Corona hat viele Prozesse ermöglicht oder beschleunigt, die sich Digitalisierungs-Fans wie ich schon immer gewünscht haben. Eine dieser Möglichkeiten ist die Arbeit von zuhause – Remote Work oder Home Office genannt.
Vorteile des Home Office für Behinderte
Für behinderte Menschen ergeben sich durch Home Office zahlreiche Vorteile, von denen ich einige kurz nennen möchte:
- Der Arbeitsweg entfällt: Er ist etwa für Blinde oder gehbehinderte Menschen stets eine Herausforderung.
- Es wird nur eine Hilfsmittel-Ausstattung benötigt. Ansonsten braucht man eine Ausstattung für zuhause und eine für den Arbeitsplatz.
- Home Office zwingt zu digitalen abläufen. Goodbye zu Faxen, handgeschriebenen Notizen und Bergen an ausgedrucktem Papier, die etwa für Blinde nur schwer zugänglich sind.
- Die Notwendigkeit zu Umzügen kann entfallen. Der Wohnungsmarkt ist generell angespannt, barrierefreier Wohnraum ist praktisch nicht vorhanden.
Zum Thema Digitalisierung und Chancen für Menschen mit Behinderung habe ich einen eigenen Beitrag geschrieben.
Neue Barrieren durch Technik
Allerdings können durch die Digitalisierung neue Barrieren entstehen. Zum Beispiel ist bei vielen Unternehmen eine Software vorgeschaltet, die den Zugriff auf das interne Netzwerk absichert. Viele dieser Programme sind nicht barrierefrei. Im Worst Case heißt das, dass der behinderte Mitarbeiter die Infrastruktur nicht nutzen kann.
Auch viele der Kommunikations- und Datenverwaltungssysteme sind in der Nutzung recht komplex. Google Docs und ähnliche komplexe Programme, die im Browser laufen mögen für eine sehende Person ähnlich nutzbar sein wie ein installiertes Office. Für eine blinde Person trifft das mit Sicherheit nicht zu. Meines Erachtens gab es in den letzten Jahren auch wenig Fortschritt.
Home Office kann zu Exklusion führen
Aus den Augen, aus dem Sinn, so geht es mit vielen Dingen. Es kann zur Inklusion beitragen, wenn man den behinderten Kollegen regelmäßig sieht. Doch ist das nicht der Fall, kann der gegenteilige Effekt auftreten. Es stellt sich die Frage, wofür man räumliche Barrierefreiheit braucht, schließlich kann der Kollege im Rollstuhl von zuhause aus arbeiten.
Für den behinderten Menschen besteht das Risiko der sozialen Isolation, insbesondere für Gehörlose oder Menschen mit Autismus oder für Personen, die soziale Kontakte vermeiden. Für sie ist der Arbeitsplatz manchmal die einzige Möglichkeit, soziale Kontakte zu haben.
Es besteht durchaus die Gefahr, dass der Arbeitgeber „schwierige“ Personen ins Home Office abdrängt, um deren Schwierigkeiten am Arbeitsplatz nicht lösen zu müssen.
Und natürlich gibt es Tätigkeiten, die sich nicht ohne Weiteres ins Home Office verlegen lassen. Eine Digitalisierung begünstigt generell Wissens- und Kommunikations-Arbeiter, während sie Körper-Arbeiter nicht unmittelbar zugute kommt.
Fazit
Zusammenfassend lassen sich zwei Aspekte beim Thema Behinderung und Home Office erkennen. Es ist eine Chance vor allem für technisch fite Personen, sofern die Lösungen im Wesentlichen barrierefrei sind. Es können aber auch neue Barrieren gerade für jene geschaffen werden, die technisch weniger fit sind. Ein weiteres Risiko besteht in einer möglichen sozialen Isolation und Exklusion.