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Barrierefreiheit bei Google

Google macht wie viele große Software-Konzerne viel Wind um die Barrierefreiheit seiner Produkte. Doch was ist eigentlich dran an den vollmündigen Versprechungen? Leider wenig: Bei Google ist vor allem viel PR und wenig barrierefrei.

Das Bild ist gemischt

während sich bei Android und Chrome sowie Chrome OS einiges getan hat, sieht es bei anderen Produkten durchmischt aus. Tatsächlich hat sich die Barrierefreiheit einiger Produkte in letzter Zeit sogar verschlechtert.
Zu nennen wären hier Google Analytics, die Search Console und Gmail. Pikant daran ist, dass die ersten beiden Produkte häufig am Arbeitsplatz verwendet werden. Google Amerika dürfte damit gegen den Americans-with-Disabilities Act verstoßen.

Google Analytics – für Blinde und Tastaturnutzer praktisch nicht nutzbar

Den größten Murks hat Google mit seinem Dienst Google Analytics angerichtet. Er ist für Blinde und Tastaturnutzer gar icht benutzbar. Man scheitert schon daran, zwischen unterschiedlichen Nutzerkonten und Profilen umzuschalten.
Und leider geht es im gesamten Dienst weiter: Es ist schwierig, einzelne Punkte aus der Unternavigation aufzurufen, in den Inhaltsbereich zu wechseln, sich bestimmte Informationen rauszusuchen… Es ist nicht möglich, den Datumsbereich einzugrenzen, ganz zu schweigen von komplexeren Interaktionen.
Um es klar zu sagen: Das ist eine Diskriminierung blinder Menschen. Google sperrt blinde Internet- und Social-Media-Redakteure von ihrer Arbeit aus.

Search Console und GMail

Das Gleiche gilt auch für die neuen Designs der Search Console und GMail. Offensichtlich werden die gleichen Design-Komponenten für die grafische Oberfläche verwendet. Vermutlich zielt Google auf eine Vereinheitlichung der Benutzeroberfläche ab. Womit aber alle Dienste durch die Bank sich bei der Barrierefreiheit verschlechtern.
Gmail hatte vorher noch den Vorteil, dass man auf eine HTML-Ansicht umschalten konnte. Die war benutzbar, wenn auch ziemlich unkomfortabel. Man war sich offensichtlich selbst bewusst, wie schlecht zugänglich die andere Ansicht für Blinde war. Die HTML-Ansicht ist entweder abgeschafft worden oder für Blinde nicht auffindbar.

Google Docs ohne barrierefreie PDFs

Googles Office-Paket ist die letzte große Lösung, welche nicht die Erstellung barrierefreier PDFs ermöglicht. Google liegt damit am dem gleichen Niveau wie mittelgroße Software-Schmieden. Nur, dass es einige der besten – zumindest aber best-bezahlten -Entwickler der Welt hat. Warum Google das Thema barrierefreie PDFs aussperrt, bleibt deren Geheimnis. Ich möchte wieder auf die amerikanischen Gesetze zur Barrierefreiheit verweisen. Immerhin hofft Google, dass Bildungs-Einrichtungen ihre Lösungen verwenden. Aber diese Einrichtungen benötigen natürlich barrierefreie PDFs.

Androids Talkback liegt Jahre zurück

Android hätte den Charme, dass es Blinden ohne großes Einkommen den Zugang zu Smartphones und dem Internet ermöglicht. Prinzipiell hat sich bei Android viel verbessert. Unter Android 5 und darunter war es praktisch nicht brauchbar. Seit Android 6 funktioniert es prinzipiell.
Allerdings nur prinzipiell und mein Eindruck ist, dass die Verbesserungen nur graduell sind. Android 8 – 10 bieten minimale Verbesserungen. Der Unterschied wird deutlicher, vergleicht man das Ganze mit iOS: Es gibt keine Braille-Eingabe, die Konfigurationsmöglichkeiten sind gering, es gibt keine alternativen kostenlosen Stimmen, keine integrierte Texterkennung, keine Wörterbücher zur Konfiguration der Sprachausgabe…
Natürlich liegt Apple viele Jahre vor Google. Aber selbst der Stand von Apple von vor drei Jahren ist besser als das aktuelle Android 10. Wir müssen feststellen, dass Google schlicht kein Interesse an Talkback und dessen Verbesserung hat.

Es fehlt an Qualitätssicherung

Das zeigt, dass selbst ein Milliarden-Konzern, der das Know-How zur Barrierefreiheit im eigenen Haus hat, vieles falsch machen kann. Offensichtlich sind die Produkte nicht von Blinden auf Barrierefreiheit getestet worden. Das Feedback der Community wird ignoriert.
Peinlich ist auch, dass Google auf Hinweise, die unter anderem von mir kamen, nicht reagiert hat. Das zeigt, dass Barrierefreiheit für Google kein wichtiges Thema ist.
Meine Konsequenz ist, mich so weit wie möglich von Google Produkten zu verabschieden.

Online- Meetup zur digitalen Barrierefreiheit

Stilisierte farbige FigurenDas Meetup wird vorerst nicht mehr stattfinden.

Darum geht es

Beim Meetup habt ihr die Gelegenheit, über digitale Barrierefreiheit zu sprechen. Ihr könnt etwa erzählen, an welchen Projekten ihr gerade arbeitet oder über eure offenen Fragen diskutieren.
Jede teilnehmende Person soll die Möglichkeit haben, sich zu äußern. Es wird also keine 1:1-Beratung oder Ähnliches geben. Breakout-Rooms sind nicht vorgesehen.

Die hier gesammelten Mail-Adressen werden nur zur Versendung des Veranstaltungs-Links bzw. zur Information über die Veranstaltung verwendet. Eine Weitergabe der Mail-Adressen an Dritte findet nicht statt.
Es wird gebeten, per Audio teilzunehmen, die Kamera kann aber ausgeschaltet bleiben.

Anmeldung

Wollt ihr regelmäßig informiert werden, tragt eure Mail in das Formular unter diesem Textabschnitt ein. Der Newsletter wird nur zur Versendung des Links verwendet. Ihr könnt euch jederzeit vom Newsletter abmelden und seid in keinem Fall verpflichtet, zum Meetup zu erscheinen.

Alternativen zur Audio Deskription

MikrofonIch muss zugeben, so richtig überzeugt hat mich die AudioDeskription (AD) – die Filmbeschreibung für Blinde aus dem Off – bisher nicht. Für mich ist es, als ob jemand einen Witz erzählt und mir im gleichen Atemzug die Pointe erklärt. Durch eine kleine Diskussion auf Facebook bin ich zu diesem Beitrag angeregt worden.
Für mich ist das Fernsehen das Medium der 90er. Seit meiner Mittelstufe habe ich immer weniger ferngesehen, das war bis Mitte der 90er. Damals gab es so gut wie keine Sendungen mit AD, zumal bei den amerikanischen Sendungen, die wir damals bevorzugt geschaut haben. Einen Fernseher besitze ich seit vielen Jahren nicht mehr, die Serien auf Netflix interessieren mich nicht. Die wenigen Sendungen, die mich interessiere, lasse ich über einen Online-Service aufzeichnen und höre sie mir dann übers Handy an. Meine Medien sind das Internet und Hörbücher.
Von dem her bin ich nicht uptodate, was die neueste Fernsehtechnik und Fernseh-Ästhetik angeht. Und Blinden, die von Kindesbeinen an mit der AudioDeskription aufgewachsen sind, mag es leichter fallen, sie zu akzeptieren.

Die AudioDeskription ist ein Fremdkörper

Nach meinem Empfinden ist die AD ein Fremdkörper im Film. Normalerweise werden die stillen Teile des Films durch stimmungsvolle Musik untermalt. Musik wirkt sehr unterbewusst und dennoch suggestiv. Durch die AD wird diese Stimmung ein Stück weit unterbrochen. Kommunikationstheoretisch würde man sagen, die Kommunikation wird durch Meta-Kommunikation unterbrochen. Oder plastischer: Stellt euch vor, euer Partner würde sich bei einem romantischem Zusammensein über die Farbe der Kerze und die Qualität des Kerzenwachses auslassen.
Ein Problem besteht auch darin, dass die AD niemals alle blinden Zuschauer befriedigen kann: Entweder berichtet sie zu viel und ist teilweise überflüssig. Oder sie berichtet zu wenig, so dass man auch ganz ohne sie auskäme. Im Prinzip enthält jede Szene tausende von Informationen, die der Sehende auf einen Blick aufnimmt. Die AD kann naturgemäß nur einen Bruchteil davon vermitteln.
Und meines Erachtens kann sie eine Stimmung nicht so rüberbringen wie der eigentliche Film. Aktuell gilt, dass die AD-Stimme monoton wie ein Nachrichtensprecher sein soll. Das ist durchaus generell sinnvoll, aber eine neutrale Stimme kann nur schlecht Emotionen auslösen. Da wäre es besser, die Musik wirken zu lassen.
Konzeptionell wäre es in jedem Fall geschickter, die AD bereits bei der Erstellung des Filmes mit einzu planen. Die Regisseure, Drehbuchautoren oder wer auch immer sollten die nicht-visuelle Ebene von Anfang an stärker gewichten und die Produktion der AD sollte im Film-Team geschehen, dann würden sich einige Probleme von selbst erledigen.

Die AudioDeskription als Teil des Filmes

Und natürlich geht es auch anders. Eine Möglichkeit ist, dass der Moderator in einer Sendung bzw. die Off-Stimme die Aufgabe der Beschreibung übernimmt. Sie kann natürlich nicht so viele Informationen liefern wie eine ausgewachsene AD. Doch ein guter Texter kann genügend Informationen mitgeben, so dass auch der blinde Zuschauer etwas mehr Futter bekommt.
In Filmen kann diese Aufgabe ein Ich-Erzähler übernehmen. Wir kennen das aus Serien wie Magnum, Scrubs oder Malcolm mittendrin. Dort empfindet niemand die Einwürfe als störend, weil sie einfach Teil des Films sind.

Ein Hybrid aus Hörspiel und Film

Und natürlich kennt jeder den Film, der ohne Bild auskommt – das Hörspiel. Ein gutes Hörspiel – davon gibt es nicht so viele – setzt für jede Message das richtige Medium ein: Stimme, Musik, Geräusche, Stille.
Bei unseren sündhaft teuren Hollywood-Blockbustern werden aber diese Faktoren nur wenig eingesetzt: Es kommen natürlich neben dem Visuellen die Stimmen und die Musik zum Einsatz. Aber Geräusche werden im Vergleich zum Hörspiel sehr sparsam eingesetzt. Wie wäre es also, die Geräuschemacher in Filmen stärker zur Geltung kommen zu lassen? Dadurch könnte man wesentlich mehr Informationen transportieren, ohne dass jemand reinquatschen muss.
Nebenbei hätte das Ganze den Vorteil, dass die AD auch von Sehbehinderten – die auch profitieren würden – stärker akzeptiert würden. Entweder wissen sie gar nicht, dass es sie gibt. Oder sie lehnen sie ab, weil sie sie nervig finden.

Weitere Tipps

Mein Rückblick auf das m-Enabling-Forum 2018 auf der Rehacare in Düsseldorf

Am 27.9.2018 fand das M-Enabling-Forum 2018 in Düsseldorf parallel zur Rehacare statt. Es war ein reichhaltiger Tag. Heute gibts einen kleinen Rückblick. Leider weiß ich nicht, ob und wie die Teilnehmer ihre Inhalte online stellen. Wenn das passiert, werde ich das hier verlinken.

Organisation

Für meinen Geschmack organisatorisch nicht ganz geschickt: Konferenzen sollten frühestens um 10 Uhr beginnen. Und 9 Stunden waren dann zu viel des Guten.
Ein offenes W-Lan fürs Twittern wäre auch nett gewesen. Hier hat man Potential für die Öffentlichkeitsarbeit verschenkt. Im Saal selbst gab es gar keinen Mobil-Empfang, auch ein wenig seltsam für eine Messe Düsseldorf.
Auch hätte man mehr Interaktionen und Interaktionsmöglichkeiten mit dem Publikum ermöglichen sollen. So glich es eher einer Produkt-Schau

Das Programm

Wenn man ein paar dieser Konferenzen besucht hat und im Thema ist, erfahrt man irgendwann nichts mehr Neues. Im Vordergrund steht vor allem der Austausch unter den Besuchern.
Interessant und für mich neu waren die Bemühungen, Barrierefreiheit zu zertifizieren. Ich selbst bin kein Fan solcher Programme. Sie riechen immer ein wenig nach Stempel drauf und für die nächsten zehn Jahre erledigt. Doch mag es in einigen Fällen sinnvoll sein.

Apple nervt

Nervtötend war das Statement von apple. Ich nutze gerne die Geräte von Apple. Was mich allerdings ärgert ist, wenn ein Konzern, der fast 1 BillionenDollar wert ist so tut, als ob Barrierefreiheit für ihn kein Geschäftsfaktor wäre. – Die Eyes-Free-Technologien zum Beispiel kommen auch Autofahrern zugute. Es gibt reichlich Blinde, welche gleich mehrere Produkte von Apple besitzen. Da kann man nicht ernsthaft so tun, als ob Barrierefreiheit reine Wohltätigkeit wäre. Wohlgemerkt, es stört mich nicht, dass Apple damit Geld verdient, sondern dass sie so tun, als ob das nicht so wäre. So ist Apple kein Vorbild für andere Unternehmen, die Barrierefreiheit ernst zu nehmen. Denn es kommt bei apple so rüber, als ob sie für die Barrierefreiheit drauf zahlen müssten. Es wäre dann ein Verlust-Geschäft, so gewinnt man in der Privat-Wirtschaft keine Freunde für die Barrierefreiheit, sondern schadet ihr indirekt.
Absurd wird es dann, wenn Apple Pseudo-Entwicklungen für sich reklamiert. Armbänder zur Sturzmeldung und tragbare Notruf-Systeme gab es schon lange. Wenn man Apple so hört könnte man meinen, sie hätten es für die Apple Watch erfunden. Und die App Kurzbefehle ist sicherlich nett, früher nannten wir das Makros und brauchen es vor allem, weil Siri so miserabel ist. Hier stellt sich eher die Frage, warum es das nicht schon in iOS 6 gab.

Fazit: Rausgehen oder reinholen

Und hier noch meine drei nicht ganz neuen Erkentnisse aus der Konferenz:
Erstens: Es ist zwar immer nett in der Barrierefreiheits-Szene. Diese ist aber klein und scheint mir in der Zeit, in der ich dabei war kaum gewachsen zu sein.
Entweder geht man aus der Szene raus, zum Beispiel auf andere Messen oder Kongresse. Oder man holt diese Leute gezielt rein.
Meine zweite Erkenntnis: Es fehlt eine zentrale Instanz, die Informationen und Nachrichten zur Barrierefreiheit bündelt. Es gibt viele Projekte, die einfach nicht bekannt sind. Die Szene ist nicht nur in Deutschland sehr atomisiert. Es bräuchte ein neues Einfach für alle.
Meine dritte Erkenntnis ist, dass zu wenig über existierende Bedienungshilfen aufgeklärt wird. Von den drei großen Software-Anbietern Apple, Google und Microsoft macht es letzteres am besten: Bei Microsoft bekommt man die Bedienungshilfen schon bei der Erst-Installation und im Anmeldebildschirm angeboten. Bei Apple und Google muss man – zumindest in den mobilen Betriebssystemen – danach suchen. Das heißt, man muss im Prinzip schon wissen, dass es Hilfen gibt. Dafür gibt es keinen nachvollziehbaren Grund. Ich habe gerade erst ein Android-Phone eingerichtet und ihr würdet gar nicht glauben, wie viel Platz auf dem ersten Screen ist, auf jeden Fall genug, um den Start von Bedienungshilfen anzubieten. Wenn ihr das lest, ihr Großen Drei, bitte mehr Geld in Aufklärung und weniger in PR-Maßnahmen stecken.

Nachtrag: Leider nicht geliefert

Einen Kritikpunkt muss ich an den Organisatoren noch loswerden: Den Teilnehmern wurden die Präsentationen zu den Vorträgen versprochen. Diese sind leider bis heute (August 2019) nicht geliefert worden. Das ist sehr schade, weil ich ein paar Sachen nachlesen wollte. Das sieht mir leider nicht nach Professsionalität aus.

Deutsche Post/DHL und Barrierefreiheit

Blick auf den PosttowerLeider nimmt die Deutsche Post/DHL das Thema Barrierefreiheit nicht besonders ernst. Zumindest muss man zu diesem Schluss kommen, wenn man sich die Website der Deutschen Post/DHL anschaut. Schauen wir uns ein paar Beispiele an.

Die Website

Mittlerweile scheitert man bei DHL schon am Login. Es ist mit NVDA in Kombination mit dem Firefox nicht mit den üblichen Techniken möglich, den Login-Dialog aufzurufen. So etwas sieht man heute wirklich selten.
Kriegt man es doch irgendwie hin, steht man vor dem nächsten Problem: Ein doppeltes Captcha. Zunächst soll man ein Häkchen setzen, was ja in Ordnung ist. Doch dann taucht ein Bilder-Captcha auf, das man lösen soll. Für Blinde ist das natürlich nicht möglich, für Sehbehinderte zumindest schwierig. Die Audio-Alternative ist keine Alternative, vollkommen unverständlich. Mir war nicht einmal klar, ob da Buchstaben oder Worte gemurmelt werden.
Insgesamt leuchtet es nicht ein, warum man für einen normalen Login ein Captcha lösen soll. Selbst Google, das ja sehr auf Sichherheit fixiert ist, macht das nicht. Im Online-Banking habe ich so etwas noch nie gesehen, und dort geht es ja tatsächlich um sensible Bereiche. Im Übrigen ist nach einhelliger Meinung bereits das Setzen des Häkchens als Sicherheitsmaßnahme vollkommen ausreichend. Warum die Deutsche Post/DHL eine Extra-Portion Sicherheit für einen einfachen Login braucht und dafür Blinde aussperrt, bleibt deren Geheimnis. Diese Barriere ist also vollkommen überflüssig und ohne Not entstanden.
Um es einmal klar auszusprechen: Aktuell ist es für Blinde nicht möglich, sich bei der Deutschen Post/DHL einzuloggen. Ein solches Kunststück an schlechter Zugänglichkeit findet man selten.
Doch selbst, wenn der Login gelingt, geht das Elend weiter. Die Seiten zum Kauf der Paketmarken sind code-mäßig irgendwann in den Nuller-Jahhren stecken geblieben, technisch absolut mittelmäßig. Buttons zum Beispiel sind nicht nach HTML-Standard umgesetzt, sondern einfach nur verlinkte Grafiken. Ich könnte weitere Beispiele aufzählen, aber leider kann ich mich nicht einloggen.

Die Packstation

Die Packstation ist für Blinde gar nicht benutzbar. Überlegungen, sie für Blinde nutzbar zu machen, werden offenbar gar nicht angestellt. Da das bei Geldautomaten schon funktioniert, stellt sich die Frage, warum es bei der Packstation nicht gehen sollte. Das ist deshalb wichtig, weil oft Pakete nicht in die Filiale, sondern in eine Packstation umgeleitet werden.
Aber auch für Sehbehinderte hat sich die Situation stetig verschlechtert.

  • Weiße Schrift auf rotem Grund verschlechtert die Lesbarkeit
  • Ziffern müssen mühsam auf dem Touch-Display eingegeben werden statt bequem über den vorhandenen Nummernblock.

Hat man den PIN einmal falsch eingegeben, was schnell passieren kann, muss man den Login komplett neu durchführen. Zwischenzeitlich musste man sogar die Kundennummer über das Display eingeben, vollkommen sinnfrei, weil man die Goldcard bereits in das Gerät gesteckt hat. Wer die Goldcard hat, hat auch die Nummer, Sicherheitsaspekte können also nicht der Grund dafür sein. Man könnte meinen, DHL habe ein Faible dafür, Dinge möglichst kompliziert und barriere-unfrei zu machen.
die Schriftgröße ist nicht änderbar. Standardmäßig ist sie sehr klein, doch bietet das Display viel Platz für größere Schrift. Warum man den Platz nicht nutzt oder Vergrößerungsmöglichkeiten sowie eine kontrastreiche Ansicht anbietet, bleibt das Geheimnis von DHL.

Stellungnahme der Deutschen Post/DHL

Ich fühle mich als Kunde der Deutschen Post/DHL nicht ernst genommen. Meine Hinweise auf Twitter wurden ignoriert und nicht beantwortet. Die Probleme wurden auch nicht behoben. Deswegen war dieser Beitrag leider notwendig.
Ich habe die Pressestelle von DHL um eine Stellungnahme gebeten, die ich hier, falls sie denn mal kommt, veröffentlichen werde.

  1. Sieht sich die Deutsche Post/DHL als Groß-Unternehmen, Quasi-Monopolist im vielen Bereichen und ehemaliger Staatsbetrieb nicht in der Pflicht, ihre Portale in Hinblick auf Barrierefreiheit zu optimieren? Welche technischen Richtlinien legen Sie in Bezug auf Barrierefreiheit zugrunde?
  2. Warum führt die Deutsche Post/DHL kein regelmäßiges Monitoring ihrer digitalen Inhalte im Hinblick auf Barrierefreiheit durch?
  3. Warum reagiert die Deutsche Post/DHL nicht auf Hinweise, dass es Probleme mit der Barrierefreiheit gibt? Warum gibt es keine Feedback-Möglichkeit zu technischen Problemen? Warum gibt es kein offizielles Statement zur Barrierefreiheit?
  4. Hat die Deutsche Post/DHL vor, künftig stärker auf Barrierefreiheit zu achten?

Captchas werden endlich zu einem sinnvollen Spam-Test

Wer kennt das nicht, tanzende Buchstaben vor buntem Hintergrund erhöhen seit Jahren den Knobelspaß im Internet. Ganze Familienabende sollen schon mit dem Lösen der bunten Bildchen verbracht worden sein. Wer braucht da noch memory oder Wetten dass…? Und auch wenn man nicht zur erhofften E-Mail-Adrese, zum Kauf des Tickets oder zum Gewinn des iPhone niX kam, die sinnfreien Zeichencodes aus Bild oder Ton waren doch immer unterhaltsam. Vor allem Blinde und Schwerhörige haben sich ordentlich amüsiert, indem sie entnervt ihren PC kurz und klein schlugen.
Doch nun ist Schluss mit Lustig, wie Blind-Text aus verlässlicher Quelle erfuhr. Auch den Captcha-Anbietern ist nämlich nach Milliarden Dollar teuren Studien und Billionen falscher Eingaben durch Menschen aufgegangen, dass automatische Bots besser in der Lage sind, Captchas zu lösen als Menschen. Die fixen Jungs aus Silicon Valley haben sich deshalb überlegt, den Anti-Spam-Mechanismus einfach umzukehren. Künftig heißt es: Wenn Du das lesen respektive verstehen kannst, bist Du ein Bot. Dann gibts keine kostenlose E-Mail-Adresse, keine Nackedei-Bildchen und kein iPhone niX. Nur, wer den Code falsch eingibt – also richtig – ähm, also ihr wisst schon, bekommt den heißen Preis.
Blind-Text sagt: Bravo Jungs! Es kann nur noch einige Jahrzehnte dauern, bis man im Valley kapiert, was Farbkontraste, benannte Schaltflächen und Labels für Formulare bedeuten. Aber wie wir sehen, zahlt sich Geduld aus.
Wie barrierefrei sind CAPTCHAs

Accessing computers without reading and writing skills

The World Wide Web offers a wide range of information and opportunities. But many people have no access to this information because they can not read and write good enough to use the Web.
Smartphones and Tablets give those people the opportunity to use the World Wide Web who has not enough reading and writing skills or have not much experience with the computer. Their graphical user interface is based on icons and react on touch. The operating systems are very simple constructetd.

Talking with the computer

Modern Operating Systems like Mac OS X or Windows have embeded speech control or speech input. With this software you are able to give the computer instructions like starting or ending a program. There are also commercial solutions like Dragon Naturally Speaking, which are made to convert spoken text into written text.
In 2011 Apple introduced the intuitive speech input Siri. Siri accepts instructions in normal language instead of defined instructions. Android is following this way by developing the apps Alice and Iris.
Google also develops a speech input with the name Majel.

For Not-Readers speech-input is the only way to interact with the computer. The speech input have to allow the user to search after Websites in search engines, search after videos, convert speech input into text for mail writing and so on.

The answering machine

However talking to the computer is not enough. An interesting thing for people with low reading skils is a Screeneader. This is a program which conterts text into spoken language or braille for blind users. Apple implemented the Screenreader VoiceOver in his OS. VoiceOver make it possible for blind people to control the computer. It tells you the name or function of an icon, when touched an it reads text in the web or eMail. Android has similar functions, but they are not working quiet well in the old version 2.x.
People with reading disabilities will probably need assistance for the first steps with the computer. All people must learn how to search after information in the web or how to create an mail account. But after this they will be able to take part in the information society better than before.

Further reading

  • Adaptive Technology on Apple iPad Helps People with Autism Communicate
  • How Tablets can help Your Child’s Learning Disability
  • How Tablets are Helping Children with Autism and Learning Disabilities

Erfahrungen mit dem Orbit Reader 20 – der günstigen Braillezeile

Seit kurzem bin ich Besitzer des Orbit Reader 20, der ersten halbwegs günstigen Braillezeile. Meine Erfahrungen möchte ich hier zusammenfassen. Das Gerät ist beim BVHD für 650 € erhältlich. Wem die 20 Zeichen des Orbit Reader zu wenig sind, der Canute mit 360 darstellbaren Zeichen soll dieses Jahr erscheinen und ebenfalls zu einem für uns leistbaren Preis erhältlich sein.
Für meine sehenden Mitleser, dieser Artikel dürfte für euch nicht so spannend sein. Ein wenig Hintergrund möchte ich aber mitgeben: Günstige Braillezeilen sind der heilige Gral der Blinden-Hilfstechnik. Die Geräte kosten rund 100 € pro darstellbarem Zeichen, für eine Zeile mit 80 darstellbaren Zeichen sind schon mal 10.000 € fällig. Dass Hilfsmittel teuer sind, sind behinderte Menschen gewohnt, aber gerade bei einer Braillezeile fallen Preis und Leistung nicht wirklich zusammen. Es gibt wohl keine Industrie, die so konsequent an den Interessen ihrer Kunden vorbei arbeitet und es sich auch noch leisten kann wie die Hilfsmittel-Industrie. Aber darüber haben ich und andere schon viel gemeckert.
Zwar wird schon seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten an günstigen Alternativen gearbeitet, aber der Orbit Reader ist tatsächlich das erste Projekt mit einem marktfähigen Produkt. Wir wünschen uns noch mehr davon.
Und weiter gehts mit dem Test-Bericht.

Das Äußere

Außen besteht der Orbit Reader komplett aus einem Kunststoff. Die Verarbeitung wirkt gut. Er ist mir am ersten Tag gleich runtergefallen und hat dabei keinen Schaden genommen.
Die Größe des Gerätes entspricht etwa einem kleinen, dickeren Paperback. Das Gewicht würde ich auf etwas zwischen 300 und 400 Gramm schätzen. Den meisten dürfte es also zu schwer für die Jackentasche sein. Das könnte aber für eine robuste Verarbeitung sprechen, für Grobmotoriker wie mich sehr wichtig.
Man kann eine spezielle Tragetasche erwerben – die mir zu teuer war. Außerdem gibt es Ösen, in denen ein Schlüsselring oder Band durchgezogen werden könnte.
Um Bücher zu lesen und Texte zu schreiben bzw. abzuspeichern benötigt man eine SD-Karte, eine Karte war beigelegt. Hinten befindet sich ein Anschluss für Micro-USB zum Aufladen und Verbinden an den PC, der Einschalter sowie der Einschub für die SD-Karte.
Der Akku kann über eine Klappe auf der Unterseite getauscht werden. Ein Kritikpunkt an vielen kommerziellen Braillezeilen ist, dass der Akku nur mit Expertise getauscht werden kann. Einige Zeilen funktionieren auch mit externer Stromversorgung nicht mehr, wenn der Akku defekt oder tiefenentladen ist. Wie schon gesagt, die Hilfsmittel-Industie und ihre Kundenfreundlichkeit.
Kommen wir zu den Bedienelementen, sie befinden sich alle auf der Oberseite. Ganz oben ist die Tastatur zur Eingabe von Braille. Darunter sind vier Cursortasten sowie eine mittlere Taste zum Bestätigen. Darunter sind drei Tasten, die Mittlere ist die Leertaste, bei den anderen habe ich die Funktion noch nicht herausgefunden.
Unten befinden sich dann die 20 Braillemodule in einer Reihe. Links und rechts davon befinden sich zwei Kippschalter, die zum Weiterschalten der Zeile gedacht sind. Cursor-Routing-Tasten gibt es nicht.

Die Braille-Darstellung

Kommen wir zu dem, was die Meisten blinden Leser interessieren dürfte: Das Gerät kann 20 Zeichen in 8-Punkte-Braille darstellen. Die Module sind hervorragend fühlbar, ich und mein Mittester würden sagen besser als bei meiner Humanware, die das Zehnfache gekostet hat. Die Reaktionszeit ist gut, auch hier sehe ich keinen Unterschied zur Humanware.
Das Ein- und Ausfahren der Module ist deutlich lauter als bei anderen aktuellen Zeilen. Das mag den Einen oder Anderen stören, dürfte aber nur in ruhigen Umgebungen deutlich auffallen.

Lesen

Es können nur Textdateien und spezielle Brailleformate verarbeitet werden, also kein Word, Richt-Text, HTML oder ePub. Für solche Formate bräuchte man also ein externes Gerät und würde den Orbit als Braillezeile verwenden. Das Gerät kann keine Konvertierung von Braille durchführen, es gibt also keine Kurzschrift oder Computer-Braille, wenn sie nicht im Ursprungsformat bereits vorhanden ist. Das dürfte aber bei Geräten dieser Art ohne großes Betriebssystem üblich sein.
Das Erstellen von Notizen habe ich noch nicht ausführlich getestet. Ich liefere das bei Gelegenheit aber gerne nach.

Der Orbit Reader als externe Braillezeile

Der Orbit Reader ist als Stand-Alone-Gerät angelegt. Er kann aber auch als externe Braillezeile verwendet werden. Das muss in den Einstellungen aktiviert werden.
Dazu ist nicht viel zu sagen, die Koppelung mit iPhone und NVDA hat problemlos und auf Anhieb funktioniert, auch hier besser als bei der Humanware. Da ich Braille am PC und Smartphone generell wenig nutze, kann ich nicht viel mehr dazu sagen.

Die Praxis

Ich wollte ein Gerät haben, mit dem ich Wartezeiten sinnvoll totschlagen kann und trotzdem die Ohren frei habe. Gedrucktes Braille ist oft nicht praktikabel: Die Bücher sind zu groß oder gehören den Blindenbibliotheken und würden meinen Rucksack nicht unbeschadet überleben. Außerdem ist das Angebot an Texten, die mich interessieren in diesem Bereich zu gering. Ein Braille-Drucker ist für eine Privatperson ebenfalls nicht sinnvoll.
Meine 40er-Zeile war mir zu unhandlich, das Koppeln mit einem externen Gerät macht in der Praxis immer mal Probleme und ich konnte mich damit nicht anfreunden, für die Aufgabe des Lesens immer zwei Geräte betreiben zu müssen.
Zwar gibt es kleine Braillezeilen schon seit einiger Zeit. Sie waren mir aber für das,, was sie leisten zu teuer und zehn oder zwölf darstellbare Zeichen wäre mir auch zu wenig. Selbst in der Kurzschrift gibt es im Deutschen viele Wörter, die mehr als 12 Zeichen benötigen.
Für meine Zwecke ist der Orbit Reader in jedem Fall ausreichend. Reine Textdateien reichen mir für meine Lektüre erst mal aus. Allerdings ist die Vollschrift wirklich nervtötend, vor allem auf so kleinen Displays.
Längere Zeit im Stehen mit dem Gerät zu lesen wird wahrscheinlich nicht klappen. Es ist einen Ticken zu groß und zu schwer, um es längere Zeit entspannt in einer Hand halten zu können. Notizen im Stehen machen sollte aber mit ein bisschen Übung möglich sein, zumindest solange man keine Romane schreiben will. Mit mittelgroßen Händen kann man das Gerät halten und mit den Daumen tippen. Angenehm ist anders, aber für kleinere Notizen sollte s reichen.
Bisher glaube ich, dass sich der Kauf gelohnt hat. Das wird sich aber erst mittelfristig zeigen.

Wie sinnvoll sind Braille-Beschriftungen in Blindenschrift?

gefühlt gibt es eine Inflation an Blindenschrift/Braille im alltäglichen Lebensraum. Man findet sie an ICE-sitzen und in Toiletten, als Teil der Raum-Beschriftungen, auf Medikamentenverpackungen. Warum das Schaden kann und wie es besser geht, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Irgendwer, ich glaube das Büro des Behindertenbeauftragten, schickt mir regelmäßig Einladungen zu Veranstaltungen in Berlin. Dabei ist immer eine Karte mit Braille-Ausdruck. Sie landen bei mir ungelesen im Altpapier, ich habe bisher nicht herausgefunden, wie ich in deren Verteiler gelandet bin, aber für eine Abend-Vernissage oder einen Kinofilm ist mir die Fahrt nach Berlin doch zu weit. Der Punkt ist, dass das Bedrucken solcher Karten mit Braille sehr viel Geld kostet, in geringen Stückzahlen sogar noch mehr und es für die Meisten, an die das Teil verschickt wird komplett nutzlos ist.
In Griechenland soll ein Gesetz beschlossen worden sein, wonach alle Restaurants Speisekarten in Blindenschrift bereithalten sollen. Falls die Blindenschrift in GR nicht wesentlich weiterverbreitet ist als in Deutschland, dafür habe ich keinen Anhaltspunkt, frage ich mich schon, wer auf diese absolut sinnfreie Idee gekommen ist. Es ergeben sich durch Braille Probleme, die man nur als Blinder kennt: Da man die Texte mit dem Finger berühren muss und Papier ein hervorragender Träger für Fett ist, lagern sich nach und nach Keime in der Fettschicht auf den Buchstaben ab. Sind sie ein paar Mal gelesen worden, hat man also irgendwann eine wunderbare Keimschleuder insbesondere im gastronomischen Bereich. Von Speiseflecken reden wir gar nicht. Falls sich Papier dieser Art überhaupt desinfizieren ließe, würde wohl keiner auf die Idee kommen, dies zu tun. Mir persönlich ist es relativ egal, aber ich kenne Blinde, die kein Buch anfassen würden, welches ein Anderer gelesen hat. Es lässt sich natürlich einwenden, dass Geldscheine ähnlich verkeimt sind, mit diesen hat man aber selten so intensiven Kontakt.

Wer kann Braille?

Es ist ein offenes Geheimnis unter Blinden, dass die meisten Blinden kein Braille können. diejenigen, die eine Blindenschule besucht haben oder eine Blinden-Reha – eine blindentechnische Grundausbildung – gemacht haben, können in der Regel Braille. Für später Erblindete ist Braille schwierig zu erlernen und zu behalten.

Was regt sich der Alte auf

Nun schadet es auf den ersten Blick erst mal niemandem, wenn etwas mit Blindenschrift ausgestattet ist. Doch schadet es indirekt doch. Es bindet nämlich Ressourcen, die anderswo besser genutzt wären. Die Preise für Braille-Visitenkarten sind der absolute Wahnsinn und wie gesagt, wenn es nicht um Symbolik geht totale Verschwendung. Die Wahrscheinlichkeit, einen Blinden zu treffen, der deine Visitenkarte haben möchte ist ohnehin gering. Die Wahrscheinlichkeit, einen Blinden zu treffen, der deine Visitenkarte will und Blindenschrift lesen kann, ist jenseits bestimmter Branchen = 0.

Das Schweigen der Sehenden

Als Blinder mache ich häufig Witze darüber: Man hat mit einer sichtbaren Behinderung häufig Narrenfreiheit. Der Pulli ist dreckig, der Hosenstall offen, der Kerl riecht wie ein Iltis – macht doch nichts, er ist blind. Sag lieber nichts, sonst ist er traurig, beleidigt oder verklagt dich wegen Diskriminierung.
Ein ähnlicher Mechanismus greift, wenn es um Maßnahmen zum Thema Blindheit geht. Wer hier als Sehender mit Geld oder Logistik-Problemen argumentiert, darf sich auf einen Shitstorm vorbereiten. Das hat zur Folge, dass sich jeder Unsinn mit dem Argument Inklusion oder Barrierefreiheit verkaufen lässt. Es ist aber nun mal so, dass die Ressourcen endlich sind und wer Geld für Blödsinn ausgegeben hat, dem fehlt das Geld für sinnvolle Maßnahmen. Falls das mal bei den Beratern der Blindenverbände und wer immer noch in diesem Bereich aktiv ist ankommt, können wir vielleicht mal dazu übergehen, Maßnahmen vorzuschlagen, die nicht nur symbolisch, sondern auch praktisch nutzen. Mal ehrlich, welche Sehenden-Organisation würde es heute wagen zu sagen, dass ihnen etwa Braille-Beschriftungen zu teuer sind und das Leitsysteme in kleinen geschlossenen Gebäuden so überflüssig wie ein Kropf sind? Wir stoßen hier auf die Schattenseite der Geschäftemacherei mit Inklusion und Barrierefreiheit.
Man kann mir gerne vorwerfen, dass ich etwa XING und andere Anbieter für ihre mangelhafte Barrierefreiheit kritisiert habe. Doch habe ich immer meine Gründe dafür genannt: Es gibt etwa ein Quasi-Monopol, die Ressourcen sind vorhanden oder man hat sich selber seiner Barrierefreiheit gerühmt oder ist verpflichtet.

Was ist die Lösung?

Nun bin ich niemand, der gerne meckert ohne eine Alternative zu präsentieren. Und diese ist so einfach, dass es mich wundert, warum sie niemand nennt: Sie heißt fühlbare Schwarzschrift. Schwarzschrift nennen wir die Schrift, die Sehende lesen. Sie fühlbar zu machen, ist kein großer Aufwand. Wir haben entsprechende Maschinen, wir haben 3D-Drucker, wir haben Stoff, der sich leicht ausschneiden und aufkleben lässt.
Der Vorteil dieser fühlbaren Schrift ist, dass sowohl spät Erblindete sie lesen können als auch blind geborene Kinder. Letztere müssen die Schwarzschrift in der Schule lernen. Und es schadet ihnen nicht, auch später noch die Form der Schwarzschrift-Buchstaben zu kennen.
Die Zeichen können auch von Personen gelesen werden, die wir in der Blindenszene komplett ausklammern: Menschen, welchen die Sensibilität in den Fingern fehlt, um Braille lesen zu können. Jeder sehende Mensch, den ich bisher gefragt habe hatte große Probleme, die Punkte komplexerer Braillezeichen wie etwa dem K, dem O und so weiter taktil zu erkennen.
Die Buchstaben aus Kunststoff oder Metall können sehr einfach hygienisch sauber gehalten und ggf. ersetzt werden. Vor allem können sie von Sehenden gelesen werden, womit diese feststellen, ob die Informationen noch stimmen. Das ist ja etwa das Problem bei Bürobeschriftungen: Es stehen zwar die Nummern der Büros auf den Schildern, nicht aber die Namen der jeweiligen Mitarbeiter, weil das organisatorisch, finanziell und platztechnisch schwierig ist.
Einen Vorteil gibt es für stark Sehbehinderte: Sie können die Buchstaben ebenfalls abtasten. Für sie ist es nämlich nachteilig, wenn sich die Büro-Beschriftungen auf Hüft- und nicht auf Kopfhöhe befinden, weil sie sie sich eventuell vorbeugen müssen, um die hüftigen Beschriftungen zu lesen.
Längere Texte damit zu produzieren ist natürlich nicht sinnvoll. Viele Buchstaben abzutasten ist nicht komfortabel möglich. Doch was spricht dagegen, dem Blinden ein iPhone zu geben, auf dem er die Speisekarte tagesaktuell ablesen kann? Die paar Gesten, die er dafür braucht, kann man ihm zur Not auch zeigen. Und wenn er damit nicht klarkommt, wird die Speisekarte oder was auch immer selbständig lesen zu können sicher nicht sein größtes Problem sein. Eine weitere Möglichkeit wäre ein einfacher DAISY-Player, den der Betreiber des Etablissements im Zweifelsfall selbst besprechen und dadurch tagesaktuell halten könnte.

Fazit

Vieles von dem, was angeblich für Blinde gemacht wird ist leider reine Symbolpolitik. Ich habe nichts gegen Braille und übrigens auch nichts gegen Symbolik, doch endet mein Verständnis da, wo der Symbolik nichts Praktisches für die Mehrheit der Blinden gegenübersteht. Mir ist es trotz Braille noch kein einziges Mal gelungen, meinen Sitz im ICE selbständig zu finden. Die Sanitäranlagen abzutasten dürfte für jemanden ohne sehrest eine etwas widerliche Angelegenheit sein.
Und die Verantwortlichen glauben tatsächlich, den meisten Blinden etwas Gutes getan zu haben. Wir kennen das schon aus der Verhaltensforschung: Es gibt das Phänomen, dass Personen, die etwas Gutes getan haben glauben, sich schlechter benehmen zu dürfen, es ist sozusagen das Karma des Verhaltens, am Ende kommt Plus Minus Null raus. der Schaffner fragt sich etwa, warum er den Blinden zum Platz führen soll, wenn die Bahn doch zehntausende Euro für Platzbeschriftungen ausgegeben hat. Der Restaurant-Besitzer hat 200 Euro in die Karte in Blindenschrift investiert, aber der Blinde will vom Kellner vorgelesen haben, was es gibt. Der Hotel-Angestellte will den Blinden nichts auf sein Zimmer bringen, es ist doch alles mit Braille beschriftet, wofür soll denn das gut gewesen sein? Warum haben wir jetzt dieses Leitsystem installiert, wenn der Blinde trotzdem kreuz und quer läuft? Und diese Fragen sind leider berechtigt, denn wer immer diese Systeme angepriesen oder verkauft hat, hat die Zuständigen nicht richtig aufgeklärt, im Zweifelsfall natürlich, weil er ohne Auftrag kein Geld verdient.

Menschliche Hilfe in der Barrierefreiheit

Wenn es um Barrierefreiheit geht, lassen sich drei ausschlaggebende Faktoren unterscheiden.

  • Die objektiv überprüfbare Barrierefreiheit
  • die individuellen Fähigkeiten und Möglickeiten des einzelnen Behinderten
  • Der menschliche Faktor

Faktor 1: Die objektiv prüfbare Barrierefreiheit

Heute gibt es für viele Bereiche Normen, Standards und Richtlinien zur Barrierefreiheit, zum Beispiel fürs Internet, für Gebäude, für PDF-Dokumente und so weiter.
In weiteren Bereichen gibt es Maßnahmen-Kataloge, die jeweils auf ein Projekt zugeschnitten werden müssen. Ob ein Kurs in der Erwachsenenbildung oder eine Kunstausstellung barrierefrei sind, lässt sich anhand dieser Maßnahmen und ihrer Umsetzung beurteilen.
Das Problem bei diesem Faktor ist, dass er einen Grad an Absolutheit vortäuscht, der in der Realität nicht möglich ist. Auch wenn wir WCAG 2.0 AAA erfüllen, wird es immer noch Leute geben, die mit der Website nicht zurecht kommen. Der Standard PDF UA kümmert sich nicht um die Bedürfnisse lernbehinderter Personen. In den meisten barrierefreien Zimmern wird man mit einem Liegerollstuhl Probleme haben. Das heißt, Barrierefreiheit nach Checklisten schließt auch immer Personen aus, aber man spricht dennoch von Barrierefreiheit, wenn diese Standards erfüllt wurden.

Faktor 2: Die Fähigkeiten des Einzelnen

Es ist kein Geheimnis, dass die Fähigkeiten der Behinderten auch innerhalb der einzelnen Behinderungsgruppen extrem unterschiedlich sind. Der eine Blinde pflügt schneller als jeder Sehende durchs Netz, der Nächste braucht fünf Minuten, um eine Bahnverbindung herauszufinden. Der Eine tourt durch das gebirgige Tibet, der Nächste verirrt sich in der eigenen Wohnung.
Für diese Fähigkeiten spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine wichtige Rolle:

  • Es gibt die kognitiven oder physiologischen Grenzen, die der Körper selbst setzt. Und natürlich sind auch die Behinderungen selbst sehr unterschiedlich ausgeprägt.
  • Dann ist die Frage, wie lange jemand behindert ist. Geburtsbehinderte sind in der Regel wesentlich angepasster an ihre Behinderung als Spät-Behindderte.
  • Die Persönlichkeit ist wichtig. Ängstliche Personen probieren ungern Neues aus. Andere können es gar nicht abwarten, die Grenzen auszutesten und zu überschreiten.
  • Ein weiterer limitierender Faktor sind die Hilfsmittel. Wer veraltete oder halbdefekte Technik einsetzt wird wahrscheinlich nicht mit jemandem mithalten können, der auf dem neuesten Stand ist.
  • Dann reicht es nicht aus, die neueste Technik zu besitzen. Man muss auch in der Lage sein, sie zu bedienen. Das ist ein Faktor, der häufig übersehen wird.

Zu den sinnvollen Fähigkeiten eines Behinderten gehört im übrigen auch, sich Hilfe zu holen, wenn man sie benötigt. Oft genug erlebe ich, dass die Leute die Hände in den Schoß legen, wenn sie etwas nicht hinbekommen. Oder sie unternehmen erst gar nichts, wenn es mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte. Womit wir zum letzten Faktor kommen.

Der dritte Faktor: Menschliche Hilfe

Last not least gibt es Probleme, die man als Behinderter partout nicht ohne die Hilfe Dritter lösen kann. Ein blinder Redakteur wie ich zum Beispiel kann keine Bilder recherchieren und nur in Grenzen bearbeiten. Ich kann meine Präsentationen nur begrenzt selbst erstellen und visuell überprüfen. Ich kann meine Unterrichtsarbeit nicht ohne Assistenz durchführen.
Allgemein gilt die Barrierefreiheit als erreicht, wenn etwas grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich ist. Es gibt aber einige Bereiche, in denen zumindest die meisten Blinden nie ohne fremde Hilfe auskommen werden. Daran ist im übrigen nichts verwerfliches. Menschliche Hilfe ist nichts Negatives und es ist kein Wert an sich, vollkommen ohne sie auskommen zu wollen. Alle Menschen sind gelegentlich auf die Unterstützung durch andere Personen angewiesen. Ich nenne das den sozialen Faktor in der Barrierefreiheit.

Warum thematisiere ich das nun?

Da ich mich in letzter Zeit mit nicht-digitaler Barrierefreiheit beschäftigt habe, stoße ich gelegentlich auch auf die Grenzen der Technik.
Dabei gibt es sehr unterschiedliche Grenzen. Eine Großstadt kann theoretisch zu einem sehr hohem Grad blindengerecht gemacht werden. Aber mal im Ernst: Die Milliarden, die dafür notwendig sind wird keine Stadt aufbringen wollen. Und selbst wenn das passiert, wird es immer noch viele Blinde geben, die Probleme haben werden. Es ist also egal, wie viel Geld wir investieren, wir Blinde werden immer zu einem gewissen Grad auf fremde Hilfe angewiesen sein.
In der erwachsenen-Bildung wird von den Dozenten gefordert, dass er auf jeden Teilnehmer individuell eingehen soll. Hier stoßen wir auf zwei Grenzzen:

  1. Die Resource Zeit ist knapp
  2. Die Ressource Geduld ist knapp

Einerseits hat natürlich jeder Teilnehmer Aufmerksamkeit verdient, andererseits muss jeder Dozent ein gewisses Maß an Mindest-Bildungsleistung für alle Teilnehmer erbringen. Als Dozent verspreche ich ein bestimmtes Lernziel und wenn ich das nicht erbringe, fällt das nicht auf den Teilnehmer, sondern auf mich zurück.
Der behinderte Teilnehmer muss in gewissem Maße bereit sein, eine Eigenleistung zu erbringen. Ganz ohne geht es nicht. Ich kann ihn dabei so weit wie möglich unterstützen. Ich kann aber nicht ihm zu Liebe die gesamte Gruppe vernachlässigen.
In vielen Fällen ist es am sinnvollsten, wenn sich der Behinderte eine Assistenz organisiert. SSie kann ihn bei den Aufgaben unterstützen, die von mir als Dienstleister nicht oder nicht ausreichend erbracht werden können.
Wie ich unter Punkt 1 schon ausgeführt habe, ist eine absolute Barrierefreiheit nicht möglich. Eine Behinderung ist – Punkt 2 – in gewissen Grenzen kompensierbar. Wir stoßen aber an Grenzen, wenn es etwa um neu erworbene Behinderung, Mehrfachbehinderung oder weitere Einschränkungen geht.
Natürlich sollte größtmögliche Barrierefreiheit hergestellt werden. Wenn ich eine Software nicht bedienen kann, die ich benötige, dann kann ich meinen Job nicht machen.
Auf der anderen Seite sollte der menschliche Faktor nicht vernachlässigt werden. Die Menschen brauchen menschliche Unterstützung, falls unsere Roboter nicht bald lernen, soziale Empathie zu entwickeln und auch komplexere Aufgaben zu übernehmen.
Ein wichtiger Faktor ist auch eine vernünftige Bezahlung der Assistenten. Je nach dem, welche Hilfestellung sie erbringen, müssen sie teils hohe Ansprüche erfüllen. Gleichzeitig werden gerade im sozialen Sektor – da, wo es um Menschen geht – die Betroffenen am schlechtesten bezahlt. Kellnern oder Putzen gehen wäre kaum weniger anstrengend, aber besser entlohnt. Vielleicht sollten wir , statt 700 Euro für ein iPhone auszugeben uns einmal darum bemühen, dass unsere Unterstützer vernünftig bezahlt werden. Die Technik ist eben nicht alles.
The human help as accessibility factor