Gefangen in mangelnder Barrierefreiheit

Stilisierte Figur hinter GitternMan ist sich einig darüber, dass Barrierefreiheit ein Menschenrecht und eine Voraussetzung für Teilhabe ist. Manchmal scheinen diese Begriffe nicht plastisch genug: Barrierefreiheit ist eine Voraussetzung für Freiheit, das sollten wir uns bewusst machen.
Die Freiheit behinderter Menschen wird durch mangelhafte Barrierefreiheit eingeschränkt: Menschen mit Rollator oder Rollstuhl können nicht wohnen, wo sie wollen, nicht dorthin fahren, wo sie wollen oder das tun, was sie wollen.
Ich muss das hier nicht weiter ausführen, Leute wie Raul Krauthausen und viele andere haben das in hunderten Beiträgen ausführlich dargestellt. Selbst wenn man das Glück einer barrierefreien und angemessenen Wohnung, ein eigenes geeignetes Auto und Assistenzen hat, stößt man am Ziel oder auf dem Weg dorthin doch immer wieder auf Stufen.
Damit sind wir immer noch priviligiert gegenüber vielen älteren Menschen, die wegen mangelnder Barrierefreiheit ihre Wohnung nicht verlassen können. Über diese Menschen, die mangels Verwandten, die sich um sie kümmern komplett von fremder Hilfe abhängig sind, wird wenig berichtet. Bloggen oder Twittern können sie meistens nicht, sie sind also nicht nur gefangen, sondern auch stumm, was ihre Präsenz in Old und Social Media angeht. Sie sind unsichtbar und vergessen, aus den Augen, aus dem Sinn. Bleibt nur die Frage, warum wir das unseren Senior:Innen antun.
Wir machen uns nicht klar, wie viele Menschen davon betroffen sind und das die Zahl durch den demografischen Wandel drastisch zunehmen wird. Stellen wir uns vor, dass die Zahl der Personen mit Rollator oder jenen mit altersbedingten Augenerkrankungen in den nächsten Jahren drastisch zunehmen wird. Wir sind nicht so weit weg davon, dass 1 von 10 Menschen betroffen sein wird.
In den USA ist natürlich nicht alles toll. Aber mit dem Americans with Disabilities Act haben sie einen mittlerweile uneinholbaren Vorsprung, was barrierefreie Umgebungen angeht. Dieser Vorsprung wird immer größer, weil die EU sich standhaft weigert, ähnliche Vorschriften umzusetzen. Ja, öffentliche Gebäude sind mittlerweile recht gut zugänglich, aber außer den dort Arbeitenden möchte niemand mehr als ein paar Minuten seines Lebens dort verbringen.
Das Verrückte ist, dass die Verantwortlichen in der Politik irgendwann selbst von dem Problem betroffen sein werden. Sie oder ihre Bezugspersonen werden wahrscheinlich irgendwann eine Behinderung bekommen, die sie an ihrer Teilhabe behindert, im Gegensatz zu uns könnten sie aber etwas dagegen tun, stattdessen bleiben sie passiv oder haben allenfalls zaghafte Ansätze. Es scheint, dass sie an ihrer eigenen Zukunft kein Interesse haben oder ausblenden, dass sie selbst einmal betroffen sein könnten. Es ist das gleiche Trauerspiel wie in der Klimapolitik: Wir wissen eigentlich, was mittelfristig zu tun wäre, aber wir tun es nicht, weil wir nur die kurzfristigen Ziele anschauen. Ich fürchte, das ist ein strukturelles Problem unserer Demokratie, wobei das nicht heißen soll, dass eine gesteuerte Diktatur wie in anderen Ländern besser funktionieren würde: Das sieht man deutlich an China und Corona.
Es bleibt uns nichts übrig, als weiter dafür zu kämpfen, dass die Politik das Thema Barrierefreiheit langfristig ernster nimmt.
Caught in a lack of Accessibility