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Wie der Datenschutz die Barrierefreiheit behindert


Nachtrag: 2 Sachen vorneweg, weil sie von den Kritiker:Innen bewusst oder unbewusst falsch verstanden werden:

  • Die Umsetzung des Datenschutzes zu kritisieren heißt nicht, gegen Datenschutz zu sein. Es gibt viele kritische Bereiche wie medizinische Daten, wo das durchaus sinnvoll ist. Die Idee der DSGVO ist durchaus lobenswert, nur schießt man über das Ziel hinaus.
  • Datenschutz und Barrierefreiheit widersprechen sich in der Theorie meistens nicht. Defacto entsteht aber ein Konflikt, weil jetzt, in diesem Moment, datenschutz-konforme UND barrierefreie Lösungen kaum zu finden sind, die für das jeweilige Problem passen. Und weil man für mangelnden Datenschutz bestraft wird, für Barrierefreiheit aber nicht, gibt es in der Praxis einen Widerspruch. Weil viele Anbieter das Thema Barrierefreiheit bewusst oder unabsichtlich ignorieren, zwingen sie uns, eine Entscheidung zwischen Barrierefreiheit und Datenschutz-konform zu treffen.

Deutschland hat viele Probleme, was das Thema Digitalisierung angeht, ein großes Problem wird aber häufig übersehen, die DSGVO und der bürokratische Wasserkopf, der sich darum herum entwickelt hat. Leider bremst der Datenschutz auch häufig genug die Barrierefreiheit aus.
Beispiel: Durch die durch Corona forcierte Digitalisierung hat sich ein Wildwuchs an digitalen Kommunikationslösungen ergeben. Zoom hat WhatsApp als Buhmann Nr. 1 abgelöst. Allerdings wird auch so ziemlich jede andere Lösung wie Teams, Skype oder Jitsy kritisiert. Nur ein Wirrkopf könnte auf die Idee kommen, dass es vielleicht nicht nur an den Lösungen, sondern auch an der DSGVO selbst liegen könnte. Da wird lang und breit über potentielle Mängel beim Datenschutz diskutiert. Aber in keiner der zahlreichen Listen von Kommunikationstools und deren Vor- und Nachteilen findet man Hinweise zu deren Barrierefreiheit.

Der Primat des Datenschutzes ist fragwürdig

Irgendwann muss die Gesellschaft entschieden haben, dass der Datenschutz wichtiger ist als alles Andere: Wichtiger als Benutzerfreundlichkeit, wichtiger als Barrierefreiheit, wichtiger als der Preis, wichtiger als die Kompatibilität mit verschiedenen Endgeräten. Wenn keine Lösung die Anforderungen des Datenschutzes erfüllt, dann kommunizieren wir halt per Rauchsignal. Und ist niemandem aufgefallen, dass man problemlos den Datenschutzbeauftragten einer Organisation findet, aber der Barrierefreiheits-Beauftragte nicht existiert? Kann man noch deutlicher machen, dass Barrierefreiheit für den öffentlichen Dienst egal ist?
Die DSGVO kann unter „gut gemeint“ abgeheftet werden. Wie so vieles begünstigt sie eher die großen Datenfresser wie Google oder Facebook, denn nur die haben das Geld und die Power, die Richtlinien umzusetzen – oder eher sie ungestraft zu ignorieren. Sie ist leider ein weiteres Musterbeispiel an unverständlichen Regelungen und Bürokratie, wie sie für Deutschland leider üblich ist. Es fällt auf, dass sie vor allem von Personen verteidigt wird, die sie nicht umsetzen müssen.

Datenschutz bremst Barrierefreiheit und Benutzbarkeit aus

Ruft man heute eine Website auf, muss man häufig mindestens zwei Mal klicken, um überhaupt irgendwelchen Inhalt zu bekommen. Bei der Google-Suchmaschine sind es eher vier Mal.
Die Wenigsten werden den juristischen Prosa-Roman aka Datenschutzerklärung lesen, der ihnen da vorgesetzt wird. Das liegt unter anderem daran, dass er völlig unverständlich und die Angaben nicht überprüfbar sind. Das ist wohl die Transparenz, die uns die DSGVO versprochen hat.
Die Themen Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit bleiben auf der Strecke: Viele der Cookie-Messages sind per Tastatur oder assistiver Technologie nicht zugänglich. Und was passiert mit den Menschen, die keine Ahnung haben, was dieser Cookie sein soll und die auch nach den seitenlangen Erklärungen nicht schlauer sondern eher besorgter sind?
Und warum müssen die Datenschutz-Erklärungen nicht in einer allgemein-verständlichen Sprache verfasst sein? Werden sie nicht mit Absicht mit juristischem und technischem Kauderwelsch gepropft, damit die Betroffenen ihre Rechte eben nicht verstehen oder gar einfordern?

Datenschutz gefährdet die Digitalisierung

Der Erfolg von Zoom hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Lösung gerade aus der Perspektive der Nutzer sehr einfach und relativ intuitiv ist. Das kann man von den meisten anderen Lösungen nicht behaupten. Adobe Connect oder GoToMeeting etwa verlangen kategorisch das Installieren eines zusätzlichen Clients oder Plugins. Was der tut, bleibt deren Geheimnis. Wer keine Installationsrechte hat, der hat Pech gehabt. Dass diese Clients nicht barrierefrei sind, ist dann auch nur ein Neben-Aspekt.
Der Primat des Datenschutzes verhindert, dass sich digitale Lösungen etablieren. Viele der Lösungen, die den Datenschutz angeblich erfüllen können von der Benutzerfreundlichkeit oder Barrierefreiheit nicht überzeugen. Deswegen wird sie kaum jemand nutzen, wenn er nicht muss.
Natürlich kann ich die Anliegen der Datenschützer verstehen. Aber wie so oft im Leben kommt es darauf an, ein Gleichgewicht unterschiedlicher Anforderungen zu finden. Was sonst passiert, liegt auf der Hand, die Nutzer stimmen mit den Füßen ab: Entweder nutzen sie trotz Bedenken die für sie einfachste Lösung oder eben gar keine.

Barrierefreie Online-Seminare – Hilfsmittel und Lösungen

Computermonitor zeigt TextverarbeitungOnline-Seminare sind nicht erst seit Corona häufig anzutreffen. Damit Webinare barrierefrei von behinderten Menschen genutzt werden können, ist jedoch einiges zu beachten.

technische Plattformen

Der erste und wichtigste Faktor ist die technische Plattform. Ist diese nicht barrierefrei, ist das Seminar für Blinde, Sehbehinderte und Tastaturnutzer nicht verwendbar.
Leider taugen die Marktführer in diesem Bereich nichts. Sowohl WebEx, GoToMeeting als auch Adobe Connect sind Musterbeispiele für schlechte Barrierefreiheit. Sie sind durch Screenreader nicht bedienbar. Alle drei Programme haben außerdem einen miserablen Kontrast bei den Bedien-Elementen und sind daher nicht zu empfehlen. Wenn Sie möchten, dass behinderte Menschen an Ihren Webinaren teilnehmen, scheiden Adobe Connect und GoToMeeting sowie dessen Ableger wie GoToWebinar und co. aus.
Gute Alternativen in diesem Bereich sind Big Blue Button, Zoom und Microsoft Teams. Sie sind alle gut mit Tastatur und Screenreader bedienbar und das sowohl auf dem Desktop als auch auf dem Smartphone oder Tablet.

Kommunikation

Tipps zu einer barrierefreien Online-Kommunikation finden Sie in einem eigenen Beitrag.
Generell sollte eine gute Sprach-Qualität angestrebt werden. Wird der Sprecher angezeigt, sollte sich das Fenster durch den Nutzer größer ziehen lassen, so dass Gestik und Mundbild besser verfolgt werden können.
Weitere Möglichkeiten sind Gebärdensprache, Live-Captions, Live-Übersetzung in Leichte Sprache. Generell sollte natürlich der Inhalt auch so gestaltet sein, dass er möglichst verständlich ist.

PDF UA, EN 301549, WCAG oder BITV für barrierefreie PDF – was ist der Standard

Dieses Dokument soll eine Entscheidungshilfe für die Frage bieten, ob und welcher Standard bei der Bereitstellung barrierefreier Dokumente bzw. PDFs erfüllt werden sollte.

Die Möglichkeiten von Microsoft Office und Libre Office

Seit der Version 2007 bietet MS Office die Möglichkeit, relativ barrierefreie Dokumente zu erstellen. Unter anderem bietet es folgende Möglichkeiten:

  • Die Auszeichnung von Überschriften und Listen, um blinden Menschen die Orientierung in Dokumenten zu erleichtern.
  • Die alternative Beschreibung von Bildern für Blinde.
  • Den Export in strukturierten PDF – sogenannten tagged PDF – eine Voraussetzung dafür, dass Blinde sinnvoll mit PDFs arbeiten können.

Der Standard PDF UA

PDF Universal Accessibility (PDF UA) ist seit 2012 der technische Standard für barrierefreie PDF-Dokumente. Allerdings geht der eigentliche Standard für barrierefreie PDF-Dokumente über PDF UA hinaus. Für alle öffentlichen Körperschaften der EU ist das die EU-Norm 301 549. EN 301549 ist vor allem im Bezug auf Dokumente und Webseiten eine Adaption der WCAG 2.1 AA.
PDF UA enthält keine Anforderungen an Kontraste, die WCAG aber durchaus.
PDF UA ist im Wesentlichen ein Standard, der technische Anforderungen formuliert. Auf inhaltliche Anforderungen wie Leichte Sprache oder Verständlichkeit geht er nicht ein. Diese spielen aber auch in der WCAG erst ab der höchsten Stufe AAA eine Rolle.
PDF UA ist also eher als technische Umsetzungshilfe für Software-Anbieter zu verstehen. Die eigentlichen Standards sind in der EU die WCAG 2.1 AA sowie die EN 301549 für öffentliche Einrichtungen.

Möglichkeiten PDF UA zu erfüllen

Es gibt nur wenige Programme, um vollkommen pPDF-UA-standardkonforme PDF-Dokumente zu erstellen. Eines davon ist Acrobat Pro von Adobe.
Acrobat Professional ist ein Tool, um PDFs professionell zu bearbeiten. Es richtet sich in erster Linie an Grafiker und Desktop Publisher.
Mit Acrobat können Dokumente nachträglich getaggt – also barrierefrei – gemacht werden.
Unter anderem bietet Acrobat folgende Möglichkeiten, die es in MS Office derzeit nicht gibt:

  • Das Auszeichnen von Dokument-Bestandteilen als „artefact“. Das bedeutet, dass diese Elemente von Screenreadern ignoriert werden. Das ist sinnvoll zum Beispiel bei Kopf- und Fußzeilen, Seitenzahlen und anderen Elementen, die für Screenreader-Nutzer beim Vorlesen nicht wichtig sind.
  • – Das nachträgliche Bearbeiten der Struktur-Tags. Dadurch können kleinere Fehler korrigiert werden, die durch die Office-Programme bei der Umwandlung in PDF entstehen.

Das Problem mit den Standards für barrierefreie PDFs

Kommuniziert man aktiv, dass man barrierefreie PDFs zur Verfügung stellt, wird von den Kennern der Materie erwartet, dass PDF UA erfüllt wird. Das ist auf absehbare Zeit mit MS Office nicht möglich. Qua Definition kann ein PDF nur dann als barrierefrei bezeichnet werden, wenn ein öffentlicher Standard erfüllt wird.
Das Tool PDF Accessibility Checker zeigt bei aus MS Office erzeugten Dokumenten einige Fehler an, die aber in der Praxis keine schwerwiegenden Folgen haben.

Handlungsmöglichkeiten

Die folgenden Vorgehensweisen sind denkbar:

  1. Es wird angestrebt, den PDF-UA-Standard vollständig zu erfüllen. In diesem Fall ist es notwendig, entweder mehrere – oder alle – Mitarbeiter im Umgang mit Adobe Acrobat Pro zu schulen oder die Dokumente an einen Dienstleister herauszugeben. Die Herausgabe erscheint aufgrund des hohen Zeitaufwands und der teils erheblichen Kosten nicht realistisch. Der Vorteil ist, dass die Erfüllung des Standards am leichtesten zu kommunizieren ist.
  2. Die Organisation kommuniziert, dass die Dokumente mit den Möglichkeiten barrierefrei gestaltet wurden, die MS Office bietet. Es kann auch konkret kommuniziert werden, welche Maßnahmen getroffen wurden, zum Beispiel das Einfügen von alternativtexten und anderen Struktur-Tags. Es wird also nicht gesagt, dass ein bestimmter Standard erfüllt wurde, sondern nur, was gemacht wurde, um das Dokument zugänglicher zu machen. Genau genommen könnte ohnehin nur kommuniziert werden, dass ein bestimmter Standard erfüllt wurde. Auch ein Dokument, dass PDF UA erfüllt ist für Menschen mit Lernbehinderung oder eingeschränkter Sprachkompetenz nicht barrierefrei. Die Formulierung „barrierefreie Dokumente“ könnte daher falsche Erwartungen wecken.
  3. Das Dokument kann im Original-Microsoft-Format herausgegeben werden. Fast alle Geräte verfügen über die Möglichkeit, Office-Dokumente anzuzeigen. Es bleibt dann dem Nutzer überlassen, ob er es in PDF umwandelt oder nicht. In diesem Fall entfällt die Befolgung von PDF UA, da es ja kein PDF ist. Für Office-Dokumente gibt es derzeit keinen Standard. Der einzige Vorteil von PDF besteht darin, dass es sich als Quasi-Standard zur Weitergabe von Dokumenten etabliert hat. Darüber hinaus bietet es auch für Menschen mit Behinderung keine Vorteile gegenüber Office-Formaten. PDFs sollen dafür sorgen, dass Dokumente auf allen Betriebssystemen gleich dargestellt werden. Die Anpassbarkeit an unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten ist hingegen eine Basisanforderung der digitalen Barrierefreiheit. Tagged PDFs sollen dieses Problem lösen. Das funktioniert allerdings nur, wenn das Anzeigeprogramm tagged PDF unterstützt. Derzeit tut das nur der Adobe Reader.
  4. Empfehlung

    Unsere Empfehlung lautet, PDF-Dokumente mit Office zu erstellen und dies klar zu kommunizieren. In der Praxis bringt PDF UA wenige Vorteile. Die meisten Dokumente, die mit Office erstellt wurden sind in diesem Format auch völlig ausreichend.
    Für die interne Kommunikation ist die Erfüllung eines bestimmten Standards nicht notwendig. Analoges gilt für Dokumente, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind, sondern an Kooperationspartner gehen. Für Broschüren und weitere Dokumente für die breite Öffentlichkeit kann weiterhin der geltende Standard erfüllt werden.

Barrierefreiheit – wir brauchen weniger Experten und mehr Basis-Wissen

Stilisierter Sherlock Holmes mit LupeEs ist kein Geheimnis, dass die Barrierefreiheit in vielen Fällen seit Jahren keine Fortschritte und noch öfter Rückschritte macht. Während sich die wenigen Experten in Fachdiskursen fingerhakeln, bleibt die Barrierefreiheit auf der Strecke.

Jeder muss, keiner weiß wie

Im Grunde wird jeden Tag gegen die Barrierefreiheits-Richtlinien verstoßen. Jedes Mal, wenn ein nicht-barrierefreies PDF online gestellt wird, sterben mindestens drei Einhörner. Schuld daran sind nicht nur die Ersteller, denn sie wissen es oft nicht besser. Schuld sind Adobe und Co. die das Thema seit Jahrzehnten nicht auf die Reihe bekommen. Aus Blei Gold herzustellen ist einfacher als aus einer Broschüre ein barrierefreies PDF herzustellen. Bei barrierefreien PDFs muss man sich die Anführungszeichen bei „barrierefrei“ immer dazu denken, denn 99 Prozent der so betitelten Dokumente weisen trotzdem sie von angeblichen Experten hergestellt wurden kleine bis größere Fehler auf.
Da es das Recht auf barrierefreie Dokumente gibt, müsste im Grunde jeder Verwaltungsmitarbeiter wissen, wie er Dokumente barrierefrei macht, sofern er interne oder externe Kommunikationsaufgaben übernimmt. Defacto weiß aber keiner, wie es geht. Die logische Konsequenz wäre, es in die Verwaltungsausbildung bzw. die entsprechenden Studiengänge mit aufzunehmen. Meines Wissens ist das bisher nicht der Fall. Bei mir rufen nicht selten Personen an, die Hunderte von Leuten schulen wollen, vorzugsweise in Buxtehude tätig sind und das natürlich möglichst umsonst haben wollen.
Das gleiche Trauerspiel finden wir bei den Web-Entwicklern, die man besser als Kästen-Hin-und-Herschieber bezeichnen sollte. Wenn sie HTML und CSS ihrem Sinn gemäß einsetzen würden, wäre 80 Prozent der Arbeit schon gemacht. Aber entweder können oder wollen sie das nicht, beides ist ein Armutszeugnis für diesen Berufsstand. Web-Entwickler und Webdesigner, die keine Barrierefreiheit können beherrschen ihr Handwerk nicht korrekt.

Wir kümmern uns um die Symptome, nicht um die Ursachen

Zynisch gesagt haben wir kein großes Interesse, die Situation zu verbessern. Wir verdienen prächtig an dieser Situation, nämlich daran, dass das Fachwissen bei den Auftraggebern und den Web-Agenturen fehlt. Je mehr die Leute rummurksen, je später sie uns dazu holen, desto mehr Stunden können wir anschließend abrechnen. Etwas Kaputtes zu reparieren kostet halt mehr als es von Anfang an richtig zu machen.
Daneben gibt es die Testverfahren, Zertifizierungen, schlecht konzipierte Kurse und weitere Angebote, mit denen die Experten ordentlich Geld verdienen, die der Barrierefreiheit aber nicht immer zugute kommen.

Halbwissen ist manchmal schlimmer als keines

Es gibt unzählige „Experten“, die Unsinn verzapfen: Der eine setzt CAPTCHAs auf seiner eigenen Webseite ein. Der Andere glaubt ernsthaft, ReadSpeaker wäre eine assistive Technologie. Und der Dritte setzt ARIA so ein, dass die Seite ohne ARIA zugänglicher wäre.
Da lobe ich mir die Leute, die gar keine Ahnung haben und recherchieren. Leider scheint es in der Szene nach wie vor nicht üblich zu sein, sich mit Betroffenen auszutauschen oder über den Tellerrand der geschriebenen Richtlinien hinaus zu schauen.

Mehr Basis-Wissen, weniger Experten

Die Lösung ist denkbar einfach: Wir brauchen weniger Experten-Wissen und mehr Basis-Wissen bei allen Verantwortlichen. Es rächt sich jetzt, dass Barrierefreiheit jenseits spezieller Zirkel nicht stattfindet. Wir haben Fach-Konferenzen zur Barrierefreiheit, aber auf Normalo-Konferenzen ist es ein Nischen-Thema und wird auch so wahrgenommen, wenn es überhaupt vorkommt. In den einschlägigen Studien- und Ausbildungsgängen kommt es wenn überhaupt als Rand-Thema vor.
Es gibt kein einziges deutsch-sprachiges Programm, um Personen umfassend zur digitaler Barrierefreiheit zu qualifizieren. Die HDM Stuttgart und die Uni Hildesheim decken nur Teilgebiete ab, die entweder zu speziell oder zu allgemein sind.
Es sind also keine substantiellen Fortschritte zu erwarten. Und das leider auch, wenn die Regierung noch strengere Gesetze erlassen würde, das hat sie aber ohnehin nicht vor.

Barrierefreiheits-Expertise ist nicht notwendig

Defacto ist Expertise in Sachen Barrierefreiheit in der Regel gar nicht nötig. Die meisten Leute arbeiten innerhalb eines bestimmten Themenspektrums: Die Einen erstellen Broschüre, die nächsten schreiben Texte, wiederum andere erzeugen Infografiken. Die Infografikerin muss wissen, wie sie Farben und visuelle Indikatoren möglichst barrierefrei umsetzt, aber sie muss sich nicht mit Leichter Sprache auskennen. Umgekehrt muss der Web-Entwickler nicht wissen, wie man Infografiken barrierefrei macht.
Wir müssen also den Gedanken aufgeben, allen alles beibringen zu wollen. Das ist so, als wolle man in ein volles Glas noch mehr einfüllen, das meiste geht daneben. Die Personen benötigen das Spezialwissen, welches auf ihre Tätigkeit passt.

Welche Tools zur Online-Kommunikation und Online-Zusammenarbeit sind barrierefrei?

Man winkt in KameraSchon seit Ewigkeiten wollte ich eine Liste barrierefreier Tools zur Online-Kommunikation zusammenstellen. Der Corona-Virus ist der Anlass, das zu forcieren. Ich möchte diese Liste dynamisch fortführen.
Ich bitte um Verständnis, dass ich hier in erster Linie die Position der Blinden und Tastaturnutzer einnehmen kann. Sollten Sie andere Tools kennen oder mit einem Tool schlechte Erfahrungen bei der Barrierefreiheit gemacht haben, teilen Sie mir das gerne per Mail oder Kommentar mit. Leider fehlen mir auch die Zeit und die Ressourcen, sämtliche Tools persönlich zu testen. Fehlt hier also ein Tool, ist das prinzipiell keine negative Aussage über dessen Barrierefreiheit. Gerne können Sie Ihre eigenen Erfahrungen ergänzen.
Leider lässt sich auch keine plattform-übergreifende Aussage treffen: Weil etwas auf Windows funktioniert, muss es nicht auf dem Mac funktionieren. Im Allgemeinen sind iPhone-Apps für Blinde zugänglicher als ihre Pendants auf Android, aber auch das gilt nicht immer. Native Apps sind in der Regel barrierefreier als Browser-Apps, aber auch nicht immer. Für Gehörlose mit Gebärdensprache können andere Tools besser sein als für Hörende oder gemischte Gruppen.
Allgemein werden die Tools hier aus der Perspektive der Nutzer:Innen betrachtet. Für Moderator:Innen stellen sich andere, komplexere Anforderungen, die hier aber nicht betrachtet werden. Generell würde ich jedem, der Einschränkungen bei der Computer-Nutzung hat davon abraten, die Moderatorenrolle ohne Assistenz zu übernehmen.
Tipp: Wenn Ihr Tool hier nicht genannt wird, prüfen Sie in der Suchmaschine Ihres Vertrauens, ob der Anbieter sich zu dessen Barrierefreiheit auf Deutsch oder Englisch äußert. Ist das nicht der Fall, hat der Anbieter sehr wahrscheinlich das Thema gar nicht auf dem Schirm und Sie sollten einen Griff dran schrauben um es in die nächste Ecke werfen zu können.
An dieser Stelle gehe ich nur auf Tools ein. Tipps zu einer barrierefreien Online-Kommunikation finden Sie hier. Auch einen Leitfaden zu barrierefreien Online-Veranstaltungen habe ich veröffentlicht.
Vorneweg: Die beste Lösung, was Datenschutz und Barrierefreiheit angeht ist bisher BigBlueButton. Die zweitbeste, weil datenschutz-rechtlich schwierige Lösung ist Zoom. Von den großen kommerziellen Lösungen Adobe Connect, GoToMeeting und WebEx konnte keine bezüglich der Barrierefreiheit überzeugen.

Skype

Skype ist der Klassiker der Team-Kommunikation. Das Tool ist unter Windows uneingeschränkt per Tastatur und als blinde Person nutzbar.
Leider ist die Sprachqualität eher mittelmäßig. Außerdem kommt es gerne zu Verzögerungen bei der Bild-Übertragung, wodurch Sprache und Bild nicht immer synchron sind.

Microsoft Teams

Microsoft Teams soll Skype for Business ersetzen und hat ähnliche Funktionen wie Skype. Es ist in der Business-Version von Microsoft Office 365 integriert.
Teams ist prinzipiell mit Screenreader und Tastatur nutzbar, ich finde es aber recht komplex und eigenwillig.

iMessage und Facetime

iMessage und FaceTime Audio bzw. Facetime Video sind ebenfalls gut nutzbar, allerdings nur auf Apple-Geräten verfügbar. Arbeitet die gesamte Gruppe mit Apple-Geräten, sollte das kein Problem sein.

WhatsApp

WhatsApp ist auf Android und iOS generell gut nutzbar. Das gilt auch für Audio- und Video-Calls. Hier können außerdem Sprach- und Video-Nachrichten ausgetauscht werden, das erleichtert eine asynchrone Kommunikation. Außerdem sind Gruppen-Anrufe möglich, sofern die Anzurufenden in Ihren Kontakten stehen.

Telegram

Telegram ist sowohl auf iOS als auch auf Android barrierefrei nutzbar. Leider gibt es in der aktuellen Version keine Gruppen-Anrufe. Allerdings kann Telegram auch anonym, also ohne Sammeln von Telefonnummern verwendet werden. Sie können einen Kanal anlegen, über den Sie Informationen verbreiten können, Interessenten müssen lediglich den Kanal abonnieren.
Auch Telegram erlaubt das Versenden von Sprach- und Video-Beiträgen.

Facebook-Messenger

Der Facebook-Messenger ist mäßig barrierefrei. Vor allem ist er auch auf aktuellen Geräten relativ träge. Zudem ist zu beachten, dass bei Facebook immer wieder einmal schwerwiegende Probleme auftreten, welche die Barrierefreiheit einschränken.
Auch Facebook erlaubt das Chatten in Gruppen, sowie das Versenden von Audio- und Video-Nachrichten.

Slack

Slack habe ich bisher nicht selbst verwendet, es soll aber barrierefrei sein. Slack ist hauptsächlich ein text-basiertes Kommunikations-Medium.

Google Messages

Google Messages ist sozusagen das Android-Gegenstück zu iMessages und Facetime auf iOS. Es können Text-Chats, Anrufe und Video-Calls durchgeführt werden, auch Gruppen-Calls sind möglich.
Das ist natürlich nur sinnvoll, wenn alle Teilnehmenden Android-Geräte haben.

BigBlueButton

BigBlueButton ist eine Open Source-Lösung. Die Anwendung ist funktioniert uneingeschränkt.

Zoom

Zoom ist sowohl auf dem Desktop als auch in den nativen Apps auf dem Smartphone gut bedienbar und daher uneingeschränkt empfehlenswert.

Twitch und TeamSpeak

Twitch und TeamSpeak sind mir ebenfalls empfohlen worden, von TeamSpeak weiß ich, dass es viel von Blinden verwendet wird.

Barrierefreiheit von Adobe Connect

Adobe Connect ist leider absolut nicht barrierefrei auf dem Desktop. Sowohl die Bedienbarkeit für Blinde, die Tastaturbedienbarkeit als auch der Kontrast der Bedien-Oberfläche sind mangelhaft.

Barrierefreiheit von GoToMeeting

GoToMeeting und seine Ableger sind auf einem Windows-Desktop leider nicht barrierefrei, die Fenster lassen sich nicht auslesen, Dialogfelder nicht bedienen, das Programm lässt sich mit Screenreader nicht bedienen. Leider muss ich von GoToMeeting abraten, was die Barrierefreiheit angeht.

ClickMeeting ist nicht barrierefrei

ClickMeeting ist aktuell (August 2022) nicht barrierefrei. Getestet wurde die Desktop App unter Windows 10. Der Screenreader NVDA hat absolut keine der Bedien-Elemente für Mikrofon, Kamera, Bildschirm teilen und so weiter ausgelesen. Es ist also weder für blinde Teilnehmende noch Refereirende nutzbar.

Weiterführende Infos

Demografischer Wandel und Barrierefreiheit – der Megatrend wird verpasst


image-3863″ />Seit vielen Jahrzehnten ist klar, dass die Alterung der Bevölkerung voran schreitet. Doch ist weder der Staat noch die Privat-Wirtschaft darauf eingestellt. Dieses Problem wird uns sehr bald auf die Füße fallen, wie ich in diesem Beitrag zeigen möchte.
Es hat schon etwas Fatalistisches: Einerseits wissen wir, dass die Alterung stattfindet und mit welchen Problemen ältere Menschen zu kämpfen haben. Andererseits schlafen wir munter weiter und bereiten uns nicht darauf vor, obwohl wir die Zeit und die Ressourcen dazu hätten.

Die Folgen des Alters

Natürlich ist das Alter an sich kein einheitliches Phänomen, deswegen lässt sich auch nicht exakt angeben, welche Person in welchem Alter von welcher Einschränkung betroffen sein wird. Die Folgen sind von vielen weiteren Faktoren wie Prävention, Gesundheits-Versorgung, Lebensstil, finanzieller Situation und so weiter abhängig.
Außerdem hat sich das Alter deutlich verändert: Eine heute 60-jährige Person ist im Schnitt vermutlich gesünder als es ihre Altersgenoss:Innen vor 20, 40 oder 60 Jahren waren.
Doch sind einige Faktoren klar: Ich kenne keine Person, deren Sinnes-Wahrnehmung, Beweglichkeit, Reaktions-Fähigkeit oder kognitive Verarbeitung im Alter besser geworden ist. Mit regelmäßigem Training und Kompensations-Strategien lässt sich viel erreichen. Aber früher oder später kommt ein Punkt, an dem es unweigerlich schwieriger wird.
Fatalerweise könnte dieser Punkt für uns Büro-Menschen, spöttisch homo büronicus genannt, früher kommen als für die Körperarbeiter. Man muss die Akkord-Arbeit in der Fabrik, die Maloche in den Zechen oder die Schufterei auf dem Bau nicht verherrlichen. Doch auch Büroarbeiter sind mit Haltungsschäden durch eine ungesunde Körperhaltung konfrontiert. Das ständige Starren auf nahe Objekte wie Bildschirme und Smartphones und die damit verbundene ungesunde Körperhaltung wird nicht ohne Folge bleiben.

Herausforderungen des Alltags

Treppen sind für Rollstuhlfahrer natürlich unüberwindbar, aber auch für Rollator-Nutzer. Sie sind aber auch für Menschen mit leichten Gang-Unsicherheiten oder Schwindel-Anfällen gefährlich. Für einen älteren Menschen kann ein Sturz lebensgefährlich sein, er kann aber auch durchaus dazu führen, dass die Person durch Knochenbrüche immobil wird. Schon die Angst davor kann verhindern, dass die Betroffenen eine Treppe nehmen. Wer aber keine Treppe nehmen möchte, muss oft große Umwege auf sich nehmen. Wenn man ohnehin ein langsamer Verkehrsteilnehmer ist, kostet das also zusätzlich noch mehr Zeit. Man denke in dem Zusammenhang auch an die vielen geländerlosen Treppen, die es etwa auf Wanderwegen gibt.
In diesem Zusammenhang ist leider auch das Trauerspiel Deutsche Bahn zu sehen, die meisten Konkurrenten scheinen im Nahverkehr auch nicht besser zu sein. Außer beim Fahrradabteil ist es stets notwendig, Treppen zu steigen und einen größeren Abstand zwischen Zug und Gleis zu überwinden. Die Mobilitätshilfe der Deutschen Bahn kann man unter der Kategorie „Gut gemeint“ abheften: Kein Nicht-Behinderter würde sich sagen lassen, er müsse 24 Stunden vorher Bescheid sagen, welchen Zug er nutzen wolle, solle 20 Minuten vorher sich am Reisezentrum einfinden und gefälligst dann fahren, wenn das Personal Dienst hat. Ein weiteres Thema sind die häufig lange Zeit defekten Fahrstühle. An den kleineren Bahnhöfen auch in den Großstädten gibt es häufig gar keine Hilfen oder Aufzüge.
Das sind Artefakte, könnte man sagen: Überbleibsel aus der Vergangenheit. Schließlich fahren Züge sehr lange Zeit. Das ist leider falsch: Noch heute werden Züge mit Stufen eingekauft und zu wenig Rollstuhlplätzen/WC’s eingekauft, die wahrscheinlich in zehn Jahren immer noch fahren werden.
Eine Herausforderung wird das auch für die Gastronomie in den Altstädten: Während die Restaurants selbst oft ebenerdig sind, befinden sich die Toiletten häufig im Kellergeschoss, welches über eine gewundene Treppe erreichbar ist. Und das gilt leider auch für viele andere Freizeit-Einrichtungen.
Auch die Arbeitsplätze befinden sich häufig in Altbauten. Sie barrierefrei umzugestalten ist zumindest schwierig. Ein Treppenlift lässt sich vielleicht noch einbauen. Aber um eine rollstuhl-gerechte Toilette einzubauen, muss häufig der Zuschnitt der Räume geändert werden.
Selbiges gilt leider auch für Arztpraxen. Mit Ausnahme eines meiner Ärzte befinden sich alle in Altbauten mit teils mehreren Treppen. Es muss nicht extra erwähnt werden, dass man im Alter öfter zum Arzt muss.

Es fehlen barrierefreie Wohnungen

Am schwerwiegendsten dürfte das Problem der barrierefreien Wohnungen sein. Schon heute sind barrierefreie Wohnungen für Rollstuhlfahrer kaum zu bekommen. Wie wird es sein, wenn immer mehr Menschen einen Rollator benötigen oder generell Probleme mit Treppen haben werden?
Viele Wohnhäuser haben keine Rampe am Eingang, keinen Aufzug im Haus und sind so geschnitten, dass sie mit Rollator kaum nutzbar sind. Ein Rollator-Nutzer braucht weniger Wenderaum als ein Rollstuhlfahrer, doch auch er wird in einem WC Probleme bekommen, das so groß wie eine Telefonzelle ist.
Zwar sind moderne Wohnhäuser häufig mit Aufzug ausgestattet. Doch hat die öffentliche Hand den Wohnungsbau weitgehend eingestellt und Privat-Investoren scheinen ebenfalls eher am Ausschlachten der mietenblase als am Neubau interessiert. Es ist ein schönes Beispiel für das Total-Versagen des Marktes und des Kapitalismus.

Un-universelles Design

Mit der Ausnahme von Computern und Smartphones hat das universelle Design im Technik-Bereich nicht nur stagniert, sondern Rückschritte gemacht. Immer mehr Geräte sind serienmäßig mit Touchscreens ausgestattet, die für Blinde nicht und für Sehbehinderte schwer zugänglich sind. Ältere Menschen müssen sich vorbeugen, um diese Displays lesen und bedienen zu können. Ich trauere wirklich der Zeit hinterher, als man solche Geräte ohne Hinsehen und volle Aufmerksamkeit bedienen konnte. Apps und Alexa sind leider keine Lösung, nicht jeder will für eine Ladung Wäsche oder einen Kaffee das Smartphone bemühen oder seine Gewohnheiten Google und Co. frei Haus liefern.
Gefühlt sprechen wir heute mehr denn je über barrierefreies und universelles Design. Gefühlt ist aber außerhalb des digitalen Bereiches – und auch hier wird mehr geredet als getan – wenig passiert. Das ist auch daran erkennbar, dass Barrierefreiheit auf Mainstream-Veranstaltungen wenn überhaupt ein Nischenthema ist, öfter aber gar nicht vorkommt.
Das Problem, vor allem die Knappheit an barrierefreiem Wohnraum, Verkehrsmitteln, Arztpraxen und Arbeitsplätzen ist fast ähnlich groß wie die Frage des Klimawandels. Und ähnlich ungelöst.

Das Versagen unserer Regierungen

Es bleibt ein Rätsel, warum sämtliche Bundesregierungen und die EU mit dem European Accessibility Act viele praktische Probleme wie das Thema Haushaltsgeräte außer Acht gelassen haben. Man überlege einmal, wo wir heute mit einer ernst zu nehmenden Version des Americans with Disabilities Act wären.
Nach wie vor lobbieren große Teile der Wirtschaft gegen härtere Gesetze zur Barrierefreiheit und verbauen sich damit selber die Zukunft. Leider gehören auch sämtliche Bundesregierungen der Letzten Jahrzehnte zu den Bremsern der Barrierefreiheit in der EU. 16 Jahre Merkel-Regierung waren 16 Jahre Stillstand. Rot-Grün hat wenig getan und Rot-Grün-Gelb zeigt bisher keine großen Ambitionen.
Demographic change and the lack in Accessibility

Internet-Cookies und die Barrierefreiheit auf Webseiten

Spätestens seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung sind sie allgegenwärtig- die Cookie-Messages. Oben, unten, manchmal nehmen sie auf Smartphones den gesamten Bildschirm ein. Sie sind eine Barriere geworden, hier erfahrt ihr, warum.

Bin ich da, bin ich weg?

Als Blinder kann man Cookie-Mitteilungen gut ignorieren, wenn sie sich unten am Bildschirm befinden oder man sie zumindest schnell überspringen kann. Auf dem Smartphone funktioniert das nicht so einfach, denn wie gesagt nehmen sie dort häufig viel Platz weg, so dass eine komfortable Nutzung der Website mit ihnen teils nicht möglich ist.
Nun kann es passieren, dass man sie wegklickt – also akzeptiert oder verwirft, sie aber für den Screenreader sichtbar bleiben. Das kann bedeuten, dass die Seite nicht nutzbar ist, der Screenreader bleibt quasi in der Cookie-Message hängen und kommt an den Inhalt nicht heran.

Die Cookie-Message als Overlay

Das nervigste Phänomen überhaupt sind Cookie-Messages als modaler Dialog. Der Hintergrund wird ausgegraut, die Cookie-Message poppt auf und muss aktiv geschlossen werden, um den Inhalt zu nutzen. Hier können die üblichen Probleme schlecht programmierter Dialoge für Screenreader entstehen: Entweder bekommt der Nutzer gar nicht mit, dass eine Aktion von ihm erwartet wird und die Seite ist für ihn nicht nutzbar, weil alle anklickbaren Elemente gesperrt sind. Oder er sieht die Meldung, kann sie aber nicht akzeptieren, weil die bedienelemente nicht per tastatur bedienbar sind. Abgesehen davon sind manche dieser Cookie-Messages wirklich lang geworden, als ob man einen Roman lesen wollte, bevor man die Website nutzt.
Für Tastaturnutzer ergibt sich das Problem, dass sie einen Klick ausführen müssen, um an den Inhalt zu kommen. Für Leute, die Probleme haben, die Maus zu bedienen oder mit starker Vergrößerung arbeiten, kann das durchaus schwierig werden. Nervig ist es in jedem Fall. Reine Tastatur-Nutzer kommen oft gar nicht an die Cookie-Message heran.

Angst-Störungen und mangelnde Erfahrung mit Web-Technologien

Ein weiteres Problem kann sich für Internet-Unerfahrene und Personen mit Angststörungen ergeben. Die Internet-Unerfahrenen wissen vielleicht gar nicht, was Cookies sind, was passiert, wenn sie akzeptieren und welche Daten tatsächlich gesammelt werden und was mit diesen Daten passiert? Datenschutzerklärung ist gut und schön, aber nicht jeder hat eine Jura-Professorin mit erfahrung im Internetrecht neben sich auf der Couch sitzen.
Und selbst wenn: Vertraue ich den Versicherungen des anbieters, dass die Daten zu den genannten Zwecken verarbeitet und angemessen anonymisiert werden? Als jemand mit einer Angststörung könnte man daran zweifeln. Cookie-Messages sind ein zusätzlicher Frustfaktor.
Und sehen diese Dinger nicht so ähnlich aus wie diese Werbebanner, die eine Zeitlang en vogue waren? Sie haben gewonnen, klicken Sie in den nächsten 10 Sekunden hier, um Ihr iPhone XX einzusacken. Woher soll man als durchschnittlicher Internet-Nutzer wissen, dass es sich nicht um einen Hacking- oder Betrugs-Versuch handelt?

Cookie-Mitteilungen müssen zugänglich sein

Die einfachste Lösung wäre, die Cookie-Mitteilungen für Blinde unsichtbar zu machen, technisch wäre das kein großes Problem.
Rechtlich allerdings schon: Ähnlich wie die Informationen im Impressum müssen Cookie-Mitteilungen für Blinde zugänglich sein, das gilt sowohl im Sinne der DSGVO als auch des Telemedien-Gesetzes.
Mir stellte sich beim Schreiben die Frage, ob es reicht, dass sie Theoretisch für Screenreader nutzbar sind. Befinden sie sich aus der Perspektive des Screenreaders am Ende der Webseite, wird der Blinde sie wahrscheinlich nicht wahrnehmen – wer scrollt schon bis dort hin durch? Meiner einschätzung reicht es tatsächlich aus, wenn die Cookie-Mitteilung praktisch für den Blinden wahrnehmbar wäre, sie also für ihn barrierefrei ist. Ansonsten müsste sie sich aus der Perspektive des Screenreaders immer am Anfang der Seite befinden. Findet er sie nicht, gibt es immerhin noch die Datenschutz-Informationen des Webseiten-Betreibers, dort sollte er auf jeden Fall alle Infos sowie die Optionen finden.

Lösungen

Generell fordert die DSGVO, möglichst wenig daten zu erheben. Die erste Frage wäre also, ob Cookies in vielen Fällen nicht überflüssig sind, also gar nicht erst eine entsprechende Nachricht angezeigt werden muss. Webseiten, die vor allem der Information dienen, benötigen meines Erachtens keine Informationssammler wie Session-Cookies, Tracker oder Web Analytics, auch wenn Analytiker das verständlicherweise anders sehen. Die gute alte Webstatistik tut es auch.
Ein weiterer Weg wäre, die automatische Akzeptanz von Cookies durch das Weiternutzen der Website. Wenn ich also scrolle, ein element anklicke oder eine anderweitige Aktion ausführe, könnte die Cookie-Mitteilung automatisch ausgeblendet werden. Es müsste aber sicher gestellt sein, dass der Nutzer die Cookie-Message zumindest unbewusst wahrgenommen hat und die Chance hatte, der Sammlung von Daten zu widersprechen.
Ich wundere mich, dass das W3C keinen Cookie-Veraltungs-Standard veröffentlicht hat, wenn ich mir ansehe, wie viele Dokumente die Organisation so anbietet. Falls meinen Lesern was dazu bekannt ist, freue ich mich auf hinweise.
Wünschenswert wäre eine automatische Verarbeitung der Cookie-Meldungen per Browser. Dazu wird ein einheitliches Protokoll, also eine maschinenlesbare Form benötigt. Wer eine Do-Not-Track-Anforderung im Browser aktiviert hat, sollte Tracking-Cookies gar nicht erst explizit ablehnen müssen. Andere Cookies sollten entweder für die aktuelle Session oder für einen bestimmten Zeitraum akzeptiert werde. Wie gesagt, alles über Einstellungen und Mitteilungen des Browsers.

Ein paar Datenschutz-Tipps für Blinde

Dieser Abschnitt ist nur für Blinde interessant. Es gibt ein paar Tipps zum Thema Cookies und Datenschutz.
Früher habe ich standardmäßig die Erweiterung NoScript für den Firefox verwendet. Leider ist sie nicht mehr mit Screenreadern nutzbar, man kann einzelne Skripte nicht mehr ohne Weiteres freigeben, wodurch einige Seiten-Inhalte nicht mehr funktionieren. Außerdem funktionieren viele Medienseiten und kommerzielle Seiten nicht mehr, die den Skriptblocker als Werbeblocker interpretieren, was er in gewisser Weise auch ist. Ich habe das mit Profilen gelöst, dazu weiter unten mehr.
Ein Teil des Cookie-Managements lässt sich browser-seitig einstellen: Alle Browser bieten eine Do-Not-Track-Anforderung, Cookies können generell akzeptiert, abgelehnt oder für eine bestimmte Zeit akzeptiert werden. Es ist natürlich generell sinnvoll, die Datenschutz-Einstellungen des Browsers anzuschauen. Cookies generell browser-seitig zu blockieren ist hingegen oft nicht sinnvoll, weil vor allem interaktive Seiten wie Shopping-Seiten oder Webformulare dann nicht mehr funktionieren werden. Viele Medien-Seiten sperren die Inhalte, weil sie von einem Werbeblocker ausgehen. Meiner Erfahrung nach funktioniert auch die ReCaptcha-Lösung nicht mehr, wenn Cookies standardmäßig blockiert werden.
Ich habe mir im Desktop-Firefox mehrere Profile mit unterschiedlichen Konfigurationen für unterschiedliche Zwecke angelegt. Eine fürs normale Surfen, eine für Medienseiten und interaktive Anwendungen und eine für Testzwecke mit der Standardkonfiguration von Firefox.
Um Profile anzulegen geht folgendermaßen unter Windows vor:
Drückt Windows-Taste + R für den Ausführen-Dialog von Windows. Gebt dann firefox -p ein. Es wird der Profilmanager aufgerufen.
Drückt Tab, bis ihr bei Profil erstellen seid, vergebt einen Namen für das Profil.
Wenn ihr bei jedem Start von Firefox auswählen wollt, welches Profil gestartet wird, nehmt das Häkchen bei „Gewähltes Profil bei Start ohne Nachfragen verwenden“ weg.
Ansonsten könnt ihr den Profilmanager wie oben beschrieben mit firefox -p im ausführen Dialog starten. Übrigens können mehrere Profile von Firefox auch parallel gestartet werden, auch dazu einfach firefox -p über Ausführen verwenden, wenn Firefox bereits läuft. Das kann aber schnell unübersichtlich werden, weil an den einzelnen Fenstern nicht erkennbar ist, in welchem Profil sie laufen.
Habt ihr ein Profil eingerichtet, könnt ihr wie gewohnt eure Konfigurationen und Erweiterungen vornehmen, sie bleiben wie auch die Cookies im jeweiligen Profil
Einen einfachen Datenschutz gewährt auch der anonyme Modus, der sowohl in Desktop- als auch auf Smartphone-Browsern verfügbar ist. In diesem Modus werden Daten nur so lange gespeichert, wie das Fenster oder der Tab offen ist. Im Firefox wird er mit STRG + Umschalt + P aktiviert.
Um Cookie- und andere nervige Meldungen loszuwerden reicht oft auch der Lesemodus. Dieser wird im Firefox auf dem Desktop mit F9 aktiviert und verlassen. Auch die mobilen Browser bieten so eine Funktion, die zumeist oben rechts aktiviert werden kann. Im Lesemodus wird nur der Text-Inhalt der Webseite angezeigt.
Eine andere Möglichkeit ist, unterschiedliche Browser zu verwenden. Edge, Chrome und Opera funktionieren auch mit Screenreader ganz gut.

Datenschutz – Gut gemeint – schlecht umgesetzt

Neben dem Internet-Banking ist die DSGVO ein weiteres Beispiel dafür, wie etwas, was gut gemeint war schlecht umgesetzt wurde. Einerseits neigen die EU und der deutsche Gesetzgeber dazu, jeden Einzelfall regeln zu wollen. Andererseits gehen sie nicht weit genug mit ihren Regelungen.
Die EU hätte festlegen können, dass die Cookie-Messages auf eine einheitliche Weise untergebracht und ausgeblendet werden können. Leider ist das Accessibility Mainstreaming bei der EU nicht angekommen und es gibt wenig Hoffnung darauf, dass sich das Ändert.
Wie der Datenschutz die Barrierefreiheit einschränkt

Warum Barrierefreiheit für Nonprofits wichtig ist

Ich vergleiche Barrierefreiheit gerne mit dem Umweltschutz – beide sind ähnlich wichtige Themen, auch wenn der Umwelt- und besonders der Klimaschutz heute viel mehr diskutiert werden. Die kleinste NGO leistet sich einen Nachhaltigkeitsbericht, einen Barrierefreiheits-Bericht habe ich noch nicht gesichtet.
In diesem Beitrag möchte ich zeigen, warum Barrierefreiheit für Nonprofit-Organisationen wichtig ist. Das ist ein Beitrag zur NPO-Blogparade Digital Development Goals<7/a> von So geht digital. Nebenbei ein großes Lob, dass sie das Thema Barrierefreiheit so prominent und gleich mehrfach im verlinkten Beitrag erwähnen, das ist leider selten.

Barrierefreiheit ist heute ein Muss und kein Kann

Öfter werde ich gefragt, warum die Stimmung bezüglich Barrierefreiheit gekippt ist: Vor 10-15 Jahren haben wir noch freundlich darauf hingewiesen, dass etwas nicht barrierefrei ist, heute fordern wir das ein. Das liegt daran, dass die Wünsche sich verändert haben. Wir erwarten, dass eine Website barrierefrei ist, ansonsten ist in unseren Augen der Service nicht erfüllt. Ist eine Website nicht barrierefrei, heißt das so viel wie „Du bist uns als Kunde nicht wichtig“.
Gerade bei Nonprofits, die Hilfen für Menschen in sozial schwierigen Situationen anbieten, erwarten wir Barrierefreiheit. Denn es gibt große Schnittmengen zwischen solchen Menschen und behinderten Menschen.
Am meisten wundert es mich, wenn ein Spendenprozess nicht barrierefrei gestaltet wurde. Ich werde dann natürlich nicht für diese, sondern für eine andere Organisation spenden.
Neben der Website sind weitere Kommunikationskanäle wichtig: Instagram, Facebook und Twitter bieten heute gute Möglichkeiten, Inhalte für viele Menschen zugänglich zu machen: Es können etwa Untertitel für Videos oder Bildbeschreibungen eingefügt werden.
Und auch intern kann viel gemacht werden: Das richtige Redaktionssystem – es heißt nicht TYPO3 – erleichtert die Bereitstellung barrierefreier Webseiten und Inhalte. Digitale Tools zur Zusammenarbeit können so ausgewählt werden, dass sie auch behinderten Menschen zugänglich sind, so dass sie problemlos in einem Team mitarbeiten können.

Barrierefreiheit ist eine strategische Säule

Barrierefreiheit ist Teil einer nachhaltigen Unternehmensführung. Das gilt natürlich für das Thema Inklusion, welches jede Organisation heute auf dem Schirm haben sollte.
Es gilt aber auch für andere Bereiche: Unternehmerische Verantwortung, Diversity, die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze. In allen diesen Bereichen spielt Barrierefreiheit eine wichtige Rolle. Selbst in der Nachhaltigkeit ist Barrierefreiheit wichtig: Ist ein Schreibtisch zum Beispiel von vorneherein anpassbar, muss er für einen körperbehinderten Menschen nicht neu angeschafft werden.

Wird Barrierefreiheit Pflicht?

Nonprofit-Organisationen sind fast immer Vereine oder Stiftungen. Sie werden von den aktuellen Gesetzen zur Barrierefreiheit nicht erfasst. Doch führen mehrere Wege nach Rom und es kann durchaus sein, dass sich NGOs bald um das Thema kümmern müssen.
Das gilt zumindest, wenn sie öffentliche Fördermittel erhalten. Der Staat ist durch das Behinderten-Gleichstellungsgesetz und die Behinderten-Rechts-Konvention dazu angehalten, Inklusion und Barrierefreiheit nicht nur im eigenen Bereich umzusetzen. Auch Fördermittel werden immer stärker daran gekoppelt, dass Aspekte der Inklusion und Barrierefreiheit im jeweiligen Projekt umgesetzt werden. Eine NGO, die in diesem Bereich schon Erfahrungen gesammelt hat, wird die Barrierefreiheit auch in geförderten Projekten leichter umsetzen können. Umgekehrt steigen die Chancen auf eine Förderung, wenn das Projekt von vorneherein barrierefrei ausgelegt wird.

Fazit

Barrierefreiheit wird im digitalen und analogen Bereich eine zunehmend wichtigere Anforderung an NGOs. Hier wirkt es sich positiv aus, dass es keine Geheim-Wissenschaft ist und man in vielen Bereichen keine Experten mehr braucht. Ein kleines Webprojekt lässt sich zum Beispiel ohne große Mühen mit WordPress umsetzen. Joomla, Contao und Drupal sind für größere Webseiten gut geeignet. Es gibt kostenlose Leitfäden und Checklisten für barrierefreie Veranstaltungen und auch einige Fördermöglichkeiten.
Wie die Nachhaltigkeit auch ist die Barrierefreiheit ein allmählicher Prozess. Es geht erst mal darum, überhaupt anzufangen und sich nach und nach zu steigern.
Inclusive Design: Bring Web Accessibility to Your Nonprofit“>Inclusive Design: Bring Web Accessibility to Your Nonprofit

Erkenntnisse aus dem WebAIM-Screenreader-Survey 2019

Soeben ist der aktuelle WebAim-Screenreader-Survey 2019 veröffentlicht worden. Er bringt einige überraschende Erkenntnisse.
Der WebAIM Survey ist eine Online-Umfrage, die seit 2009 mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchgeführt wird. Der Screenreader-Survey findet sehr regelmäßig etwa alle zwei Jahre statt und ist die einzige mir bekannte Erhebung dieser Art. Interessant sind weniger die absoluten Zahlen als die Veränderungen, die im Laufe der Zeit stattfinden. Um den Survey zu verstehen, muss man nicht großartig Englisch können, es reicht, wenn man – als Sehender – die Tabellen und Diagramme betrachten kann.
Es sei gesagt, dass die Umfrage nicht repräsentativ ist oder sein will. Dafür ist die Stichprobe zu klein, der Survey zu unbekannt und vor allem zu sehr auf den angloamerikanischen Raum konzentriert. Dennoch gibt es ein paar interessante erkenntnisse. Aus Urheberrechts-Gründen kann ich weder die Tabellen noch die Diagramme von WebAIM übernehmen, bitte schauen Sie direkt auf der oben verlinkten Seite nach, wenn Sie sich für die Details interessieren.

NVDA ist die Nummer 1

Der Screenreader NVDA hat mit einem Anteil von 40,7 % den Platzhirschen Jaws (40,2 %) überholt. Es sind zwar nur 0,5 Prozent unterschied. Interessant ist aber der eindeutige Abwärtstrend, den Jaws in den letzten 10 Jahren genommen hat. Jaws hat seitdem mehr als 30 Prozent seines Marktanteiles verloren, obwohl die Zahl der Konkurrenten seitdem zurückgegangen ist. In einem anderen Beitrag werfe ich einen genaueren Blick auf den Screenreader-Markt.
Freedom Scientific konnte kaum davon profitieren, dass der Mutterkonzern die konkurrenzfähige Alternative Window Eyes aufgekauft und kurzerhand dicht gemacht hat.
Viele ehemalige Window-Eyes und Cobra-Nutzer dürften zu NVDA gewechselt haben. Es dominieren die kostenlosen bzw. integrierten Screenreader wie VoiceOver. Sie machen mehr als die Hälfte des Marktes aus. Alternativen wie Dolphin oder System Access scheinen kaum eine Rolle zu spielen. Da sich Windows mit den großen Updates sehr schnell verändert, ist man heute häufig schon mit einem Screenreader aufgeschmissen, der seit einem Jahr nicht aktualisiert wurde. Das Geschäftsmodell von Freedom Scientific, für jedes kleine Update kräftig zur Kasse zu bitten, stößt allmählich an seine Grenzen – so scheint es. Der Microsoft-eigene Screenreader Narrator spielt nach wie vor keine Rolle.

Chrome schlägt Firefox

Überraschend war für mich die Dominanz von Chrome (44,4 %) unter Blinden. Bisher wurde vor allem der Firefox (27,4 %) genutzt. Wenn ich raten dürfte: Ursache für den Wechsel dürfte das Quantum-Update gewesen sein. Zum Einen gab es gerade am Anfang große Latenzen beim Laden von Webseiten. Zum Anderen haben viele für Blinde nützliche Plugins wie WebVisum nicht mehr funktioniert.

Weitere interessante Ergebnisse

3/4 der Befragten fanden die Barrierefreiheit von PDFs ausbaufähig. Hier hat sich leider nicht besonders viel getan.
Überrascht hat mich, dass native Apps nicht vor Web-Apps bevorzugt werden. Es hält sich die Waage mit 50:50.
40 Prozent der behinderten Nutzer meint, dass das Web im letzten Jahr barrierefreier geworden sei. Immerhin ein Fünftel meint, dass sich die Barrierefreiheit verschlechtert habe.
Nur ein Zehntel der Befragten geht vor allem mobil ins Internet. 90 Prozent nutzen entweder einen Computer oder verteilen ihre Nutzung gleichmäßig auf Computer und Mobil. Das widerspricht meiner Erfahrung, wonach blinde Personen vor allem mobil online gehen. Eine Erklärung dafür habe ich leider nicht.
70 Prozent gaben an, dass sie ihren Screenreader stark oder sehr stark angepasst haben. Sowohl mobile als auch Desktop-Screenreader erlauben es, die Ausgabe in Sprache und Braille sehr stark anzupassen. Was starke Anpassung konkret bedeutet, bleibt offen, wäre allerdings interessant gewesen.
Fast 70 Prozent nutzen HTML-Überschriften, um sich auf einer Webseite zu orientieren. Andere Möglichkeiten wie Landmarks oder Links spielen für die Navigation auf einer Unterseite eine untergeordnete Rolle.

Amazon Echo – sprach-basierte Assistenten und barrierefreie Webseiten

Amazon hat mal wieder eine ganze Reihe von neuen Produkten vorgestellt. In diesem Beitrag möchte ich zeigen, warum der smarte Lautsprecher Echo mit der Spracheingabe auch barrierefreien Webseiten einen Schub geben könnte.

Alles über Semantik

Ein Schlüsselfaktor für barrierefreie Webseiten ist semantisches und seinen Zwecken entsprechend eingesetztes HTML.
Leider muss man sagen, dass in erster Linie bisher vor allem Blinde davon profitieren. Natürlich bringen Labels Vorteile für motorisch Behinderte und Sehbehinderte können eigene Stylesheets definieren, um sich Inhalte besser zugänglich zu machen. Aber ob das tatsächlich jemand in dem Maße nutzt, bleibt offen.

Vorlesen leicht gemacht

Doch in dem Maße, in dem Geräte ohne eigenes Display auf den Markt drängen, wird es wieder interessant. Wie bringe ich zum Beispiel dem Echo bei, wo der Inhalt einer Webseite beginnt, schließlich will ich nicht die Navigation und anderen Schmus vorgelesen haben, der am Anfang einer Webseite steht. Wie bringe ich ihn dazu, von Absatz zu Absatz, zur nächsten Überschrift, zu einem bestimmten Bereich der Webseite zu kommen? Für einen Sehenden erscheint dieses Problem eigentlich unlösbar. Doch wer arbeitet schon seit Jahr und Tag ohne Display? Exakt, blinde Menschen und das in der Regel ohne große Probleme.
Und hier kommt eine sinnvolle Semantik ins Spiel. Gibt es zum Beispiel nur eine Hauptüberschrift auf der Unterseite, die H1, hat auch eine Maschine keine Probleme, den Anfang des Artikels zu finden. Werden die neuen elemente aus HTML5 wie Navigation, Article, Footer und so weiter korrekt eingesezt, wird die Sache zusätzlich erleichtert. Selbst die Alternativtexte könnten somit einer wesentlich größeren Gruppe nützlich sein.
Auch komplexe Interaktionen mit der Website wie das Aufrufen von Punkten aus der Navigation, das Suchen innerhalb einer Unterseite, das verwenden der Suchfunktion der Website und so weiter sind durchaus möglich. In der Regel wird das länger dauern als mit einem Display, doch muss man es ja auch nicht übertreiben, wenn das visuelle Interface Smartphone nur einen Handgriff entfernt ist.

Formulare per Sprache ausfüllen

Doch war es das noch lange nicht. Heute sind Webseiten interaktiv und interaktiv heißt fast immer Formulare. Sind die Formulare sinnvoll semantisch ausgezeichnet, also so, dass eine Maschine die Aufgabe eines Inputfeldes, den Status und so weiter erkennen kann, dann dürfte es auch kein Problem mehr sein, solche Formulare komplett per Sprache auszufüllen. Natürlich wird man das für komplexere Formulare derzeit nicht machen. Aber auch das könnte nur eine Frage der Gewöhnung sein.

Macht eure Website barrierefrei

Je stärker die Spracheingabe in den Alltag einkehrt, desto mehr werden die Nutzer auch erwarten, damit im Prinzip alles erledigen zu können. Ich prophezeie einmal, dass diese Entwicklung sich stark auf die Gestaltung von visuellen Benutzeroberflächen auswirken wird, ähnlich wie es das Smartphone getan hat. Man wird zum Beispiel gezwungen sein, die Zahl der Links oder die Komplexität von Formularen zu reduzieren und eine an der Spracheingabe optimierte Benutzerführung zu etablieren.
Vor allem ältere Blinde, die mit dem Screenreader nicht so vertraut sind, könnten von dieser Entwicklung profitieren. Aber auch funktionale Analphabeten und ältere Menschen, die teils von der Technik überfordert sind, könnten dank einer Spracheingabe die Möglichkeiten des Internets wesentlich leichter nutzen. Nebenbei könnte es Amazon gelingen, die Haus-Automatisierung massentauglich zu machen, daran sind selbst Apple und google bisher gescheitert.