Wohl kaum etwas ist so relativ wie das Wort teuer. Barrierefreiheit ist so teuer, höre ich von vielen Kunden, natürlich nicht offen, aber das Ghosting nach dem Angebot spricht für sich.
Nun ist es richtig, dass Barrierefreiheit teuer ist, vor allem, wenn man aus der Perspektive einer Privatperson darauf schaut. 1000 € pro Tag und mehr sind kein Pappenstiel. Und doch relativiert sich alles, wenn man einmal selbständig war. Dann wundert man sich eher, dass Handwerkerinnen wie Friseure, Klempner und so weiter mit den hohen Kosten und dem nicht so üppigen Einkommen zurecht kommen, ganz zu schweigen von der unendlichen deutschen Bürokratie.
Sonderbar ist auch, wofür dann doch Geld ausgegeben wird. Was kostet zum Beispiel eine Image-Broschüre, ein eigener Font, ein Image-Video oder gar ein komplettes Corporate Design, welches zahlreiche Körperschaften der öffentlichen Hand an Externe beauftragen? Kleiner Tipp: Mit 10.000 € kommt man da selten hin. Ich kriege so am Rande mit, wie viele Dienstleister vor allem von Ministerien beauftragt werden und da fließen Summen, bei denen man Haar-Ausfall bekommt. Für Dienstleistungen, die sinnvoll sind und manchmal auch nicht. Und ein offenes Geheimnis – die großen der Branche begnügen sich nicht mit 2000 € pro Tag. Wenn der Geschäftsführer – meistens ein Mann mit Doktortitel – in den Call kommt, sind es schon mal 1000 € die Stunde.
Auch leisten es sich viele Kommunen, unsinnige Fach-Anwendungen entwickeln zu lassen. Unsinnig, weil jede Kommune ihr eigenes Süppchen kocht statt bestehende Lösungen zu nutzen.
Auch über die Kosten von Websites und Apps wird diskutiert. Zu Unrecht, wenn man sich die heutigen Prozesse anschaut: Da sind so viele Leute und so viele Projekt-Schritte involviert, dass die Kosten in aller Regel gerechtfertigt sind und genau kalkuliert werden, weil der Konkurrent nur einen Klick entfernt ist.
Doch es fällt auf, dass das Argument mit den hohen Kosten vor allem beim Thema Barrierefreiheit kommt. Der Pr-Experte darf seine 1500 € pro Tag einstreichen, aber der Barrierefreiheits-Experte soll bitte kostenlos arbeiten. Das ist die Erwartungs-Haltung, die oft dem Kunden ins Gesicht geschrieben steht, die er aus Scham aber natürlich nicht laut ausspricht.
Was sagt das aus? Dass Barrierefreiheit vor allem als netter Zusatz gesehen wird und nicht als Handwerk, das ebenso bezahlt werden muss wie der UX-Profi oder die Entwicklerin.
Weiterhin sagt das aus, dass die Zugänglichkeit für behinderte Menschen von vielen Verantwortlichen nicht als Notwendigkeit, sondern als nettes Extra gesehen wird. Kann man machen, kann man aber auch lassen. Vor allem kann man es aber runterhandeln, runterpriorisieren und „danach“, also nach allem anderen machen, was aus Sicht des Auftraggebers wichtiger ist. „Barrierefreiheit wird später gemacht“ war die lapidare Antwort eines potentiellen Kunden, der sich melden wollte und diesen Anruf ohne Info ausfallen ließ. Gibt es ein aussagekräftigeres Bild für die Geringschätzung der Barrierefreiheit.