Warum Unternehmen von einfacher Sprache profitieren können

Viele Organisationen können in mehrfacher Hinsicht von einfacher Sprache profitieren. Das möchte ich in diesem Beitrag zeigen.
Leichte Sprache richtet sich an Menschen mit Lernbehinderung, früher als geistige behinderung bezeichnet. Die einfache Sprache hat Menschen als Ziel, die zwar lesen können, aber Probleme haben, komplexere Texte zu verstehen. Sie zielt also auf die allgemeine Bevölkerung, während die Leichte Sprache eine klar definierte Zielgruppe hat. Leichte Sprache vereinfacht und kürzt wesentlich stärker als die einfache Sprache.
Die einfache Sprache hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber der Leichten Sprache: Vor allem kann sie von erfahrenen Schreiber:Innen selbst umgesetzt werden, während die Leichte Sprachesehr spezialisiert ist und eine Prüfung durch die Zielgruppe erwartet wird. Mit Publikationen mit geringer Halbwertszeit oder mit schneller Veröffentlichung ist die Leichte Sprache kaum vereinbar.
Was sind nun die Vorteile für Unternehmen und andere Organisationen? Es gibt zum Beispiel Vorteile für die Mitarbeiter:Innen, wenn die Firma divers aufgestellt ist. Viele neue Mitarbeiter:Innen werden aus dem Ausland rekrutiert und sprechen wenig Deutsch. Unsere ohnehin zu komplizierte Sprache ist für sie häufig unverständlich – und nicht nur für sie. Mittlerweile arbeiten auch viele Unternehmen auf Englisch oder mehrsprachig, weil etwa Abteilungen aus anderen Ländern beteiligt sind. Einfache Sprache lässt sich leichter übersetzen und zwar sowohl durch Menschen als auch durch Software – und das natürlich in beide Richtungen, also von Deutsch in Sprache X oder von X nach Deutsch.
Im Prinzip gilt das gleiche auch im B2C- Bereich. Verstehen Sie, was in Ihrem Versicherungsbrief, dem Steuerbescheid oder in der Bedienungsanleitung eines etwas komplexeren Gerätes steht? Wahrscheinlich nicht auf Anhieb. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass wir das nicht mehr hinterfragen. Im Grunde ist das aber reine Kunden-Unfreundlichkeit. Einfache Sprache ist die Kunst, komplexe Dinge verständlich zu machen. Alltagssprache ist die Kunst, komplexe Dinge unverständlich zu machen.
Mittlerweile glaube ich nicht mehr, dass die Verantwortlichen tatsächlich verständlich kommunizieren wollen. Sprache ist eines der letzten großen Distinktions-Merkmale, also eine Möglichkeit, den eigenen Habitus zur Schau zu stellen. Komplizierte Texte schreien hinaus: „Guck mal, ich bin klüger und damit besser als du“. Wir hören seit mindestens 20 Jahren im Rahmen des New Public Management, dass Verwaltungssprache für die Bürgerin verständlicher werden wollen. Wir sprechen seit Jahrzehnten von Entbürokratisierung, genau das Gegenteil passiert, Anträge werden immer komplizierter und die Verwaltung ist kaum noch in der Lage, sie in angemessener Zeit zu bearbeiten.