Ein Relaunch des BIENE-Wettbewerbs wäre fällig

Den Jüngeren muss ich es erklären, Ältere bekommen verzückte Augen, wenn sie an den BIENE-Wettbewerb denken. 2010 gab es die letzte Ausgabe des Wettbewerbs für barrierefreie Webseiten der Aktion Mensch und der Stiftung Digitale Chancen. Eine Neuauflage könnten wir heute gut gebrauchen.
Der Wettbewerb hat für zahlreiche Dienstleister Anreize gesetzt, sich besonders stark um Barrierefreiheit zu bemühen. Am Ende ging es natürlich darum, einen Preis zu gewinnen und damit zusätzliches Prestige zu bekommen. Was aber auch okay ist, man kann das Richtige aus falschen Gründen tun. Aktuell gibt es für neue Dienstleister wenig Möglichkeiten, sich in diesem Bereich zu etablieren. Ein Wettbewerb würde den Anreiz erhöhen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Selbiges galt auch für zahlreiche Organisationen: Wir kennen das ja schon aus anderen Bereichen: Es gibt ja so viele journalistische Preise, dass jede Journalistin mindestens einmal im Jahr einen gewinnen und sich damit schmücken müsste. Ich erinnere mich an einen Onlineshop, den man ohne den BIENE-Wettbewerb vermutlich nicht gekannt hätte.
Das Ganze hat auch einen gewissen PR-Effekt gehabt. Es war nicht superviel, aber immerhin hat auch außerhalb der Fachpresse Kommunikation über digitale Barrierefreiheit stattgefunden. Für mein Gefühl hat das Interesse am Thema in den Publikumsmedien nachgelassen.
Leider ist eine Wiederbelebung des Wettbewerbs nicht zu erwarten. Ich darf nicht zuviel verraten, aber der Aufwand hinter dem Wettbewerb war enorm, der fachliche Beirat, das Sichten der Einreichungen, die Übergabe etc. haben viel Geld und Personal gekostet. So was kann nur eine wohlhabende Organisation wie die Aktion Mensch stemmen, da ist aber bezüglich digitaler Barrierefreiheit meines Erachtens nichts mehr zu erwarten. Auch Bundesministerien oder -Ämter könnten die finanziellen und personellen Ressourcen aufbringen, hier weiß ich aber nicht, ob das aus ihrer Sicht opportun wäre. Immerhin wollen sie ja auch ihre eigenen Websites einreichen.
Für große Unternehmen wäre es kein Problem, einen solchen Wettbewerb zu finanzieren. Allerdings gibt es für sie kaum einen Grund, das zu tun. Es gibt keine großen Barrierefreiheits-Agenturen in Deutschland. Und natürlich könnte man sich nicht selbst prämieren.
Aber träumen wir einmal weiter: Wie müsste ein solcher Wettbewerb heute aussehen? Natürlich müsste er über Websites hinausgehen: Native Apps, Leichte-Sprache-Texte oder eBooks bzw. PDFs müssten ebenfalls prämiert werden. Das schnöde Abprüfen von WCAG-Kriterien wäre nicht sinnvoll. Vielmehr müsste ein Gesamtpaket aus technischer Prüfung, User Experience für Behinderte und visueller Attraktivität bewertet werden. Das ist kompliziert, aber durchaus machbar.
So eine Art Publikumspreis fände ich auch nicht schlecht: Also dass Lösungen auch von behinderten Menschen bewertet werden.
Einen so großen Beirat halte ich hingegen nicht mehr für sinnvoll. Wir brauchen neue Wege der Partizipation, das heißt aber nicht, dass jeder Verband mitreden sollte.
Aus den oben genannten Gründen glaube ich nicht, dass es noch mal so einen Wettbewerb geben wird. Wünschen kann man es sich allerdings.