin angefangen in dem Bereich und da war eben gerade so die neue Gesetzgebung zur barrierefreien Informationstechnik zum ersten Mal ins Behinderten-Gleichstellungs-Gesetz und wir hatten so überlegt wie kann man denn jetzt die Kommunen oder überhaupt die öffentlichen Stellen motivieren, dieses Gesetz umzusetzen und da war das mit den Biene-Award eine Idee um den besten die Möglichkeit zu geben zu strahlen und zu zeigen, das Barrierefreiheit schön aussehen kann. und das hat das Thema für diese Anfangszeit finde ich schon sehr vorangebracht.

Aufgaben der Überwachung und Durchsetzung

Domingos: Auf jeden Fall. Vielleicht können wir mal auf deine Stellung kommen als Leiterin der Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik des Landes Bremen, was genau macht diese Stelle?
Ulrike: Die Zentralstelle ist beim Landesbehindertenbeauftragten angesiedelt und ist für Bremen die überwachungs- und durchsetzungsstelle nach der EU-Richtlinie 2016 2102. Also alle Bundesländer haben diese zwei Funktionen, mussten die gesetzlich einrichten überwachungs- und durchsetzungsstellen.
Überwachung bedeutet, dass eine bestimmte Anzahl von Webseiten, Apps und Intranet Anwendungen pro Jahr getestet werden. Zu den Tests gibt es dann im Anschluss Beratung. Und die Testergebnisse werden über den Bund konsolidiert an die EU gegeben, damit die EU einen Überblick hat: Wie entwickelt sich denn die digitale Barrierefreiheit in den Mitgliedstaaten weiter.
Und die Durchsetzung ist sozusagen die Beförderung des Rechts behinderter Menschen eben auf barrierefreie Informationstechnik oder digitale Barrierefreiheit und zwischenzeitlich müssen eben alle Webseiten, die unter das Gesetz fallen, eine sogenannte Barrierefreiheits-Erklärung haben, in der dann auch drinsteht, wo man sich hinwenden kann, wenn man Barrieren auf den Seiten findet. Und sollte das Scheitern, also sollte da der Kontakt nicht zustande kommen oder die Person, die sich beschwert hat, sich nicht aufgehoben fühlen oder finden, dass das Anliegen nicht richtig behandelt wurde oder erfolglos blieb, dann kann man sich eben an die durchsetzungsstelle wenden. Das gibt es eben auch in jedem Bundesland und die heißt auch manchmal Schlichtungsstelle oder Beschwerdestelle. Und da kann man sich dann beschweren und meine Rolle ist sozusagen moderierend dann zwischen den Positionen zu vermitteln und eine gute Lösung zu finden damit die Barrieren abgebaut werden.

Häufige Probleme auf Behörden-Seiten

Domingos: Was sind denn die häufigsten Probleme, auf die ihr bei der Prüfung trefft?
Ulrike: Ich würde da so die Ebenen unterscheiden, also wir unterscheiden immer zwischen Design, Entwicklung und Redaktion und geben auch entsprechend unterschiedliche Rückmeldungen. Wir kommentieren unsere Testergebnisse so.
Und beim Design ist es so, dass häufig immer noch die Kontraste in der Grundeinstellung schwierig sind, natürlich lassen die sich anpassen über Browser oder assistive Tools, aber man will natürlich erstmal überhaupt wissen, wo auf der Seite befinde ich mich, was passiert da und dafür ist eben die Beachtung der Kontrastwerte wichtig. Das ist so im Design das, was die Hauptmenge sind.
Bezogen auf die Entwicklung ist die Navigation eine Schwierigkeit und vor allem die Navigation auf mobilen Endgeräten, und zwar sowohl bei nativen Apps aber auch bei Webseiten, die dann in die Mobilversion springen, dass da ganz häufig nicht mehr bedacht wurde von der Entwicklung, dass diese Navigation auch per Tastatur bedienbar sein muss. Mobil, weil da immer nur gedacht wird, naja mobil wird mit Touch bedient, also reicht eine Maus Bedienung und eine entsprechende Steuerung, aber wenn man eben über Screenreader oder auch über Spracheingabe auf die Mobilversion zugreift, dann geht man halt die klassische Tastatur Navigation durch.
Bei der redaktionellen Ebene ist es so, dass natürlich das bekannte Thema Alternativtexte wichtig ist. Immer wieder noch mal eine Schwierigkeit sind dann aber auch sowas wie Kontraste auf Bildern, gerade in Social Media – da wird, wenn dann auf Bildern Text ist, und das stellen wir häufiger fest, dass da auf die Kontraste nicht geachtet wird.
Und auch allgemein der Bereich Verständlichkeit, also wir testen ja vor allem Verwaltungs-Seiten, so was wie eine bürgernahe Verwaltungssprache gibt es auch extra als Fachbegriff, also da ist noch Luft nach oben.

Beschwerden und Feedback von Betroffenen

Domingos: Ihr seid ja auch die Beschwerdestelle des Landes Bremen, das gibt es ja in jedem Bundesland bzw. auch dann für die Bundesrepublik. Mich würde interessieren, was sind denn so die Probleme, die von behinderten Menschen häufig an euch herangetragen werden.
Ulrike: Ein großes Problem sind die PDFs, muss man wirklich sagen, also sowohl Dokumente als auch Formulare, die nicht barrierefrei vorliegen und wo es dann Schwierigkeiten gibt, die einzufordern und dass eben viele Inhalte gar nicht mehr auf Webseiten selber gestellt werden, sondern ausschließlich als PDFs angeboten werden. Dann ist sowas wie eine schnelle Orientierung oder eine gute Strukturierung der Seite, also die zentralen Informationen auf der Seite zu finden das merken wir immer, dass das was ist, was zu einem großen Frust führt, weil die Informationen dann vorhanden sind, aber eben nicht dort wo sie erwartet werden und eigentlich, also eigentlich in Anführungszeichen, liegt es nur am Seitenaufbau und gar nicht so sehr an der Barrierefreiheit, sondern es ist dann doch so tief verschachtelt oder an der Stelle, wo man es nicht vermuten würde. Viele Usability-Kriterien kommen auch noch mal mit rein, zu den eigentlichen barrierefreiheits-Kriterien dazu.
Domingos: Es gibt ja auch seit der EU-Richtlinie von Behördenseite her die Verpflichtung, dass die solche Feedback Mechanismen für betroffene Menschen oder zum Thema Barrierefreiheit bereitstellen müssen und was ich immer höre, ist, dass es relativ wenig genutzt wird. Und mich würde mal deine Perspektive interessieren, warum ist es wichtig, dass betroffene Menschen sich entweder an euch oder halt zuerst vielleicht über diese Feedback -Möglichkeiten sich bei den Behörden melden.
Ulrike: Feedback kann ja in beide Richtungen sein, kann ja sowohl Kritik als auch Lob sein. Und es ist schon so, dass sehen wir schon auch, es gibt einzelne Stellen, die sich richtig viel Mühe geben und da wäre so ein Feedback als Lob einfach auch mal zielführend, na dass sie so wissen, okay es lohnt sich. Oder auch welche die vielleicht schon ein bisschen was gemacht haben, weil da muss man einfach auch sehen, da sitzen Leute dahinter die wurden entsprechend geschult und haben dadurch, dass wir noch keine inklusive Gesellschaft sind, vielleicht gar keine Berührungspunkte zu behinderten Menschen. Und da mal zu sagen hey: „Mensch, mir ist aufgefallen, dass und das geht, ja wunderbar“ ist einfach auch was, was schön wäre und gleichzeitig ist es aber eben auch so, dass das unglaublich wichtig ist, aus der Praxis noch mal zu erfahren, wo liegen die Schwierigkeiten. Das füllt sozusagen die Prüfschritte von der zugrunde liegenden eU-Norm 301549 bzw. der WCAG-richtlinien eben mit Leben. Die Prüfschritte sind konkret, aber spiegeln halt nicht direkt wider, was damit gemeint ist. Und dann das Feedback von Betroffenen zu kriegen und das vermitteln zu können und zu sagen, das Einhalten dieser Kriterien macht Sinn, weil es sonst zu diesen und jenen Schwierigkeiten führt, ist einfach viel anschaulicher als nur immer mit der gesetzeskeule zu winken.
Domingos: Als ich noch ein bisschen für verschiedene Organisationen gearbeitet habe, habe ich ja auch häufiger Feedback zugespielt bekommen von betroffenen Menschen. Das war aber häufig relativ knapp, also sowas wie „funktioniert nicht, habe ich wieder deinstalliert“ oder „ich habe das Formular nicht ausgefüllt, weil es nicht funktioniert, hat“. Wie sollte ein gutes konstruktives Feedback aussehen, damit ihr gut damit weiterarbeiten könnt?
Ulrike: Ich weiß, worauf du hinauswillst, aber ich würde erstmal sagen, jedes Feedback ist willkommen und ich kann total auch verstehen, wenn es heißt, funktioniert nicht, also ich finde überhaupt ein Feedback zu geben ,also ich habe einfach auch gelernt aus dem Austausch mit Betroffenen, die einfach sagen, es gibt das Recht, dass die Sachen barrierefrei sein müssen, warum muss ich mich dann beschweren. Also warum muss ich im Prinzip Leute beraten, die Sachen zu machen, die sie eh machen müssen. Und deswegen glaube ich auch, wird manchmal kein Feedback gegeben, weil einfach auch die eigenen Ressourcen begrenzt sind und man sich genau überlegen muss, wo engagiert man sich. Insofern auf jeden Fall jedes Feedback ist hilfreich und zielführend.
Wenn wir Beschwerden bekommen, frage ich manchmal einfach Nach und da hilft dann eine Offenheit dafür noch mal Fragen gestellt zu bekommen und wenn ich jetzt aber trotzdem so ein Wunsch Szenario aufmachen könnte: Perfekt wäre natürlich eine Beschreibung mit Screenshots oder ein abfilmen, während man eben die Anwendung bedient oder eine Audioaufnahme nebenher mitlaufen zu lassen oder so. Also möglichst viel Information eins zu eins zu haben, das ist natürlich das idealste, weil dann ist es am einfachsten nachvollziehbar, wo denn die Schwierigkeit auch entstanden ist.
Domingos: Ulrike, vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast.

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